Ausgabe 51 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG
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20 Juli/August November 2012 2013<br />
| geschichte |<br />
Ein Ausdruck<br />
von Schönheit<br />
und Sicherheit<br />
Camsdorfer Brücke im Juni 1920<br />
Abbildungen: Ralph Seide<br />
Gebührend gefeiert wurde die ›Jubilarin‹ bereits zum diesjährigen Brückenfest: Die ›neue‹ dreibogige<br />
Camsdorfer Brücke trat vor 100 Jahren an die Stelle des vorherigen mittelalterlichen Brückenwahrzeichens. Ihrem<br />
Bau und der Einweihung im November 1913 gingen ausgiebige Debatten voraus – um Heimat-, Denkmal- und<br />
Hochwasserschutz und darum, wie viel Brücke es in einer an Einwohnern und Verkehr wachsenden Stadt wie Jena<br />
zukünftig braucht.<br />
Was für ein Tag, dieser 15. November<br />
1913 — ein Tag der Freude, ein Tag,<br />
dem ein Platz in der städtischen<br />
Chronik gewiss war, ein Tag, an dem halb<br />
Jena auf den Beinen war: Volksfeststimmung,<br />
wogende Menschenmassen, Böllerschüsse,<br />
Lieder. <strong>Das</strong> Ereignis, was es zu feiern galt:<br />
Nach etwa anderthalbjähriger Bauzeit wurde<br />
die neue Camsdorfer Brücke eingeweiht,<br />
die nach über 500 Jahren den als eines der<br />
sieben Wunder Jenas gepriesenen<br />
Vorgängerbau<br />
ersetzte.<br />
Für die feierliche Zeremonie<br />
war alles aufs<br />
Beste bereitet: Die Brücke<br />
mit Flaggen und Fichtengrün<br />
geschmückt,<br />
Gemeindevorstand, Gemeinderat<br />
und die zahlreichen<br />
Gäste festlich<br />
gewandet, versammelt<br />
am westlichen Brückenkopf, Neugierige, unzählig<br />
beide Ufer säumend. Nach einer kurzen<br />
Musik dann der historische Augenblick,<br />
als Stadtbaumeister Dr. Alexander Elsner das<br />
fertige Bauwerk an Oberbürgermeister Dr.<br />
Theodor Fuchs übergab, der erst vor Jahresfrist<br />
das höchste Amt der Stadt von seinem<br />
altgedienten Amtsvorgänger Heinrich Singer<br />
Einweihung der neuen Camsdorfer<br />
brücke am 15. November 1913<br />
übernommen hatte. Nicht ohne Pathos sprach<br />
das Stadtoberhaupt von einer Zeitenwende,<br />
die an die Stelle eines mittelalterlichen<br />
Bauwerks einen würdigen und nicht minder<br />
gelungenen Neubau setzt, dessen »stattliche<br />
Breite von 16 Metern dem Verkehr in ganz<br />
anderer Weise zu dienen vermag«, gleich der<br />
Stadt gewappnet für die Erfordernisse der Zukunft:<br />
»Möge die neue Brücke, die ich hiermit<br />
in städtischen Besitz und Verwaltung übernehme,<br />
bis in die fernste<br />
Zeit dem friedlichen Verkehr<br />
dienen und künftigen<br />
Geschlechtern ein<br />
Zeichen sein von dem<br />
ernsten Ringen unserer<br />
Zeit nach Fortschritt und<br />
Neugestaltung.«<br />
Die eigentliche Festrede<br />
war indes dem<br />
Gemeinderatsvorsitzenden<br />
Karl Brauckmann<br />
vorbehalten. Der angesehene Direktor der<br />
»Lehr- und Erziehungsanstalt für Schwerhörige<br />
und Ertaubte« hatte bereits seit 1903<br />
dem Wenigenjenaer Gemeinderat angehört<br />
und in harten Kämpfen und Diskussionen im<br />
Jahre 1909 die Eingemeindung des Ortes zu<br />
Jena mit auf den Weg gebracht. Endlich, so<br />
Brauckmann in seiner Rede, habe Wenigenjena<br />
richtigen Anschluss an die Mutterstadt<br />
Jena gefunden. Er pries die kraftvolle und<br />
doch leichte Schönheit des neuen Bauwerks<br />
und beschwor, nachdem die versammelte Gesellschaft<br />
das Lied »Du mein Jena, Dein Gedenk<br />
ich« des Jenaer Lehrers und Dichters Leo<br />
Sachse intoniert hatte, in einem Weihespruch<br />
»Freiheit dem Verkehre, Freiheit dem Geiste<br />
der Zukunftgestaltenden!« Eine von festlich<br />
gekleideten Schulmädchen gehaltene Girlande<br />
wurde durchschritten und die Brücke damit<br />
für den Verkehr freigegeben.<br />
Steingewordene Geschichte<br />
Nach dem Abriss des Weigelschen Hauses<br />
1898 musste für den Brückenneubau abermalig<br />
eines der »Septem miracula Jenae«<br />
weichen. »Pons«, die um 1480 errichtete<br />
neunbogige Steinbrücke, war nicht nur ein<br />
phänomenales, wenn auch in die Jahre gekommenes<br />
Bauwerk, sondern auch ein jahrhundertealtes<br />
Stück städtischer Erinnerungskultur,<br />
um das sich eine Fülle historischer<br />
Begebenheiten rankte. Der Sage nach soll sie<br />
aus den Steinen der zerstörten Burgen des<br />
Hausbergs errichtet worden sein. Auf steinernen<br />
Platten wurde an ihren Brüstungen kleiner<br />
und großer Unglücksfälle gedacht — der<br />
Zerstörung eines Brückenbogens im 30jährigen<br />
Krieg durch schwedische Truppen, die