26.07.2014 Aufrufe

Ausgabe 51 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 51 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 51 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

22<br />

November 2013<br />

Wehmütiger Abschied<br />

Drei Jahre später — der Beginn der Bauarbeiten<br />

ist für den 20. April 1912 datiert — ging<br />

es dem mittelalterlichen Gemäuer endgültig<br />

an Steine und Quader. Nachdem viele Bürger<br />

am Vorabend noch ein letztes Mal über die<br />

alte Brücke gepilgert waren, wurde sie am<br />

13. Juli 1912 für den Verkehr gesperrt und dieser<br />

fortan über eine Notbrücke geleitet. Ende<br />

Juli begann der eigentliche Abbruch des verdienstvollen<br />

Baus. Mithilfe eines Kabelkrans<br />

wurden ungefähr 9.000 Quadratmeter Steinquader<br />

und Füllmaterial abgetragen. Nach<br />

Zeitungsberichten soll vor allem der Mörtel<br />

der alten Steinbrücke den jahrelangen Witterungseinflüssen<br />

Tribut gezollt haben: Zum<br />

Teil sei er steinhart, an anderer Stelle wieder<br />

vollkommen verfault gewesen und habe fast<br />

mit der Schaufel entfernt werden können.<br />

<strong>Das</strong> »Mauerwerk der Brücke, insbesondere<br />

die Fundamente, waren also durchaus nicht<br />

mehr so dauerhaft, als man wohl vielfach<br />

angenommen hat«, hieß es in der Jenaischen<br />

Zeitung. Und das Dinglersche Polytechnische<br />

Journal diagnostizierte: »Lediglich das sehr<br />

große Eigengewicht und die Stichbogenkonstruktion<br />

dürften der alten Brücke die Widerstandsfähigkeit<br />

gegeben haben, so lange zu<br />

halten.«<br />

Ehrentag für Jenaer<br />

GewerbefleiSS<br />

Um an die Stelle des alten Brückenwahrzeichens<br />

ein neues architektonisches<br />

Glanzlicht zu setzen, hatte sich die Stadt der<br />

Dienste des Münchener Architekten Theodor<br />

Fischer versichert, der 1908 mit dem Bau des<br />

Universitätshauptgebäudes nach Meinung der<br />

Stadtoberhäupter bereits seine Meisterschaft<br />

unter Beweis gestellt hatte.<br />

Nach Entwürfen Fischers, von dem auch<br />

Pläne und Bauzeichnungen<br />

für einen Theaterneubau<br />

in Jena überliefert<br />

sind, entstand eine<br />

16 Meter breite Brücke<br />

aus Stampfbeton mit<br />

Dreigelenkbogen von 2<br />

mal 30 und 1 mal 33 Meter<br />

Spannweite. Die Ansicht<br />

der Brücke wurde<br />

mit Jenaer Muschelkalk<br />

verkleidet. Neben der<br />

Leipziger Firma Rudolf<br />

Wolle, der die Ausführung der neuen Brücke<br />

oblag, trugen auch Jenaer Handwerksbetriebe<br />

wie der Steinmetzmeister Otto Kramer zum<br />

Gelingen des neuen Bauwerks bei, was die Jenaische<br />

Zeitung zur Brückeneinweihung von<br />

einem »Ehrentag für den Jenaer Gewerbefleiß«<br />

sprechen ließ. Insgesamt fanden beim<br />

Neubau etwa 7.800 Kubikmeter an Beton- und<br />

Belastungsprobe mit Dampfwalze<br />

Mauerwerk Verwendung, durchschnittlich<br />

arbeiteten 100 Arbeiter auf der Baustelle.<br />

Den Beweis für ihre Standfestigkeit hatte<br />

der Brückenneubau bereits bei einer ›Probebelastung‹<br />

mit einer 420 Zentner schweren<br />

Dampfmaschine ›glänzend‹ bestanden. Mit<br />

seinem neuen, zehn Meter breiten Fahrdamm<br />

aus funkelniegelnagelneuem Steinpflaster<br />

war die Brücke nicht nur diesem »keuchenden<br />

und Dampf speienden Koloß« gewachsen,<br />

vielmehr war auch dem elektromobilen<br />

Fortschritt in Gestalt einer neuen Straßenbahnlinie<br />

das Gleis bereitet.<br />

Jungfernfahrt der StraSSenbahn<br />

Am 30. Mai 1914 begab sich punkt 12 Uhr<br />

vom Holzmarkt her der erste fähnchengeschmückte<br />

Straßenbahnwagen auf seine<br />

Jungfernfahrt gen Jena-Ost über die Camsdorfer<br />

Brücke. »Staunend besah sich die zahlreiche<br />

Menschenmenge in den Straßen dieses<br />

neue Verkehrsmittel, hurtig hatte sich eine<br />

Kinderschar angesammelt, die im Wettlauf<br />

den Wagen begleitete«, berichtet tags darauf<br />

das Jenaer Volksblatt.<br />

Zwar ging die Fahrt<br />

»sehr glatt vonstatten«,<br />

doch kleine unfreiwillige<br />

Zwischenstopps<br />

ließen sich dann doch<br />

nicht vermeiden: Zunächst<br />

blieb die Bahn<br />

eingangs der Camsdorfer<br />

Brücke infolge versandeter<br />

Schienen kurzzeitig<br />

stecken, dann<br />

hielt ein Fotograf, der<br />

das historische Ereignis auf die Platte bannen<br />

wollte, kurzzeitig den Verkehr auf.<br />

Schenkt man damaligen Zeitungsberichten<br />

Glauben, so fand nach Abschluss der Bauarbeiten<br />

die neue Brücke jenseits des technischen<br />

Fortschritts auch in ihrer äußeren Form<br />

und Gestalt weithin Anerkennung: Von einer<br />

»gelungenen Verbindung von Schönheit und<br />

Erste Bauarbeiten an der neuen Brücke<br />

mithilfe eines Kabelkrans im Frühjahr 1912.<br />

Sicherheit«, einem »wunderbaren Brückenbau«,<br />

einer »neuen Zierde« war allenthalben<br />

die Rede. 756.000 Mark kostete das neue<br />

Schmuckstück, knapp 360.000 Mark davon<br />

kamen aus dem Stadtsäckel.<br />

Auch hinsichtlich des Brückenpavillons an<br />

der Südseite des Bauwerks konstatierte das<br />

Jenaer Volksblatt allgemeine Bewunderung,<br />

wenngleich die zwei Meter große Figur des<br />

Erzengels Michael, die den Tempelbau zu krönen<br />

berufen sei, noch bis nächstes Frühjahr<br />

auf sich warten lasse. Künstlerischer Disput<br />

und der 1. Weltkrieg sorgten allerdings dafür,<br />

dass der Brückenpavillon erst Ende Juni 1920<br />

mit dem vom Münchner Bildhauer Friedrich<br />

Lommel geschaffenen Standbild komplettiert<br />

wurde. Als die »einzige städtebaulich starke<br />

Leistung« in einer im Ganzen »recht traurigen«<br />

Jenaer Stadtbebauung der letzten Jahrzehnte<br />

adelte noch Anfang der 1920er Jahre<br />

der Architekturkritiker und Gropius-Freund<br />

Adolf Behne die Camsdorfer Brücke. Für<br />

Fischers Kapellenaufbau, den er »pseudomittelalterlich«<br />

nannte, mochte sich der dezidierte<br />

Befürworter modernen Bauens allerdings<br />

nicht erwärmen.<br />

Sprengung im Zweiten Weltkrieg<br />

Über drei Jahrzehnte tat die neue Brücke<br />

klaglos ihren Dienst und hätte um ein Haar<br />

den 2. Weltkrieg unversehrt überstanden.<br />

Doch einen Tag vor der Besetzung Jenas durch<br />

US-amerikanische Truppen ließ Stadtkommandant<br />

Oberst Hess das Bauwerk sprengen.<br />

Am Nachmittag des 12. April 1945 sanken alle<br />

drei Brückenbögen unter gewaltigen Detonationen<br />

zusammen. Auch die Burgauer Saalebrücke<br />

und die Autobahnbrücke in Göschwitz<br />

waren zuvor durch die Deutsche Wehrmacht<br />

zerstört worden. Die Saale war damit lediglich<br />

in Richtung Osten noch über die kleine<br />

Paradiesbrücke und einige Wochen später<br />

über einen von den Amerikanern 100 Meter<br />

südlich der zerstörten Camsdorfer Brücke errichteten<br />

Notstieg aus Pontons passierbar.<br />

Abbildungen: Ralph Seide

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!