26.07.2014 Aufrufe

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

Ausgabe 50 - 07 Das Stadtmagazin . BLOG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

10 Oktober 2013<br />

| mein liebstes ding |<br />

Holzhandwerk<br />

»Man muss sein Leben aus dem Holz schnitzen, das man zur Verfügung<br />

hat« bemerkte schon Theodor Storm. Steffen Ermann hat da in gewisser<br />

Weise einen Vorteil, denn er hat stets ausreichend Holz vorrätig und:<br />

Schnitzen ist seine Leidenschaft.<br />

<strong>Das</strong> WWWW des Liebhabers:<br />

Wer: Steffen Ermann (geb. 1974)<br />

Was: Holz / Schnitzkunst<br />

Wann: seit circa 1986<br />

Woher: aus der Indianistik<br />

Fotos: Marko Schmidt<br />

Die Frage was er am liebsten tut, beantwortet<br />

Steffen Ermann ohne zu zögern: »Schnitzen«.<br />

Entstanden ist diese Leidenschaft durch ein<br />

anderes, auch eher ungewöhnliches Hobby.<br />

Seit er denken kann, interessiert seine Familie<br />

sich für das Leben und die Kultur der<br />

Indianer Nordamerikas. Indianistik war ein<br />

Hobby, dem sich etliche DDR-Bürger mit Begeisterung<br />

widmeten. Die Beschäftigung mit<br />

den Indianern eignete sich als ›Flucht aus<br />

dem zivilen DDR-Leben‹, denn sie lieferte<br />

einen von staatlicher Seite akzeptierten Vorwand,<br />

Dinge im Alltag anders zu machen.<br />

In den 60er Jahren wurden Indianistik-<br />

Clubs gegründet. Diese beschäftigten sich einerseits<br />

mit den historischen Indianern: Man<br />

versuchte deren alltägliches Leben nachzuempfinden,<br />

befasste sich mit deren Religion<br />

und Kultur und baute Gebrauchsgegenstände<br />

nach. Andererseits widmete man sich den<br />

Schwierigkeiten der ›heutigen Indianer‹, initiierte<br />

Hilfsaktionen, setzte sich für politische<br />

Gefangene ein und unterstützte die stammeseigenen<br />

Schulen der Indianer. Um die 1.000<br />

Aktivisten trafen sich auf dem Höhepunkt der<br />

Bewegung in den achtziger Jahren regelmäßig<br />

zur »Indian Week« — einem jährlich an<br />

wechselnden Orten stattfindenden Zeltlager.<br />

Schon als Jugendlicher war Steffen Ermann<br />

Mitglied in einem Indianistik-Club in<br />

Leipzig und nahm an der »Week« teil. Der<br />

Leipziger Club beschäftigte sich vorwiegend<br />

mit den Waldlandindianern (Irokesen). Da<br />

lag die Verbindung zur Holzbearbeitung nahe.<br />

Von den Idolen seiner Jugend, einer Gruppe<br />

junger Zimmerleute und Tischler, die ebenfalls<br />

regelmäßig an den Camps teilnahmen,<br />

lernte er schließlich die Grundlagen der kreativen<br />

Holzgestaltung.<br />

Madonnen, Löffel und<br />

Gartenzwerge<br />

Die große Begeisterung für den Werkstoff<br />

Holz und die Freude an dessen Bearbeitung<br />

motivierte Steffen Ermann zum stetigen<br />

Üben. <strong>Das</strong> hölzerne Material, welches zur Bearbeitung<br />

gebraucht wurde, fand sich dabei<br />

immer wie von selbst. Mal war es übriges<br />

Brennholz aus der Indianerei, mal ein gefällter<br />

Obstbaum aus dem Garten des Nachbarn.<br />

Im Laufe der Jahre entstand so auf rein<br />

autodidaktischer Grundlage ein anspruchsvolles<br />

kunsthandwerkliches Repertoire:<br />

Koch- und Essgerät, Spielzeug, Schmuck,<br />

hölzerne Börsen, Figuren separat oder integriert,<br />

besondere Möbel. Die Produktion dieser<br />

Dinge geschieht hauptsächlich aus Spaß an<br />

der Sache, durch deren Verwendung will er<br />

aber auch Bewusstsein schaffen für Nachhaltigkeit<br />

und beständige Werte. Bevorzugt<br />

verwendet er einheimische Hölzer, meist<br />

Obsthölzer und Nussbaum, aber auch Ahorn,<br />

Esche, Robinie (ursprünglich in Nordamerika<br />

beheimatet, aber mittlerweile hierzulande<br />

weit verbreitet) und Buche.<br />

Nach mehrmaligem Wässern und Schleifen<br />

werden die Objekte mit einer Mischung<br />

aus Lein-, Tung- oder Distelöl und Balsamterpentin<br />

oder Orangenöl behandelt, wobei<br />

letztere lediglich der Verdünnung dienen<br />

und rückstandslos verfliegen, während erstgenannte<br />

in das Holz eindringen und dort<br />

verharzen. <strong>Das</strong> Holz wird dadurch resistent<br />

gegen Feuchtigkeit und dessen Oberfläche<br />

härter und strapazierfähiger. Alle für Essgerät<br />

verwandten Materialien sind nach dem<br />

Austrocknen garantiert ungiftig und lebensmittelecht.<br />

Danach befragt, wie er den Entstehungsprozess<br />

einer seiner kunstvollen und oft filigranen<br />

Figuren beschreiben würde, zuckt er<br />

die Schultern. Oft zeichne er Skizzen, aber<br />

dann? »Dann liegt da das ausgewählte Stück<br />

Holz. Ich habe eine Vorstellung von beispielsweise<br />

einer Eule im Kopf und nehme einfach<br />

alles weg, was nicht nach Eule aussieht! Ich<br />

will mich keinesfalls mit Michelangelo vergleichen,<br />

der soweit ich weiß, etwas Ähnliches<br />

über die Entstehung seiner Skulpturen<br />

gesagt hat, aber diese Aussage ist einfach die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!