Ausgabe 46 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG
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24<br />
Juli/August Mai 2012 2013<br />
| historie |<br />
Die Johann-Friedrich-Schule<br />
Fußreise zum Rennsteig<br />
Klassiker der Erlebnispädagogik: Im Jahre 1853 brach der Jenaer Universitätsprofessor und Schuldirektor Karl<br />
Volkmar Stoy erstmals mit seinen Zöglingen per pedes zur Mutter aller Thüringer Wanderwege auf. Er gilt damit als<br />
einer der Wegbereiter des Schulwandertags.<br />
»Ich wand’re ja so gerne. Am<br />
Rennsteig durch das Land. Den<br />
Beutel auf dem Rücken. Die<br />
Klampfe in der Hand«, trällerte<br />
sich im April 1951 der Volksmusikant<br />
Herbert Roth<br />
in die Ohren der<br />
Wanderfreunde<br />
und setzte Thüringens<br />
bekanntestem<br />
Wanderweg musikalisch<br />
ein Denkmal.<br />
Derer gibt es<br />
auch entlang der<br />
169 Kilometer langen<br />
Strecke viele,<br />
vor allem jene steinernen<br />
Zeugnisse,<br />
Karl VolKMar Stoy<br />
(1815 — 1885)<br />
die von historischen<br />
Ereignissen,<br />
alten Grenzen oder<br />
wanderfreudigen Persönlichkeiten<br />
erzählen.<br />
Auf dem reichlich 916 Meter<br />
hohen Inselsberg erinnert etwa<br />
ein Gedenkstein daran, dass<br />
auch ein Jenaer an thüringer und<br />
deutscher Wandergeschichte mitgeschrieben<br />
hat, fast 100 Jahre<br />
vor dem Rennsteiglied: der Universitätsprofessor,<br />
Pädagoge und<br />
Schuldirektor Karl Volkmar Stoy<br />
(1815 — 1885). Der betrieb in Jena<br />
seit 1844 nicht nur eine im Inund<br />
Ausland geschätzte private<br />
Knabenerziehungsanstalt,<br />
zu deren<br />
Schülern etwa die<br />
Söhne des Komponisten<br />
Robert<br />
Schumann oder die<br />
des Verlegers Anton<br />
Philipp Reclam<br />
zählten. Zugleich<br />
stand er auch einer<br />
städtischen Volksund<br />
Armenschule<br />
in der Jenergasse<br />
vor, die den angehenden<br />
Lehrern des<br />
von ihm gleichfalls<br />
1844 begründeten pädagogischen<br />
Universitätsseminars als Übungsschule<br />
für praktische Lehrerfahrungen<br />
diente.<br />
Stoy verfolgte im Anschluss<br />
an den Philosophen und Pädagogen<br />
Johann Friedrich Herbart<br />
dies- und jenseits der Schulbank<br />
ein ganzheitliches Lehr- und<br />
Lernkonzept: Aus Stundengebern<br />
und Schulehaltern sollten<br />
sozial kompetente Lehrer und<br />
Menschenerzieher werden, Drill<br />
und Auswendiglernen einem anschaulichen,<br />
lebensnahen Unterricht<br />
weichen — all dies eingebettet<br />
in ein reiches Schulleben mit<br />
Gartenarbeit, Turnen und Spiel<br />
und gemeinsamen Wanderungen<br />
und Reisen.<br />
Geburt einer Tradition<br />
Überliefert ist in diesem Zusammenhang<br />
auch das Datum<br />
21. August 1853. An diesem begab<br />
sich Stoy an der Spitze einer<br />
vergnügten Wanderschar aus<br />
Schülern und Lehrern erstmals<br />
von Jena aus auf eine achttägige<br />
›Fußreise‹ zum Rennsteig. Geboren<br />
war damit eine Tradition, die<br />
bis zu seinem Tod Bestand haben<br />
sollte und die Schulgemeinde der<br />
1958 unter Stoys Regie in der Paradiesgasse<br />
neu erbauten Johann-<br />
Friedrich-Schule an zwei Dutzend<br />
Sommern zum Thüringer Wald<br />
oder in die Rhön aufbrechen ließ.<br />
Mancher Quelle gilt Jena deshalb<br />
auch als Geburtsort des Schulwandertags.<br />
Zugegeben: Auch diese Idee<br />
hatte viele Väter, auch einige,<br />
die Stoy vorausgingen — die Reformpädagogen<br />
Johann Basedow<br />
in Dessau oder ein Christian<br />
Salzmann etwa, der als junger<br />
Jenaer Theologiestudent bei Spaziergängen<br />
im Rautal seine Sinne<br />
für die Schönheiten der Natur<br />
schärfte und 1784 eine philanthropische<br />
Erziehungsanstalt in<br />
Schnepfenthal bei Gotha begründete.<br />
Auch die Gebrüder Bender<br />
in Weinheim sind zu nennen, an<br />
deren Ausbildungsinstitut Stoy<br />
zwischen 1839 — 1842 selbst unterrichtete.<br />
Gleichwohl bleibt es<br />
Stoys Verdienst, den Wandertag<br />
seinerzeit aus der elitären Nische<br />
privater Erziehungsanstalten<br />
geholt und ihm an öffentlichen<br />
Volksschulen den Boden bereitet<br />
zu haben.<br />
»Aber wie die Gesamtkosten<br />
herbeischaffen, daß die ganze<br />
Oberklasse von 30 bis 40 Knaben<br />
eine Woche hindurch reisen<br />
konnte?«, war deshalb auch die<br />
Fotos: Archiv Karl Volkmar Stoy Schule