Ausgabe 46 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG
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Juli/August Mai 2013 2012<br />
17<br />
Steckbrief Richard Wagner<br />
rühmten Sage vom Sängerkrieg auf der<br />
Wartburg inspirierte Oper »Tannhäuser« zu<br />
Großherzogin Maria Pawlownas Geburtstag<br />
am 16. Februar 1949 unter Jubelstürmen des<br />
Publikums in Weimar aufgeführt hatte.<br />
<strong>Das</strong>s das Versprechen in einer für Wagner<br />
so misslichen Lage nur wenige Monate<br />
später der Einlösung bedurfte, bot auch für<br />
Liszt eine gehörige Überraschung, der den<br />
Dresdner Hofkapellmeister zunächst auf<br />
Freundschaftsbesuch wähnte. Von Wagners<br />
›Revoluzzertum‹ bald darauf in Kenntnis,<br />
setzte Liszt umgehend alle Hebel in Bewegung,<br />
um dem aus seiner Sicht »schädelspaltenden<br />
Genie« nach Kräften beizustehen.<br />
Liszts ausgedehnter Freundeskreis in Jena<br />
sollte dabei eine Schlüsselrolle spielen: Als<br />
Liszt und Wagner am Abend des 18. Mai im<br />
Weimarer Hotel »Zum Erbprinz« Fluchtpläne<br />
schmieden, kommen erstmals Liszts enge<br />
Freundschaftsbande nach Jena zum Tragen,<br />
zunächst in Person des Jenaer Medizinprofessors<br />
August Friedrich Siebert.<br />
Inkognito in Magdala<br />
Bis für Wagner, den ein späterer Steckbrief<br />
zum »politisch gefährlichen Individuum«<br />
erklärt, ein Pass zur Weiterreise aufgetrieben<br />
ist, empfiehlt Siebert das Kammergut<br />
des Ökonomen Julius Theodor Wernsdorf im<br />
zwischen Weimar und Jena gelegenen Magdala<br />
als einstweilige Zufluchtsstätte. Wagner<br />
macht sich am Vormittag des 19. Mai in einem<br />
Einspänner auf die etwa dreistündige<br />
Reise über Oberweimar und Mellingen und<br />
wird dort gegen Mittag vom Gutspächter persönlich<br />
in Empfang genommen. »Sie erhalten<br />
hierbei den Herrn Professor Werther aus<br />
Berlin und verfahren mit ihm nach Abrede«,<br />
steht auf der Notiz, die Siebert dem Ökonomierat<br />
aus den Händen des Komponisten zukommen<br />
lässt.<br />
Zumindest seinem Gastgeber gegenüber<br />
setzt Wagner noch auf dem Weg zu seinem<br />
Zimmer der Camouflage ein Ende: »Ich kann<br />
wohl offen gegen Sie sein? Ich bin der Kapellmeister<br />
Wagner aus Dresden. Denken<br />
Sie sich, heute soll in Weimar mein Tannhäuser<br />
gegeben werden, da muß ich Weimar<br />
den Rücken kehren und mich vor der Polizei<br />
verstecken.« Tatsächlich war bald Grund zur<br />
Eile geboten, hatte doch die Nachricht vom<br />
Steckbrief inzwischen auch Weimar erreicht,<br />
wenngleich die Beschreibung Wagners darauf<br />
mehr als vage bleibt: »Wagner ist 37 — 38<br />
Jahre alt, mittlerer Statur, hat braunes Haar<br />
und trägt eine Brille«.<br />
Mit falschem Pass ins Exil<br />
Seinen 36. Geburtstag verbringt Wagner<br />
am 22. Mai im Beisein seiner Frau Minna<br />
noch in der ländlichen Abgeschiedenheit des<br />
Kammerguts, ehe er sich am 24. Mai »auf<br />
Fußpfaden« auf den Weg nach Jena macht.<br />
Diese »etwa sechsstündige Wanderung trat<br />
ich denn an und gelangte über eine Hochebene<br />
mit Sonnenuntergang in das jetzt zum<br />
ersten Mal mir sich freundlich auftuende Universitätsstädtchen«<br />
beschreibt Wagner selbst<br />
in seiner Autobiografie »Mein Leben« seine<br />
Ankunft in Jena. Im Haus des eng mit Liszt<br />
befreundeten Literaturprofessors Oskar Ludwig<br />
Bernhard Wolff am Löbdergraben nahe<br />
beim Roten Turm fand Wagner nicht nur für<br />
eine Nacht Unterkunft, es wurde auch noch<br />
am selben Tag in kleiner Runde über Details<br />
seiner weiteren Flucht beratschlagt.<br />
Der Schriftsteller und Nationalökonom<br />
Professor Christian Adolf Widmann half<br />
überdies mit einem alten, bereits abgelaufenen<br />
Pass aus, mit dem Wagner am 25. Mai<br />
schließlich die Weiterreise über Rudolstadt,<br />
Coburg und Lichtenfels nach Lindau am Bodensee<br />
antrat, von wo ihn ein Dampfschiff<br />
drei Tage später wohlbehalten ins sichere<br />
Schweizer Exil brachte. »Eurem Rat und eurer<br />
eifrigen Unterstützung, lieben Freunde,<br />
verdanke ich diese Sicherheit«, schreibt Wagner<br />
von Zürich aus am 29. Mai in einem Brief<br />
an Wolff.<br />
Dem Geschützlärm von Dresden und der<br />
glücklichen Rettung folgt eine wahre Dankeskanonade:<br />
an seinen »Brot- und Lehnsherrn«<br />
Franz Liszt, verbunden mit dem »festen<br />
Vorsatz, ihm nach Leibeskräften Freude<br />
zu bereiten«. An Dr. Widmann, »als dessen<br />
Doppelgänger ich jetzt vier Tage lang fungirt<br />
habe: ich gebe ihn sich ganz wieder zurück<br />
und trage hoffentlich zu seinem vollkommenen<br />
Wohlsein nicht wenig bei.« Schließlich<br />
an Wolff selbst, »für die große Güte, die Sie<br />
mir erwiesen: ich bin so voller Andenken daran,<br />
dass ich keinen Griff in meine Taschen<br />
thun kann, ohne an Freund Wolff’s Fürsorge<br />
und Theilnahme erinnert zu werden. Lobe es<br />
Ihnen meine Zukunft!«.<br />
Musikalisch hielt Richard Wagner bekanntlich<br />
Wort. Mit seinen großen dramatischen<br />
Opernwerken Tannhäuser, Lohengrin,<br />
dem Ring des Nibelungen und den Meistersingern<br />
von Nürnberg schrieb er Musikgeschichte.<br />
<strong>Das</strong>s es soweit kam, ist auch ein Verdienst<br />
derer, die ihm im Mai 1849 auf seiner Flucht<br />
über Jena zur Seite standen. Am Löbdergraben<br />
11, an den Wänden des Nachfolgebaus jenes<br />
Hauses, in dem Richard Wagner damals<br />
Obdach gewährt wurde, erinnert bis heute<br />
eine Gedenktafel an diese kleine große Tat.<br />
(akl)