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Robert Elstner

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Jugendliche Bibliothekskunden – Prüfstein für eine zeitgemäße Angebotspolitik<br />

Ansprache<br />

- Apropos Jugendliche. Im internen Sprachgebrauch ist dieser Ausdruck<br />

durchaus erlaubt. Immerhin besser als das hölzerne Konstrukt „junge<br />

Erwachsene“. In der Außenwerbung jedoch sollte man den Begriff tunlichst<br />

vermeiden oder haben Sie im kommerziellen Segment schon einmal von<br />

Jugendfilmen, Jugend-PC-Spielen oder Jugendmusik gelesen? Wo man an<br />

die Zielgruppe ernsthaft verkaufen will, wird der Begriff umgangen.<br />

Altersspanne<br />

- Aber wie alt darf er sein, dieser sogenannte Jugendliche? Als Startschuss hat<br />

man sich bibliothekarisch auf das 13. Lebensjahr geeinigt. Das „Ende“ dieser<br />

herausfordernden Lebensphase wird „jugendverlagstechnisch“ auf etwa 16<br />

datiert. Moderne und jugendorientierte Bibliotheken setzten ihren Schnitt bei<br />

18 oder 25 Jahren. In Wahrheit freilich endet die Jugend nie. Bei einer<br />

neutralen Angebotspräsentation sind auch hippe 35jährige dankbar für eine<br />

forsche belletristische oder comicale Auswahl. Sie erhöhen mit ihrer Präsenz<br />

obendrein die „erwachsene“ Glaubwürdigkeit der Angebote. Der massive<br />

Einfall von Rentnern sollte dagegen nachdenklich stimmen. ;-)<br />

Angebote<br />

- Wenn in öffentlichen Bibliotheken über zeitgemäße Medienangebote für<br />

Jugendliche diskutiert wird, ist man sich schnell über die Zutaten einig.<br />

Elektronische Medien sind der Dreh- und Angelpunkt, um zeitgemäß vor<br />

Jugendlichen bestehen zu können. Bestenfalls 40 bis 50% sollte der Anteil der<br />

Printmedien betragen. Bei der Zusammensetzung der elektronischen<br />

Medienbestände lässt sich nicht viel falsch machen. Es gibt verlässliche<br />

Bestsellerlisten und mit einem gewaltigen Werbebudget werden Filme,<br />

Konsolenspiele oder Popgruppen vermarktet. Käufer und Konsumenten sind<br />

mithin nahezu identisch und öffentliche Bibliotheken werden allein in punkto<br />

Budget reglementiert.<br />

- Wesentlich diffiziler gestaltet sich die Angebotspolitik bei Printmedien. Hier<br />

kollidieren pädagogischer Impetus und eine oft dröge Verlagskultur, die mit<br />

den tatsächlichen Präferenzen von jugendlichen Lesern wenig gemein haben.<br />

Die Ratschläge des Hochfeuilletons schweben im literarischen Raum und<br />

eifrige Tanten, Mütter und Großmütter versuchen noch immer ihre Zöglinge<br />

auf den rechten Weg des Lesens zu geleiten. Es wimmelt von schlichten<br />

Klappentexten und betulich-kindlichen Covern, die dem erwachsenen<br />

Verständnis der Jugendlichen kontraproduktiv gegenüberstehen. Bibliotheken<br />

sind „gleichsam“ Opfer dieser falsch adressierten Verlagspolitik, die auch in<br />

vielen Buchhandlungen ihre Entsprechung findet. Jugendbücher werden<br />

allermeist neben den Kinderbüchern oder der Krabbelecke präsentiert.<br />

Zusammengestopfte Regale und verstaubte oder kindlich anmutende<br />

Werbeelemente leisten den letzten Rest für eine perfekt abschreckende<br />

Wirkung. Für Bibliotheken wird eine radikale Buchauswahl empfohlen. Auf<br />

Jugendbücher mit misslungenem Cover kann fast ohne Rücksicht der<br />

Textqualität verzichtet werden.


Genderspezifik<br />

- Insbesondere Jungen werden durch eine jugendtümelnde Angebotspolitik<br />

nachhaltig verschreckt. Sie wollen als erwachsene Leser ernst genommen<br />

werden und suchen scheu nach einem zeitgemäßen Angebot, dass sich<br />

zwischen den schrillen Girli-Reihen wahrhaftig nicht entdecken lässt.<br />

Jugendbücher an sich sind für sie „out“ und das möglicherweise akzeptable<br />

Buchprodukt verbirgt sich oft unauffindbar in einer langen Flucht von Regalen<br />

oder einer verschlungenen bibliothekarischen Ordnung.<br />

- Für die „freie Lektüre“, in Abgrenzung zum schulischen Aufgaben- bzw.<br />

Pflichtprogramm, ist ein schmales Crossoverangebot gefragt, das<br />

autobiographische Berichte, gewagte Lyrikexperimente und literarische<br />

Querschläger vereint. Hier können sowohl klassische Dauerbrenner und<br />

angesagte Romane untergebracht werden. Die Zutaten eines solchen<br />

Angebots sind weniger pauschal zu steuern, sondern sollten sich an der<br />

Experimentierlust der Kollegen vor Ort oder den Empfehlungen jugendlicher<br />

Bibliothekskunden orientieren.<br />

Image, Mitbestimmung und Vorschläge<br />

- In der Literatur (insbesondere der Kinder- und Jugendliteratur) hält sich<br />

nachhaltig und mit einer gewissen Penetranz ein recht unmoderner<br />

Bildervorrat zum Thema Bibliothek und Bibliothekarin. Letztere sind in der<br />

Regel alleinstehend, etwas verschroben (mittlerweile ohne Dutt), sehr lieb und<br />

verständnisvoll und natürlich ordentlich. Sehr ordentlich! Gut so, aber ob uns<br />

dieses Image erfreuen soll, ob es sich ändern kann und wird, das Bedarf einer<br />

besonderen Kunst.<br />

- Als Vision wünsche ich mir bei den Jugendlichen den Bildervorrat –<br />

„angesagt“, „auf der Höhe der Zeit“, „Trendsetter“.<br />

- Eine solche literarische Imagekorrektur braucht Zeit und vor allem die<br />

Integration von Jugendlichen in Entscheidungs- und<br />

Gestaltungskompetenzen. Mitwirkung lautet nach wie vor das aktuelle Credo.<br />

- Die Angebotspolitik Bedarf neben dem Rückgriff auf bewährte<br />

Dienstleistungen (ekz) eines regen Kollegenaustausches. Sozuschreiben<br />

einer nationalen Renner-Nieten-Liste für Jugendliche oder der Aktion „Die<br />

besten 7“ aus bibliothekarisch-pragmatischer Sicht und nicht der des<br />

Hochfeuilletons oder wissenschaftlichen Ausrichtung.<br />

- Einem monatlichen Zugriff auf die aktuellen Empfehlungen der landesweit<br />

agierenden Jugendjurys, denn die jährliche Ergebnispräsentation über den<br />

Deutschen Jugendliteraturpreis kommt zu spät und verstößt damit gegen<br />

jugendliches Aktualitätsempfinden. Obendrein werden hier beliebte<br />

Unterhaltungs-Genres fast überhaupt nicht berücksichtigt.<br />

- Für die Umsetzung dieser Vorschläge fehlt in Deutschland m.E. eine aktuelle,<br />

von Jugendlichen wahrgenommene mediale Plattform.<br />

<strong>Robert</strong> <strong>Elstner</strong><br />

Stadtbibliothek Leipzig

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