26.07.2014 Aufrufe

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

6 Juli/August Oktober 2012 2013<br />

| festival |<br />

Wenn die<br />

Eitelkeit tanzt<br />

In seiner 8. Auflage hat sich das Jenaer Festival »Theater in<br />

Bewegung« eines Mottos angenommen, das in der Verkörperung<br />

des Narziss schon in der griechischen Mythologie eine zentrale<br />

Position eingenommen hat, in der christlichen Theologie sogar<br />

unter den sieben Hauptsünden gelistet wird: die Eitelkeit. In ihrem<br />

von Selbstblendung gezeichneten Streben nach ewiger Jugend und<br />

körperlicher Schönheit bedarf diese häufig nicht einmal großer<br />

Worte, um zum Vorschein zu kommen – und erweist sich mit<br />

dieser wortlosen Ausdrucksweise bestens geeignet, zu einer<br />

weitläufigen Interpretationsfläche einer Reihe an Tanztheater-Choreografien<br />

zu werden.<br />

Theater als angewandte<br />

Systemtheorie<br />

Mit »Sepsis« erlebt Jena an<br />

den drei ersten Festivaltagen<br />

(24. — 26. 10.) ein Theaterprojekt<br />

der außergewöhnlichen Sorte<br />

— quasi ein risikofreudiges<br />

Experiment zwischen Kunst und<br />

Wissenschaft. Vier theatrale<br />

Ausdrucksebenen ranken sich<br />

um ein Thema: Tänzer, Musiker,<br />

Texter und Schauspieler des Theaterhauses<br />

nehmen sich in kongenialer<br />

Verschneidung des Phänomens<br />

der Sepsis an. Tanz, Musik,<br />

Text und Raum überlagern und<br />

überblenden sich in der Folge,<br />

stehen nebeneinander und ineinander,<br />

bleiben sich fremd oder<br />

verweisen aufeinander. Vorhang<br />

auf, das ist Theater als angewandte<br />

Systemtheorie! Schließlich<br />

können die Einzelteile eines<br />

Ganzen nur bestehen, wenn zwischen<br />

ihnen die Balance stimmt,<br />

letztlich also als Ganzes funktionieren.<br />

Wechselbalg<br />

Mimosa Ferrera<br />

Im Zentrum von »(M)IMOSA«<br />

(28. 10.) — einer choreografischen<br />

Zusammenarbeit von Cecilia<br />

Bengolea, Francois Chaignaud,<br />

Marlene Freitas und Trajal Harrell<br />

— steht hingegen die Kunstfigur<br />

›Mimosa Ferrera‹: die Tausendschöne,<br />

die Milchbadende,<br />

(M)IMOSA<br />

die Musengeküsste, geschaffen<br />

aus Erzählung, Kostüm, Geste,<br />

Gesang und Tanz. Identität interessiert<br />

sie nur als Möglichkeit<br />

zum Lügen, Trash ist bei ihr von<br />

höchster Erhabenheit und Leidenschaft<br />

weit mehr als Sinnlichkeit<br />

und Schmerz.<br />

Zwei Tänzer und zwei Tänzerinnen<br />

durchqueren in diesem<br />

zugleich höchst abstrakten und<br />

visuell überbordenden Stück das<br />

unsichere Terrain zwischen Ernst<br />

und Persiflage, zwischen Mann<br />

und Frau, Pop und Avantgarde,<br />

Pornografie und Religion, Voguing<br />

und Ballett, Klassizismus<br />

und Postmoderne und erschaffen<br />

damit eine nie endende Party<br />

der Gegensätze, die als Pole auf<br />

derselben Achse immer näher zusammenrücken.<br />

Zorniger Engel liest<br />

Anlässlich des Tanzfestivals<br />

2013 werfen die beiden Schauspieler<br />

Ella Gaiser und Mathias<br />

Znidarec einen frischen Blick in<br />

die zwei Romane, die das Festivalmotto<br />

bereits im Titelnamen<br />

tragen: William Thakerays<br />

»Jahrmarkt der Eitelkeiten«<br />

und Tom Wolfes »Fegefeuer der<br />

Eitelkeiten«. Egal, ob 1820 oder<br />

heute: Der Unterschied zwischen<br />

Haben und Sein ist immer größer<br />

als der zwischen Schein und Sein.<br />

Niemand weiß das besser als die<br />

beiden Autoren. In beißend satyrischem<br />

Ton porträtieren sie die<br />

Hautevolee ihrer jeweiligen Zeit:<br />

Thakeray das London der 1820er<br />

Jahre, Tom Wolfe das New York<br />

der 1980er Jahre.<br />

Begleitet von dem Allround-<br />

Musiker Kay Kalytta werden<br />

am 29. 10. im Theatercafé zwei<br />

Kapitel dieser Romane zum Klingen<br />

gebracht, in denen ausgiebig<br />

geliebt und betrogen, gewonnen<br />

und verloren, spekuliert und verworfen<br />

wird.<br />

Psychedelischer<br />

Waldraum<br />

Grace Ellen Barkey kreiert<br />

mit ihrer Needcompany am<br />

30. 10. bildstarke Mikrokosmen<br />

zwischen Poesie und Skurrilität,<br />

slapstickhaftem Humor und den<br />

widersprüchlichen (Un-)Tiefen<br />

des menschlichen <strong>Das</strong>eins. Dabei<br />

Grafik: Annelies Rossivez / Foto: Festival

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!