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Willem J. Ouweneel: Sektiererei - Bruederbewegung.de

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<strong>Willem</strong> J. <strong>Ouweneel</strong><br />

<strong>Sektiererei</strong><br />

Ihre Gefahren für die<br />

»Brü<strong>de</strong>rbewegung«<br />

brue<strong>de</strong>rbewegung .<strong>de</strong>


Zuerst erschienen im Verlag Me<strong>de</strong>ma, Vaassen (Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong>).<br />

Der Abdruck folgt <strong>de</strong>r Vorlage zeichengetreu; lediglich die Endnoten<br />

(im Original auf S. 20) wur<strong>de</strong>n in Fußnoten umgewan<strong>de</strong>lt, und die im<br />

Original vertauschten Anmerkungen 15 und 16 wur<strong>de</strong>n richtig zugeordnet.<br />

Die Seitenzahlen <strong>de</strong>r Vorlage sind in eckigen Klammern und kleinerer,<br />

roter Schrift eingefügt. In eckigen Klammern stehen<strong>de</strong> Textteile in<br />

normaler Schriftgröße stammen vom Autor.<br />

© dieser Ausgabe: 2005 brue<strong>de</strong>rbewegung.<strong>de</strong><br />

Texterfassung und Satz: Michael Schnei<strong>de</strong>r<br />

Veröffentlicht im Internet unter<br />

http://www.brue<strong>de</strong>rbewegung.<strong>de</strong>/pdf/ouweneelsektiererei.pdf<br />

brue<strong>de</strong>rbewegung .<strong>de</strong>


<strong>Sektiererei</strong>:<br />

Ihre Gefahren für die<br />

»Brü<strong>de</strong>rbewegung«<br />

<strong>Willem</strong> J. <strong>Ouweneel</strong><br />

1992<br />

2. Auflage, April 1992<br />

Diese Arbeit ist zu beziehen bei:<br />

HENK P. MEDEMA, POSTBUS 113, 8170 AC VAASSEN, NIEDERLÄNDE [sic]<br />

TEL. (0031) 5788-4867 · FAX (0031) 5788-3099


[1]<br />

1 Sekten in <strong>de</strong>r Christenheit<br />

1.1 Was ist eine Sekte?<br />

1.1.1 Die Hintergrün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Begriff Sekte<br />

Entwicklungen in <strong>de</strong>r Christenheit machen es immer wie<strong>de</strong>r sinnvoll, einen Begriff genauer<br />

zu untersuchen, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Kirchengeschichte und auch in <strong>de</strong>r sogenannten »Brü<strong>de</strong>rbewegung«<br />

eine wichtige Rolle gespielt hat: <strong>de</strong>n Begriff Sekte. Dieses Wort kommt aus <strong>de</strong>m<br />

Spätlateinischen und be<strong>de</strong>utet soviel wie »organisierte kirchliche Gruppierung«. Das Wort<br />

geht auf das lateinische Verb sequor, »folgen«, zurück. Das heißt, daß es um eine bestimmte<br />

religiöse Gruppierung geht, die einem bestimmten Lehrer und/o<strong>de</strong>r einer bestimmten<br />

Sammlung von Lehren nachfolgt, und zwar abweichend zu an<strong>de</strong>ren Lehrern<br />

und/o<strong>de</strong>r Sammlungen von Lehren. Daher erhält das Wort auch oft die Be<strong>de</strong>utung von<br />

einer sich abson<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n, schismatischen Glaubensgruppierung.<br />

In mo<strong>de</strong>rnen Bibelübersetzungen wird das Wort »Sekte« als Übersetzung <strong>de</strong>s griechischen<br />

Wortes hairesis verwen<strong>de</strong>t. Dieses Wort ist von <strong>de</strong>m Verb haireo abgeleitet, das<br />

»nehmen, fassen« be<strong>de</strong>utet. In dieser Form kommt das Verb nicht im Neuen Testament<br />

vor, wohl aber in <strong>de</strong>r sogenannten medialen Form haireomai, was buchstäblich »für sich<br />

nehmen«, und daher »(aus)wählen« o<strong>de</strong>r »vorziehen« be<strong>de</strong>utet (s. Phil 1,22; 2Thess 2,13;<br />

Hebr 11,25). Das Hauptwort hairesis be<strong>de</strong>utet zu allererst »Einnehmung« (z. B. einer<br />

Stadt), und weiterhin »Wahl«. Aus dieser letzten Be<strong>de</strong>utung entwickelte sich dann die<br />

Be<strong>de</strong>utung »gewählte Auffassung«, »Denkrichtung«, »Lehrmeinung«, und daraus wie<strong>de</strong>r<br />

die Be<strong>de</strong>utung »Schule« o<strong>de</strong>r »Partei« (im Sinn einer Gesamtheit von Personen, die eine<br />

bestimmte Sammlung von Lehrmeinungen gewählt haben). In <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>s Hellenismus<br />

wur<strong>de</strong> das Wort für die »Schulen« (haireseis) <strong>de</strong>r Philosophen verwen<strong>de</strong>t. Wichtige Kennzeichen<br />

solcher Schulen waren: (a) die <strong>de</strong>utliche Abgrenzung einer »Schule« von an<strong>de</strong>ren<br />

»Schulen«; (b) die selbstgewählte Autorität eines Lehrers (Philosophen); (c) die Lehre,<br />

von <strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st ein gewisser Kerninhalt als unantastbar betrachtet wur<strong>de</strong>; (d) <strong>de</strong>r<br />

streng private (nach außen hin abgeschlossene) Charakter.<br />

In <strong>de</strong>r Septuaginta be<strong>de</strong>utet hairesis gelegentlich »Wahl« (1Mo 49,5; 3Mo 22,18.21;<br />

1Makk 8,30). Jüdisch-hellenistische Autoren im ersten Jahrhun<strong>de</strong>rt unserer Zeitrechnung<br />

benutzten das Wort, um hiermit philosophische Schulen zu bezeichnen (so <strong>de</strong>r bekannte<br />

jüdische Denker Philo) o<strong>de</strong>r die verschie<strong>de</strong>nen Schulen im Ju<strong>de</strong>ntum: Essener, Sadduzäer<br />

und Pharisäer (so <strong>de</strong>r bekannte jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus). Diese<br />

bei<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>utungen liegen nicht so weit auseinan<strong>de</strong>r, wie es <strong>de</strong>n Anschein hat: die<br />

griechisch-philosophischen und die jüdisch-religiösen »Schulen« wiesen in ihrer Struktur<br />

wesentliche Übereinstimmungen auf.<br />

1.1.2 »Sekten« im Neuen Testament<br />

Im Neuen Testament zielt hairesis zuerst auf die genannten »Sekten« innerhalb <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums:<br />

Sadduzäer (Apg 5,17) und Pharisäer (Apg 15,5; 26,5). Auch die Christen wur<strong>de</strong>n<br />

durch ihre Gegner als eine »Sekte«, eine schismatische Abspaltung vom Ju<strong>de</strong>ntum<br />

(Apg 24,5.14; 28,22) angesehen. In all diesen Fällen hat das Wort »Sekte« eine mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger neutrale Be<strong>de</strong>utung und zielt auf eine »Schule«, eine lehrmäßige »Richtung«<br />

innerhalb <strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums. Diese neutrale Be<strong>de</strong>utung ist umso seltsamer, als das Wort innerhalb<br />

<strong>de</strong>s Christentums von Anfang an einen negativen Klang gehabt zu haben scheint:


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 5<br />

(a) In 1Kor 11,19 hat es <strong>de</strong>n Sinn von »Uneinigkeit«, »Parteiung«, »Spaltung«. Das<br />

Wort folgt hier auf »Spaltungen« (schismata) in Vers 18, was auf eine Uneinigkeit in <strong>de</strong>r<br />

Versammlung als Folge von Re<strong>de</strong>streit und Rivalität hinweist, in <strong>de</strong>r persönliche Motive<br />

(nicht Lehrmeinungen) eine Rolle spielen (vgl. 1,10–12). Die Be<strong>de</strong>utung von Vers 19 ist,<br />

daß Gott <strong>de</strong>rartige »Gruppenbildungen« als einen Test zuläßt: die »Bewährten« sind die,<br />

die über dieser Gruppenbildung stehen und bei <strong>de</strong>r »<strong>Sektiererei</strong>« in <strong>de</strong>r Versammlung<br />

nicht mitmachen.<br />

(b) In Gal 5,20 hat das Wort dieselbe Be<strong>de</strong>utung. Dort wird die »Sekte« zu <strong>de</strong>n »Werken<br />

<strong>de</strong>s Fleisches« gerechnet, aufgenommen in die Aufzählung »Feindschaft, Ha<strong>de</strong>r, Eifersucht,<br />

Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Neid«. Das sind Worte, mit <strong>de</strong>nen es in engem<br />

Zusammenhang steht (vgl. auch 1Kor 3,3–5!). <strong>Sektiererei</strong> <strong>de</strong>utet hier wie<strong>de</strong>rum eine verwerfliche<br />

Gruppenbildung innerhalb <strong>de</strong>r Versammlung an.<br />

(c) In 2Pet 2,1 lesen wir von »falschen Lehrern«, die »ver<strong>de</strong>rbliche Sekten« heimlich<br />

in die Versammlung einführen. Allein hier hat hairesis offensichtlich die Be<strong>de</strong>utung von<br />

»Lehrmeinung«, und zwar von »Lehrmeinungen«, die die Grundlagen <strong>de</strong>s Christentums<br />

»ver<strong>de</strong>rben«. Aber auch hier ist <strong>de</strong>r Verweis auf Spaltung und Gruppenbildung nicht<br />

wegzu<strong>de</strong>nken: die falschen Lehrer bil<strong>de</strong>n ihre eigenen Schulen o<strong>de</strong>r Parteien auf christlichem<br />

Bo<strong>de</strong>n. Nebenbei sei angemerkt, daß die Be<strong>de</strong>utung »Lehrmeinung« auch in Apg<br />

24,14 möglich ist, wo Paulus dann so etwas meinen könnte wie »nach <strong>de</strong>r Lehre, die sie<br />

[bloß] eine [2] [bestimmte, vom orthodoxen Ju<strong>de</strong>ntum abweichen<strong>de</strong>] Schulmeinung nennen«.<br />

Neben hairesis begegnen wir auch einmal <strong>de</strong>m Adjektiv hairetikos (»sektiererisch«),<br />

und zwar in Tit 3,10. Hier kann man entwe<strong>de</strong>r an einen »Trennungsstifter« <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>r<br />

seine eigene Schule o<strong>de</strong>r Partei von <strong>de</strong>r Versammlung löst, o<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>n »Ketzer«, <strong>de</strong>r<br />

Irrlehren verkün<strong>de</strong>t. Diese bei<strong>de</strong>n liegen in <strong>de</strong>r Praxis natürlich auch oft sehr dicht beisammen,<br />

<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Irrlehrer verkün<strong>de</strong>t nicht allein falsche Lehre, son<strong>de</strong>rn versucht mit<br />

seinen Irrlehren auch, Menschen aus <strong>de</strong>r Gemeinschaft <strong>de</strong>r Gläubigen herauszulösen und<br />

sie hinter sich her zu ziehen, um so seine eigene Schule, Partei, Gruppe o<strong>de</strong>r Glaubensgemeinschaft<br />

zu bil<strong>de</strong>n (vgl. Apg 20,30).<br />

1.1.3 Zusammenfassung: »Sekte« im biblischen Sinn<br />

Wir haben also zwei Be<strong>de</strong>utungen von »Sekte« (hairesis) gefun<strong>de</strong>n: einerseits »Partei«,<br />

»Schule«, schismatische Gruppe innerhalb einer größeren Gesamtheit, an<strong>de</strong>rerseits: »Irrlehre«,<br />

»Ketzerei«. Es ist gut, diese zwei Be<strong>de</strong>utungen auseinan<strong>de</strong>r zu halten:<br />

Gruppenbildung. Wir haben sowohl bei <strong>de</strong>n jüdischen Sekten als auch in 1Kor 11,19<br />

und Gal 5,20 gesehen, daß nicht unbedingt Irrlehre im Spiel sein muß, son<strong>de</strong>rn daß einfach<br />

Parteien innerhalb einer größeren Gesamtheit beabsichtigt sein können. Innerhalb<br />

<strong>de</strong>s Ju<strong>de</strong>ntums mag so etwas eine normale Sache gewesen sein, aber im Christentum wird<br />

dies als ein Werk <strong>de</strong>s Fleisches bezeichnet. Die »Bewährten« sind die Christen, die sich<br />

nicht in irgen<strong>de</strong>ine Partei mit hineinziehen lassen, son<strong>de</strong>rn darüber stehen und an <strong>de</strong>r<br />

Einheit <strong>de</strong>s Geistes auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi festhalten.<br />

Irrlehre. Diese Be<strong>de</strong>utung erhielt das Wort hairesis vor allem in <strong>de</strong>r späteren Kirchengeschichte<br />

(vgl. <strong>de</strong>utsch: Häresie; englisch: heresy) und hat diese auch im mo<strong>de</strong>rnen<br />

Sprachgebrauch beibehalten, wenn wir z. B. über »Sekten« wie die Zeugen Jehovas, die<br />

Mormonen, die Moon-Sekte sprechen, also Ran<strong>de</strong>rscheinungen <strong>de</strong>s Christentums. In <strong>de</strong>n<br />

zehn Stellen im Neuen Testament, in <strong>de</strong>nen »Sekte« bzw. »sektiererisch« vorkommt,<br />

be<strong>de</strong>utet es nur in einem Fall unmißverständlich »(Partei mit) Irrlehre« (2Pet 2,1).<br />

Aber es besteht auch ein <strong>de</strong>utlicher Zusammenhang zwischen <strong>de</strong>n zwei Be<strong>de</strong>utungen:<br />

wenn in <strong>de</strong>r Versammlung in irgend einer Weise Gruppenbildung entsteht, kommt diese


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 6<br />

immer daher, daß bestimmte Personen untereinan<strong>de</strong>r etwas gemeinsames haben, das sie<br />

zueinan<strong>de</strong>r hinzieht, während diese Gruppe sich gleichzeitig in diesem Punkt von an<strong>de</strong>ren<br />

<strong>de</strong>rartigen Gruppen in <strong>de</strong>r Versammlung unterschei<strong>de</strong>t. Das muß durchaus nicht be<strong>de</strong>uten,<br />

daß die eine o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Gruppe, o<strong>de</strong>r auch bei<strong>de</strong> Gruppen, fundamentale Irrlehren<br />

vertreten. Aber sie wer<strong>de</strong>n doch auf je<strong>de</strong>n Fall bestimmte Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Lehrauffassung<br />

aufweisen, jeweils abhängig von <strong>de</strong>n Führern/Lehrern, <strong>de</strong>nen man nachfolgen<br />

möchte. In 2Pet 2,1 sind das »falsche« Lehrer und es geht dort tatsächlich um fundamentale<br />

Irrlehre. Aber die Spaltungen in Korinth waren die Folge von sektiererischer Gruppenbildung<br />

um Lehrer, die eben überhaupt keine Irrlehrer waren, nämlich Paulus, Apollos<br />

und Kephas (1,10–12; 3,3–5). In diesem Fall waren diese Lehrer selbst auch keineswegs<br />

Trennungsstifter, son<strong>de</strong>rn vielmehr die Menschen, die sich sektiererisch, schismatisch,<br />

parteisüchtig nach ihnen nannten. Gesun<strong>de</strong>, normale Unterschie<strong>de</strong>, die nun einmal in <strong>de</strong>r<br />

Versammlung bestehen, weil z. B. je<strong>de</strong>r Lehrer unterschiedlich geartet und begabt ist,<br />

wer<strong>de</strong>n für eine sektiererische Parteibildung mißbraucht.<br />

1.2 Sekten in <strong>de</strong>r Kirchengeschichte<br />

1.2.1 Einige allgemeine Kennzeichen von Sekten<br />

Wir können nun zusammenfassend einige Kennzeichen davon aufzählen, was wir aufgrund<br />

<strong>de</strong>s Neuen Testaments eine »Sekte« nennen müssen, auch aufgrund <strong>de</strong>s allgemeinen<br />

damaligen Sprachgebrauchs:<br />

(a) Gruppenbildung. Eine »Sekte« ist eine Partei innerhalb <strong>de</strong>r Versammlung (örtlich,<br />

regional o<strong>de</strong>r weltweit), die sich <strong>de</strong>utlich abgrenzt von an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>rartigen Parteien o<strong>de</strong>r<br />

von <strong>de</strong>r Versammlung als solcher. Eine Sekte hat immer einen echten »Gruppengeist«,<br />

einen typischen »Nestgeruch«, wodurch sie sofort von an<strong>de</strong>ren Sekten o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r wirklichen<br />

Darstellung <strong>de</strong>r Versammlung unterschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann.<br />

(b) Bevorzugte Lehrer. Typisch sektiererisch ist, die Nachfolge und Überbetonung <strong>de</strong>r<br />

(einseitigen) Lehrauffassungen bestimmter bevorzugter Lehrer, die als beson<strong>de</strong>rs »begna<strong>de</strong>t«<br />

o<strong>de</strong>r »berufen« angesehen wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>ren Lehre nicht notwendigerweise öffentlich<br />

o<strong>de</strong>r bewußt, jedoch in <strong>de</strong>r Praxis unbewußt <strong>de</strong>r Schrift gleich o<strong>de</strong>r gar über die<br />

Schrift gestellt wird. Objektives Bibelstudium ist dann nicht mehr gut möglich. Sektierer<br />

schaffen es nicht mehr, die Schrift an<strong>de</strong>rs als vom <strong>de</strong>m [sic] Gesichtspunkt <strong>de</strong>r von ihnen<br />

bevorzugten Lehrer heraus zu lesen. Diese Lehrer müssen keine Irrlehrer sein – oft sind<br />

es begna<strong>de</strong>te Knechte Gottes – und müssen noch nicht einmal für diese <strong>Sektiererei</strong> verantwortlich<br />

sein. Es ist möglich, daß letzteres vollständig in <strong>de</strong>r Verantwortung ihrer ernstirnigen<br />

[sic] Nachfolger liegt, die <strong>de</strong>n Lehrer [3] und sein Schrifttum verehren.<br />

(c) Bevorzugte Lehre. Typisch sektiererisch ist »die Lehre«, über die in untergeordneten<br />

Punkten zwar noch gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n kann – wenngleich selbst das bei <strong>de</strong>n unnachgiebigsten<br />

Sektierern nicht mehr möglich ist – die jedoch in <strong>de</strong>r Hauptsache einen unantastbaren<br />

und autoritären Charakter erhalten hat. Noch einmal: diese Lehre muß keine fundamentalen<br />

Irrlehren umfassen. Sehr wohl beinhaltet sie aber immer die typischen Eigenarten<br />

<strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Sekte: eigene Lehren, die man nirgendwo sonst hört und die <strong>de</strong>r<br />

eigentümliche Besitz dieser Sekte sind. Je abweichen<strong>de</strong>r bestimmte Lehren sind, <strong>de</strong>sto<br />

mehr Anlaß fin<strong>de</strong>t die Sekte darin, ihren eigenen beson<strong>de</strong>ren Charakter hervorzuheben.<br />

Außergewöhnliche Lehren sollten sie eigentlich sich selbst gegenüber mißtrauisch machen,<br />

aber statt <strong>de</strong>ssen erhebt sich diese Sekte wegen <strong>de</strong>s beson<strong>de</strong>ren Lichts, das Gott ihr anvertraut<br />

hat (wie »<strong>de</strong>mütig« sie sich dabei auch geben mag).


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 7<br />

1.2.2 Einige extreme Kennzeichen von Sekten<br />

(a) Streng eingegrenztes Geschichtsbewußtsein. Für <strong>de</strong>n echten Sektierer beginnt die<br />

Kirchengeschichte eigentlich erst mit <strong>de</strong>m Entstehen <strong>de</strong>r eigenen Sekte; vor dieser Zeit<br />

gab es hauptsächlich Finsternis. Dann kommt plötzlich <strong>de</strong>r gewaltige Bruch mit <strong>de</strong>r Vergangenheit:<br />

<strong>de</strong>r/die große/n Grün<strong>de</strong>r steht/stehen auf, ohne Bezug zur Vergangenheit –<br />

sie sind sozusagen ein unmittelbares Geschenk <strong>de</strong>s Himmels – und plötzlich ist das volle<br />

Licht da, sei es nun durch vollkommen neue Offenbarungen, sei es durch ein radikales<br />

»Zurückkehren zum ursprünglichen Christentum«. Auch nach <strong>de</strong>m Auftreten <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r<br />

Grün<strong>de</strong>r/s gibt es eigentlich keine »Geschichte«. Es gibt ja keine »Entwicklung« <strong>de</strong>r<br />

»Wahrheit«; die ist mit <strong>de</strong>m/<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>r/n schon vollständig »geschenkt« wor<strong>de</strong>n. Für<br />

echt ursprüngliche Denker gibt es keinen Platz. Eine »Geschichte« einer <strong>de</strong>rartigen Sekte<br />

umfaßt dann auch in <strong>de</strong>r Hauptsache die Lebensgeschichte/n <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r/s und im<br />

weiteren Verlauf die Trennungen und Abspaltungen, die die Sekte (oft wegen unterschiedlicher<br />

Interpretation <strong>de</strong>r Lehren <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>r/s) durchgemacht hat. Je<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

verschie<strong>de</strong>nen Parteien, in die die Sekte auseinan<strong>de</strong>rfällt, hat ihre eigene Geschichtsschreibung,<br />

nach <strong>de</strong>r natürlich nur die betreffen<strong>de</strong> Partei die getreue Fortsetzung <strong>de</strong>r<br />

I<strong>de</strong>ale <strong>de</strong>s/<strong>de</strong>r ursprünglichen Grün<strong>de</strong>r/s darstellt und die übrigen Parteien abgefallen<br />

sind.<br />

(b) Unzugänglichkeit. Je sektiererischer eine Gruppe ist, <strong>de</strong>sto schwieriger ist es, sich<br />

ihr anzuschließen. Wenn vielleicht auch nicht offiziell, so aber doch in <strong>de</strong>r Praxis muß<br />

man allerlei beson<strong>de</strong>ren For<strong>de</strong>rungen entsprechen. Man muß von Herzen die außergewöhnlichen<br />

Lehren <strong>de</strong>r Gruppe übernehmen und am besten auch noch die typische I<strong>de</strong>ntität<br />

<strong>de</strong>r Gruppe angenommen haben (dieselben Gewohnheiten, <strong>de</strong>nselben Sprachgebrauch,<br />

dieselbe äußere Erscheinung, dieselben Auffassungen, dieselbe Lektüre, dasselbe Gesangbuch,<br />

etc.). Je sektiererischer eine Gruppe ist, <strong>de</strong>sto länger dauert es gewöhnlich, bis jemand<br />

von außen vollständig in diesen Kreis aufgenommen ist. Bestimmte Regeln sind<br />

nicht von vornherein klar formuliert und wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>m Aufzunehmen<strong>de</strong>n erst schrittweise<br />

mit seiner Integration in die Gruppe bekannt. Die Sekte entzieht sich so je<strong>de</strong>r Beurteilung<br />

von außen und lehnt auch jegliche Beurteilung von außerhalb ab (»nicht kompetent«). Ihr<br />

höchstes I<strong>de</strong>al ist: alle Mitglie<strong>de</strong>r haben genau dieselben (sektiererischen!) Auffassungen<br />

und dasselbe Verhaltensmuster. Alles, was nicht <strong>de</strong>n eigenen Regeln entspricht, ist verkehrt.<br />

Man fühlt sich allein unter <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r eigenen Gruppe völlig geborgen und<br />

behaglich.<br />

(c) Elitebewußtsein. Unmittelbar damit hängt die Tatsache zusammen, daß <strong>de</strong>r Elitegeist<br />

<strong>de</strong>r Sekte auch for<strong>de</strong>rt, daß man einerseits soweit wie möglich die Verbindung mit<br />

Menschen, die nicht Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Sekte sind (auch wenn sie wahre Gläubige sind) auf<br />

das Unvermeidbare reduziert. An<strong>de</strong>rerseits ist man verpflichtet, soviel wie möglich <strong>de</strong>n<br />

eigenen Zusammenkünften beizuwohnen und enge soziale Verbindungen mit <strong>de</strong>n übrigen<br />

Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Sekte zu unterhalten. Sie verträgt auch keine Kritik: je sektiererischer<br />

eine Sekte, <strong>de</strong>sto weniger Selbstkritik gibt es. Sie verträgt nicht einmal unparteiischste<br />

Kritik, selbst wenn sie aus <strong>de</strong>n eigenen Reihen stammt; sie weiß sich selbst immer zu entschuldigen<br />

und die Kritiker immer zu verurteilen. Die Intelligenten unter ihnen durchschauen<br />

das natürlich sehr wohl und versuchen, dies durch einen Anschein von Demut zu<br />

verbrämen; dadurch verän<strong>de</strong>rt sich jedoch nicht das Geringste. Man anerkennt wohl die<br />

»großen Schwachheiten« im eigenen Kreis, aber gewöhnlich bezieht sich das auf die »an<strong>de</strong>ren«:<br />

diejenigen in <strong>de</strong>r Sekte, die vom Gruppengeist abweichen. Es ist doch sehr anmaßend,<br />

daß, wenn auch nicht laut gesagt, so doch oft gedacht wird: »Wir haben das beste<br />

Schrifttum«, »Wir sind Phila<strong>de</strong>lphia«, »Außerhalb von uns ist nur Laodicäa«, »Außerhalb<br />

von uns gibt es zwar sehr wohl Gläubige, aber diese haben sehr viel weniger Licht«, »Der


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 8<br />

Tisch <strong>de</strong>s Herrn is [sic] nur bei uns«, »Bei an<strong>de</strong>ren Glaubensgemeinschaften ist <strong>de</strong>r Herr<br />

nicht in <strong>de</strong>r Mitte«, »Es gibt keine Gemein<strong>de</strong>, die sich so schriftgemäß versammelt wie<br />

wir«, etc.<br />

(d) Angst. Je fester zusammengefügt und einförmiger die Gruppe ist, <strong>de</strong>sto größer ist<br />

die Angst <strong>de</strong>r einzelnen Glie<strong>de</strong>r, aus <strong>de</strong>r Gruppe gestoßen zu wer<strong>de</strong>n. Man verliert dann<br />

nämlich seine Familie und Freun<strong>de</strong> und oft auch seine Existenzgrundlage. Überdies verliert<br />

man <strong>de</strong>n festen Bo<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Füßen, mit <strong>de</strong>m man manchmal ein ganzes Leben<br />

lang vertraut gewesen ist. »Wo sollte ich hingehen, wenn ich ausgeschlossen wür<strong>de</strong>?« So<br />

schweigen viele, die Kritikpunkte haben, lieber aus [4] Furcht, die Gruppe gegen sich aufzubringen.<br />

Merkwürdig genug gilt das auch für die Führer, soweit sie finanziell von <strong>de</strong>r<br />

Gruppe abhängig sind. Wegen dieser Angst wagt man auch nicht, irgend etwas zu verän<strong>de</strong>rn<br />

– das wür<strong>de</strong> Kritik an <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n vorangegangenen Generationen<br />

be<strong>de</strong>uten – so daß nicht die geringste Erneuerung möglich ist. Wegen dieser Angst hat<br />

man keinen Mut, etwas zu unternehmen. Neben Erstarrung also auch Passivität. Wer<br />

nichts tut, kann auch nicht kritisiert wer<strong>de</strong>n.


[5]<br />

2 <strong>Sektiererei</strong> und die »Brü<strong>de</strong>rbewegung«<br />

2.1 Einheit und Trennung<br />

2.1.1 Die Grundlage <strong>de</strong>s Zusammenkommens <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r«<br />

Dem ersten Eindruck entsprechend scheint es für <strong>de</strong>n Außenstehen<strong>de</strong>n, als ob die sogenannte<br />

»Brü<strong>de</strong>rbewegung« von Anfang an eine Art »Sekte« gewesen ist. Diese Beurteilung<br />

wäre aber völlig ungerecht. In gewisser Hinsicht kann man sogar sagen, daß eine<br />

<strong>de</strong>r charakteristischsten Ursachen <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung« gera<strong>de</strong> in ihrer Abkehr von<br />

<strong>Sektiererei</strong> lag. Fast von Anfang an wur<strong>de</strong> großer Nachdruck auf die Lehre <strong>de</strong>r Einheit<br />

<strong>de</strong>s Leibes Christi gelegt. Man wollte damit <strong>de</strong>utlich machen, daß man auf einer Grundlage<br />

zusammenzukommen versuchte, auf <strong>de</strong>r alle wahren Gläubigen, Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes<br />

Christi, willkommen waren, es sei <strong>de</strong>nn, daß bei ihnen selbst ein schriftgemäßer Hin<strong>de</strong>rungsgrund<br />

wegen eines unsittlichen Lebenswan<strong>de</strong>ls o<strong>de</strong>r böser Lehren vorlag. Die ersten<br />

»Brü<strong>de</strong>r« fan<strong>de</strong>n zu einan<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Not heraus, die sie in ihren Seelen infolge<br />

<strong>de</strong>r Tatsache erfuhren, daß sie durch allerlei unbiblische Kirchenmauern geschie<strong>de</strong>n waren.<br />

Ohne notwendigerweise die Mitgliedschaft in ihren eigenen Kirchen und Glaubensgemeinschaften<br />

aufzugeben, überschritten sie die Mauern, um auf biblische Weise zusammen<br />

das Brot brechen zu können, nicht als Glie<strong>de</strong>r dieser o<strong>de</strong>r jener »Gruppe«, son<strong>de</strong>rn<br />

ausschließlich als Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi.<br />

Die ersten »Brü<strong>de</strong>r« hatten eine große Furcht vor je<strong>de</strong>r sektiererischen Einschränkung<br />

dieser Vorgehensweise bei <strong>de</strong>r Zulassung. Sogar <strong>de</strong>r Name »Brü<strong>de</strong>rbewegung« o<strong>de</strong>r die<br />

Anführungszeichen bei <strong>de</strong>m Wort »Brü<strong>de</strong>r« – die wir benötigen, um <strong>de</strong>utlich zu machen,<br />

worüber wir re<strong>de</strong>n – hätten sie radikal abgelehnt. Nicht die Frage, welche beson<strong>de</strong>ren<br />

Auffassungen jemand über bestimmte Teilbereiche <strong>de</strong>r christlichen Wahrheit hatte o<strong>de</strong>r<br />

bei welcher Kirche o<strong>de</strong>r Glaubensgemeinschaft jemand Mitglied war, son<strong>de</strong>rn allein und<br />

ausschließlich die Frage, ob ein solcher in Gemeinschaft mit Gott war, bestimmte, ob jemand<br />

in <strong>de</strong>r Gemeinschaft am Tisch <strong>de</strong>s Herrn, die sie miteinan<strong>de</strong>r hatten, willkommen<br />

geheißen wur<strong>de</strong>. Die »Brü<strong>de</strong>rbewegung« war zu Beginn alles an<strong>de</strong>re als eine Sekte, vielmehr<br />

gera<strong>de</strong> eine Gemeinschaft von Gläubigen, die von allen Glaubensgemeinschaften<br />

wohl <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong> am feindlichsten gegenüber stand.<br />

Wie lange aber kann eine so außergewöhnliche und herausragen<strong>de</strong> Initiative standhalten?<br />

O<strong>de</strong>r, um die Frage an<strong>de</strong>rs zu formulieren: Wer kennt aus <strong>de</strong>r biblischen Geschichte<br />

o<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Kirchengeschichte eine »Erweckung«, die 160 Jahre lang gedauert hat?? Eine<br />

solche Erweckung hat es noch nie gegeben. Wir brauchen diesbezüglich nur die Bücher<br />

Esra (Kap. 1–3) und Nehemia nebeneinan<strong>de</strong>r zu legen, die etwa einen solchen Zeitraum<br />

auseinan<strong>de</strong>rliegen. In Esra fin<strong>de</strong>n wir die Erweckung, in Nehemia die traurigen Überreste<br />

<strong>de</strong>r Erweckung. Die Entwicklung ist noch niemals an<strong>de</strong>rs gewesen. Ich habe Bru<strong>de</strong>r H. L.<br />

Heijkoop oft sagen hören: »Aus Offenbarung 3 wird <strong>de</strong>utlich, daß ›Phila<strong>de</strong>lphia‹ bis zum<br />

Kommen <strong>de</strong>s Herrn bestehen bleibt, aber es gibt gar keine Gewißheit, daß, wenn <strong>de</strong>r Herr<br />

kommt, ›wir‹ zu Phila<strong>de</strong>lphia gehören wer<strong>de</strong>n.« Und so ist es. Was wir uns auch irgend<br />

einbil<strong>de</strong>n mögen, <strong>de</strong>r Herr hat uns nicht nötig. Wenn wir versagen, setzt Er sein Werk mit<br />

an<strong>de</strong>ren fort, die treuer sind als wir.<br />

2.1.2 Die erste Spaltung<br />

Als theoretische Möglichkeit wer<strong>de</strong>n viele <strong>de</strong>m soeben Angemerkten zustimmen wollen.<br />

Aber laßt uns einmal konkret fragen, wie es aktuell bei uns steht. Wie lange hat die »Er-


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 10<br />

weckung« gedauert? Ich wür<strong>de</strong> sagen: bis 1848, als die »Brü<strong>de</strong>rbewegung« in »offene<br />

Brü<strong>de</strong>r« und »geschlossene Brü<strong>de</strong>r« auseinan<strong>de</strong>rfiel. Das war schon nach etwa zwanzig<br />

Jahren! Warum war die »Erweckung« dann eigentlich vorbei? Weil zum einen eine Erweckung<br />

normalerweise erfahrungsgemäß nicht viel länger dauert; und weil zum an<strong>de</strong>ren<br />

bei dieser Spaltung die Einheit <strong>de</strong>s Geistes schon gründlich durch Zwietracht zerstört<br />

wur<strong>de</strong>! Hier wur<strong>de</strong>n ja zwei Gruppen von Christen voneinan<strong>de</strong>r getrennt, die bei<strong>de</strong> damit<br />

fortfuhren, zu bekennen, daß sie sich auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s einen Leibes versammeln<br />

wollten, d. h. mit <strong>de</strong>r Zulassung aller wahren Gläubigen, in Abson<strong>de</strong>rung von allem Bösen,<br />

das die Grundlagen <strong>de</strong>s Christentums antastet. Lei<strong>de</strong>r meinen noch immer viele »geschlossene<br />

Brü<strong>de</strong>r«, daß die »offenen Brü<strong>de</strong>r« die fundamentale Irrlehre von Benjamin<br />

W. Newton angenommen hätten. Davon kann aber gar nicht die Re<strong>de</strong> sein. Es bestand<br />

zwar Unklarheit über die Frage, inwieweit Newton seine Irrlehren wirklich zurückgezogen<br />

hatte, aber er verschwand noch in <strong>de</strong>mselben Jahr aus <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung«, und<br />

kein einziger »offener Bru<strong>de</strong>r« hat meines Wissens jemals Newtons Irrlehre wie<strong>de</strong>r aufgenommen.<br />

Ich gehe hier nicht weiter auf die Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n »offenen« und »geschlossenen<br />

Brü<strong>de</strong>rn« ein, weil ich das mit Bru<strong>de</strong>r H. P. Me<strong>de</strong>ma schon in einer separaten<br />

Abhandlung getan [6] habe. 1 Je<strong>de</strong>nfalls sind die Unterschie<strong>de</strong> viel geringer, als die meisten<br />

Brü<strong>de</strong>r glauben, mit Ausnahme <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n äußersten Flügel bei <strong>de</strong>n »offenen« und <strong>de</strong>n<br />

»geschlossene [sic] Brü<strong>de</strong>rn«. Worum es mir nun geht, ist, daß die »Erweckung« vorüber<br />

war. Als Folge <strong>de</strong>r Spaltung wur<strong>de</strong>n viele »offene Brü<strong>de</strong>r« offener, als sie es jemals vor<br />

dieser Zeit gewesen waren, und viele »geschlossene Brü<strong>de</strong>r« wur<strong>de</strong>n exklusiver, als sie es<br />

jemals vor dieser Zeit gewesen waren.<br />

Was die »geschlossenen Brü<strong>de</strong>r« betrifft, sahen einige <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Lehrer diese<br />

Entwicklung mit kritischen Augen an. Der sehr geschätzte Bru<strong>de</strong>r George V. Wigram<br />

stellte gegen En<strong>de</strong> seines Lebens – er starb 1879 – die Herausgabe seiner Bibelstudienzeitschrift<br />

The Present Testimony (Das gegenwärtige Zeugnis) ein, weil er fand, daß die »Brü<strong>de</strong>r«<br />

das Zeugnis (in bezug auf die Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi) zwar nicht lehrmäßig, aber<br />

doch praktisch aufgegeben hätten. Die »Brü<strong>de</strong>r« waren eifrig dabei, eine Sekte zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Die gesamte Bewegung war seiner Meinung nach ins Leere gelaufen: die »Brü<strong>de</strong>r«<br />

waren ihm zufolge nur noch damit beschäftigt, Seifenblasen aufzublasen, 2 d. h. die Bewegung<br />

war schöner Schein gewor<strong>de</strong>n.<br />

2.1.3 Die zweite Spaltung<br />

Die zweite Spaltung in <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung« war die von 1879–1881 (kurz nach <strong>de</strong>n<br />

Bemerkungen von Wigram!). Wie groß diese Katastrophe tatsächlich war, wird daran<br />

<strong>de</strong>utlich, daß dadurch sogar zwei so große Führer wie J. N. Darby und W. Kelly von einan<strong>de</strong>r<br />

getrennt wur<strong>de</strong>n. Den Anlaß zu dieser Spaltung bil<strong>de</strong>te eine an sich nicht so be<strong>de</strong>utsame<br />

Trennung in einer bestimmten Versammlung, ohne daß dabei irgendwelches<br />

fundamental Böse vorlag. Aber die wahren Ursachen <strong>de</strong>r Spaltung lagen viel tiefer und<br />

müssen in <strong>de</strong>r »New-Lump«-Bewegung gesucht wer<strong>de</strong>n.<br />

New Lump be<strong>de</strong>utet »neuer Teig«, und spielt auf 1Kor 5,7 an. Diese sektiererische<br />

und gesetzliche Bewegung kam in <strong>de</strong>n siebziger Jahren <strong>de</strong>s vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rts auf. Sie<br />

hatte eine neue Abson<strong>de</strong>rung innerhalb <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung« im Auge, in <strong>de</strong>r alle Brü-<br />

1 Open & Gesloten Broe<strong>de</strong>rs, in: Bo<strong>de</strong> Expres, Beilage zu Bo<strong>de</strong> van het heil in Christus, Jahrgang 1992,<br />

Hefte 1 und folgen<strong>de</strong>; (dtsch.: Offene und Geschlossene Brü<strong>de</strong>r).<br />

2 wörtl.: “[the Brethren are] blowing ecclesiastical bubbles”.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 11<br />

<strong>de</strong>r, die die »tieferen Wahrheiten« <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r« verstan<strong>de</strong>n, vereinigt wer<strong>de</strong>n und sich<br />

von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, die soviel »weniger Licht« besaßen, »abson<strong>de</strong>rn« sollten. Diese üble<br />

Bewegung war <strong>de</strong>r Anlaß, daß Bru<strong>de</strong>r Wigram meinte, daß das Zeugnis <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r vorüber<br />

war.<br />

Bru<strong>de</strong>r Darby, <strong>de</strong>r die Wahrheit <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi immer so hoch gehalten<br />

hatte, sah sofort die tödliche Gefahr dieser Bewegung. Er brachte dann auch sehr<br />

scharfe Einwendungen dagegen vor und schrieb auch in Briefen sehr viel dagegen. Ich<br />

habe die Briefe (die nicht veröffentlicht sind), soweit sie erhalten geblieben sind, allesamt<br />

gelesen. Aber die tiefe Tragik war, daß Bru<strong>de</strong>r Darby, <strong>de</strong>r inzwischen ein alter Mann<br />

gewor<strong>de</strong>n war, nicht zu verhin<strong>de</strong>rn wußte, daß er selbst in diese Bewegung hineingezogen<br />

und somit von Bru<strong>de</strong>r Kelly getrennt wur<strong>de</strong>.<br />

Innerhalb kürzester Zeit zeigte diese Bewegung dann ihr wahres Wesen, in<strong>de</strong>m sie<br />

zwei an<strong>de</strong>re be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Lehrer, nämlich Bru<strong>de</strong>r F. W. Grant und Bru<strong>de</strong>r C. E. Stuart,<br />

hinauswarf (1884–1885). Schließlich kamen die tiefsten Wurzeln nach oben, als sich in<br />

dieser Sekte Irrlehre offenbarte und sie in die Raven-Sekte entartete. Von 1881 bis 1890<br />

waren wir mit dieser Sekte in Gemeinschaft. Erst beim Auftreten von Raven gingen<br />

schließlich uns die Augen auf. Aber, soweit ich weiß, haben wir niemals, auch bei keiner<br />

Wie<strong>de</strong>rvereinigung unterschiedlicher »Brü<strong>de</strong>r«-Gruppen, die seit<strong>de</strong>m stattgefun<strong>de</strong>n hat,<br />

diese neunjährige Verbindung mit <strong>de</strong>r New-Lump-Sekte als böse vor <strong>de</strong>m Herrn bekannt.<br />

Das scheint zwar sehr lange her zu sein, aber moralisch ist und bleibt es von enormer<br />

Be<strong>de</strong>utung. Wir haben dieses Böse niemals verurteilt, im Gegenteil, wir drohen wie<strong>de</strong>r<br />

vollständig hineinzufallen.<br />

Eine <strong>de</strong>r schlimmen Irrlehren, die die in 1890 entstan<strong>de</strong>ne Raven-Taylor-Sekte aufweist,<br />

ist die starke Überbetonung <strong>de</strong>r Versammlung. Es wird ihr eine Wür<strong>de</strong> beigemessen,<br />

die nur <strong>de</strong>m Haupt <strong>de</strong>r Versammlung gebührt. Zu diesem Irrweg gehört auch, daß die<br />

Autorität <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n Männer fast <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Herrn gleichgesetzt wird. Versammlungsbeschlüsse<br />

wer<strong>de</strong>n hinter <strong>de</strong>n Kulissen von diesen Führern gesteuert und wer<strong>de</strong>n dann zu<br />

einem Prüfstein für alle Versammlungen gemacht, als ob es sich um fundamentale Irrlehre<br />

han<strong>de</strong>le. Eine Entscheidung für o<strong>de</strong>r gegen solche Beschlüsse, d. h. letztendlich: für o<strong>de</strong>r<br />

gegen die führen<strong>de</strong>n Männer, wird faktisch zu einer Entscheidung für o<strong>de</strong>r gegen Christus<br />

gemacht. Das, was <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>n Versammlungen sagt (Offb. 2:7 usw.), be<strong>de</strong>utet dann in<br />

<strong>de</strong>r Praxis das, was die Führer sagen. Die Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn nach Matth. 18:20 sei nur<br />

bei <strong>de</strong>n Versammlungen <strong>de</strong>s genau umschriebenen Gemeinschaftskreises, nicht woan<strong>de</strong>rs.<br />

Überall, wo heute in <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>rbewegung in verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn die sektiererischen<br />

»Neue-Teig-Ten<strong>de</strong>nzen« wie<strong>de</strong>r auftauchen, spüren wir genau dieselben Kennzeichen.<br />

Die Versammlung wird (natürlich nicht lehrmäßig, aber doch praktisch) <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>rbewegung<br />

gleichgesetzt, und Kritik an <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rversammlungen be<strong>de</strong>utet faktisch Kritik<br />

an <strong>de</strong>r Versammlung Gottes und damit Kritik an Gott und <strong>de</strong>m Herrn Jesus. Mittels sogenannter<br />

Versammlungszucht schaffen die Führer unbequeme Brü<strong>de</strong>r, die <strong>de</strong>r vorgeschriebenen<br />

Hauptlinie nicht folgen, bei Seite. Zweifelhafte Versammlungsbeschlüsse<br />

wer<strong>de</strong>n zu einem Prüfstein für alle Geschwister gemacht. Dies geschieht unter <strong>de</strong>m Vorwand<br />

<strong>de</strong>r »Wahrheit <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes«; in Wirklichkeit han<strong>de</strong>lt es sich hier um die<br />

»Einheitlichkeit <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>rbewegung«, welche ein Hauptanliegen <strong>de</strong>r Führer ist. Die<br />

Unterweisungen <strong>de</strong>r Führer wer<strong>de</strong>n zuweilen (natürlich nicht offiziell, aber doch faktisch)<br />

<strong>de</strong>m Wort [7] Gottes gleichgesetzt; d.h., wer ihre Belehrungen nicht akzeptiert, wi<strong>de</strong>rsteht<br />

<strong>de</strong>r Wahrheit und unterwirft sich nicht <strong>de</strong>m Wort Gottes.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 12<br />

2.2 Die alten Brü<strong>de</strong>r über die <strong>Sektiererei</strong><br />

2.2.1 Darby<br />

Es ist gera<strong>de</strong> eines <strong>de</strong>r Kennzeichen einer Sekte, bestimmte Lehrer aufs Po<strong>de</strong>st zu heben.<br />

Mitunter geschieht dies gegen <strong>de</strong>ren Willen, <strong>de</strong>nn noch längst nicht immer wollen die<br />

Lehrer dies selber. Ich gehöre selbst zu <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn, die <strong>de</strong>n Bibelunterweisungen von<br />

Bru<strong>de</strong>r Darby einen beson<strong>de</strong>ren Wert beimessen und ich habe in ihnen sehr viel studiert.<br />

Doch hoffe ich davor bewahrt zu bleiben, Bru<strong>de</strong>r Darby jemals auf einen Sockel zu heben<br />

und ihn damit unfreiwillig zu einem Anführer einer Sekte zu machen. An<strong>de</strong>re zeigen<br />

diese Neigung lei<strong>de</strong>r sehr wohl: was z. B. Darby und Kelly geschrieben haben, ist für sie<br />

das En<strong>de</strong> allen Wi<strong>de</strong>rspruchs. Nun, gera<strong>de</strong> für diese Brü<strong>de</strong>r will ich gerne ausführlich<br />

Bru<strong>de</strong>r Darby und auch Kelly zitieren, um ihnen darzulegen, daß diese Brü<strong>de</strong>r ganz an<strong>de</strong>rs<br />

über die <strong>Sektiererei</strong> dachten als sie selbst, ja, daß gera<strong>de</strong> diese Brü<strong>de</strong>r viele <strong>de</strong>rer, die<br />

sie am meisten verehren, vielleicht zuerst als »sektiererisch« bezeichnen wür<strong>de</strong>n.<br />

Die Zitate, die ich im folgen<strong>de</strong>n von Bru<strong>de</strong>r Darby gebe, sind für mich nur <strong>de</strong>shalb<br />

von Be<strong>de</strong>utung, weil sie meines Erachtens schriftgemäß sind. Dies ist die einzige Norm,<br />

auf die es ankommt. Zuerst gebe ich ein Zitat von ihm wie<strong>de</strong>r, das einer allgemeinen Abhandlung<br />

über die <strong>Sektiererei</strong> entnommen ist; danach folgt ein frühes Zitat von ihm, als<br />

die »Brü<strong>de</strong>rbewegung« gera<strong>de</strong> begonnen hatte und schließlich noch fünf weitere Zitate<br />

aus <strong>de</strong>m späteren Teil seines Lebens, als die sektiererischen Ten<strong>de</strong>nzen bereits angefangen<br />

hatten, sich innerhalb <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung« auszubreiten.<br />

(a) Aufsatz What is a Sect? aus <strong>de</strong>m Jahr 1872 o<strong>de</strong>r kurz vorher 3<br />

»Der Ausdruck ›Sekte‹ … bezeichnet entwe<strong>de</strong>r eine Lehre o<strong>de</strong>r ein System, sei es auf<br />

philosophischem o<strong>de</strong>r religiösem Gebiet, <strong>de</strong>ssen Anhänger vereinigt sind als solche, die<br />

jene Lehre übernommen haben. (…) Ein sektiererischer Geist existiert da, wo <strong>de</strong>r Wunsch<br />

besteht, Jünger auf irgen<strong>de</strong>iner an<strong>de</strong>ren Grundlage als <strong>de</strong>r dieser Einheit [<strong>de</strong>s Leibes<br />

Christi] zu vereinen, und wo diejenigen, die vereinigt sind, dies wegen und mittels einer<br />

bestimmten gemeinsamen Meinung sind. Ihre Einheit ist we<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r<br />

Einheit <strong>de</strong>s Leibes, noch <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>r Gläubigen gegrün<strong>de</strong>t. Wenn solche Personen in<br />

einer Glaubensgemeinschaft vereinigt sind und sich gegenseitig als Mitglie<strong>de</strong>r dieser Glaubensgemeinschaft<br />

anerkennen, dann bil<strong>de</strong>n sie formal eine Sekte, weil ihr Versammlungsgrundsatz<br />

nicht die Einheit <strong>de</strong>s Leibes ist und weil sie nicht als Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi<br />

versammelt sind – selbst wenn sie tatsächlich solche wären – son<strong>de</strong>rn als Glie<strong>de</strong>r einer<br />

beson<strong>de</strong>ren Glaubensgemeinschaft. (…)«<br />

»Wenn eine Glaubensgemeinschaft von Christen es als ihr Recht beansprucht, nur ihre<br />

eigenen Glie<strong>de</strong>r zum Mahl <strong>de</strong>s Herrn zuzulassen, das doch <strong>de</strong>r Ausdruck <strong>de</strong>r Einheit aller<br />

Glie<strong>de</strong>r [<strong>de</strong>s Leibes Christi] ist (wie wir es in 1Kor 10,17 fin<strong>de</strong>n), dann ist [in jener Glaubensgemeinschaft]<br />

eine Einheit geschaffen wor<strong>de</strong>n, welche formal zu <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes<br />

Christi in direktem Wi<strong>de</strong>rspruch steht. Es mag sein, daß dies in Unwissenheit geschehen<br />

ist, o<strong>de</strong>r daß diese Christen noch nie verstan<strong>de</strong>n haben, was die Einheit <strong>de</strong>s Leibes<br />

wirklich ist und daß es <strong>de</strong>r Wille Gottes ist, daß diese Einheit auf dieser Er<strong>de</strong> dargestellt<br />

wird; aber faktisch bil<strong>de</strong>n sie eine Sekte, eine völlige Verleugnung <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes<br />

3 in: The Bible Treasury, Vol. 9, S. 191–192, ebenso in: The Collected Writings of J. N. Darby, Vol. 14, S.<br />

362–365 (Reprint 1971 Edition, Believers Bookshelf) sowie dtsch.: Was ist eine Sekte? in: Botschafter<br />

<strong>de</strong>s Heils in Christo, Jahrgang 1877, S. 119ff (Neudruck; Neustadt: Paulus, 1967).


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 13<br />

Christi. Viele <strong>de</strong>rer, die Glie<strong>de</strong>r am Leibe Christi sind, sind nicht Mitglie<strong>de</strong>r dieser Glaubensgemeinschaft,<br />

und das Mahl <strong>de</strong>s Herrn ist nicht <strong>de</strong>r Ausdruck <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes<br />

Christi, auch wenn die Glie<strong>de</strong>r an diesem in gottesfürchtiger Weise teilnehmen. (…)«<br />

»Wenn ich alle Christen als Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi anerkenne, wenn ich sie liebe<br />

und sie unter <strong>de</strong>r Voraussetzung, daß sie in <strong>de</strong>r Wahrheit und in Heiligkeit wan<strong>de</strong>ln und<br />

<strong>de</strong>n Herrn aus reinem Herzen anrufen (2Tim 2,19–22; Offb 3,7), mit einem weiten Herzen<br />

aufnehme, selbst am Mahl <strong>de</strong>s Herrn, dann wandle ich nicht in einem sektiererischen<br />

Geist, selbst wenn ich nicht alle Kin<strong>de</strong>r Gottes wie<strong>de</strong>rvereinen kann, <strong>de</strong>nn ich wandle<br />

dann gemäß <strong>de</strong>s Grundsatzes dieser Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi und strebe nach praktischer<br />

Vereinigung unter <strong>de</strong>n Gläubigen. Wenn ich mich mit an<strong>de</strong>ren Gläubigen zur Feier <strong>de</strong>s<br />

Abendmahls vereinige, einfach als ein Glied am Leibe Christi, und nicht als ein Glied<br />

irgen<strong>de</strong>iner Gemein<strong>de</strong> – wenn ich dies wirklich tue in <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes, in<strong>de</strong>m ich<br />

bereit bin, alle Christen, die in Gottseligkeit und in <strong>de</strong>r Wahrheit wan<strong>de</strong>ln, aufzunehmen<br />

– dann bin ich nicht das Glied einer Sekte, son<strong>de</strong>rn ein Glied von nichts geringerem als<br />

<strong>de</strong>m Leib Christi. (…)«<br />

»Eine Sekte ist also eine religiöse Gemeinschaft, die aufgrund eines an<strong>de</strong>ren Grundsatzes,<br />

als <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi vereinigt ist. Eine solche Glaubensgemeinschaft<br />

ist auf je<strong>de</strong>n Fall eine Sekte, wenn diejenigen, welche sie ausmachen, als <strong>de</strong>ren<br />

Glie<strong>de</strong>r betrachtet wer<strong>de</strong>n. Dann wan<strong>de</strong>lt man in einem sektiererischen Geist, wenn man<br />

nur gewisse Personen anerkennt und zuläßt, ohne sich gera<strong>de</strong> Glie<strong>de</strong>r einer Glaubensgemeinschaft<br />

zu nennen.«<br />

[8] (b) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1833 4<br />

»(…) Ich vertraue sehr darauf, daß ihr [d. h. die Gläubigen in Plymouth] euch unendlich<br />

weit von <strong>Sektiererei</strong> entfernt haltet. Die große Masse <strong>de</strong>r Gläubigen, die sich an Religion<br />

gewöhnt haben, ist schwerlich fähig, etwas an<strong>de</strong>res [als <strong>Sektiererei</strong>] zu verstehen, da ihr<br />

Sinn dieser stets zugeneigt ist. Wenn sie [d. h. die Gläubigen in Plymouth] ebenfalls in<br />

ihrer Stellung vor Gott so wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, dann wür<strong>de</strong>n sie völlig nutzlos wer<strong>de</strong>n und<br />

wür<strong>de</strong>n, davon bin ich überzeugt, unmittelbar in einzelne Stücke auseinan<strong>de</strong>rbrechen. Ihr<br />

seid nichts an<strong>de</strong>res als einfach Christen, und im selben Augenblick, da ihr aufhört, je<strong>de</strong>m<br />

im Wan<strong>de</strong>l beständigen Christen die Gemeinschaft zu ermöglichen 5 , wer<strong>de</strong>t ihr in Stücke<br />

zerfallen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Bösen helfen.«<br />

(c) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1858 6<br />

»Was die Brü<strong>de</strong>r betrifft, von <strong>de</strong>nen Sie sprechen: Empfangt die strengsten Baptisten,<br />

wenn sie in eure Mitte [an <strong>de</strong>n Tisch <strong>de</strong>s Herrn] kommen. Wenn ihr es an<strong>de</strong>rs machen<br />

wür<strong>de</strong>t, so wür<strong>de</strong>t ihr wie sie sein. Es ist von äußerster Wichtigkeit, die Weite <strong>de</strong>s Christus<br />

zu bewahren. Es liegt an euch, dies zu tun, um die Einheit <strong>de</strong>s Geistes zu bewahren<br />

in <strong>de</strong>m Ban<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns. Ja, es ist meiner Meinung nach von großer Be<strong>de</strong>utung, daß<br />

man entschie<strong>de</strong>n an diesem Grundsatz festhält und daß man hier alle Geduld zeigt. Wenn<br />

sich bei jemand Sün<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r eine Lehre, die die Person <strong>de</strong>s Heilan<strong>de</strong>s angreift, zeigt, so<br />

verwerft ihn; aber dann muß dies auch bewiesen sein. Selbst wenn sich ein Bru<strong>de</strong>r wegen<br />

echter Gewissensnöte von einer Versammlung getrennt hat, wür<strong>de</strong> ich ihn empfangen, nur<br />

wür<strong>de</strong> ich die Versammlung, von <strong>de</strong>r er sich abgeson<strong>de</strong>rt hat, davon unterrichten, nach<br />

4 Letters of J. N. Darby, Stow Hill Ed., Vol. I, S. 18.<br />

5 orig.: to cease to be an available mount for communion for any consistent Christian.<br />

6 Messager Évangélique, Jahrgang 1894, S. 119.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 14<br />

welchem Grundsatz man das getan hat [d. h. wodurch die Abson<strong>de</strong>rung entstan<strong>de</strong>n ist].<br />

Wenn Bosheit da war und wenn es um einen Trennungsanstifter geht, also jemand, <strong>de</strong>n<br />

die Schrift einen sektiererischen Menschen nennt, dann soll ich ihn verwerfen, nach<strong>de</strong>m<br />

ich ihn zweimal zurechtgewiesen hätte. Es ist sehr wichtig, daß die Tür für Personen offengehalten<br />

wird, die abgeirrt o<strong>de</strong>r betrübt sein könnten und nicht wissen, was sie tun<br />

sollen, und daß man keine Sekte gegen die Baptisten bil<strong>de</strong>t, son<strong>de</strong>rn daß man nach <strong>de</strong>r<br />

Einheit <strong>de</strong>s Geistes strebt. Wenn sie eine Sekte sein wollen, bitte; aber wir nicht! Das<br />

Wort sagt: ›Einen sektiererischen Menschen weise nach einer ein- und zweimaligen Zurechtweisung<br />

ab‹ [Tit 3,10f]. Der Sektierer ist jemand, <strong>de</strong>r eine Sekte auf seine eigene<br />

Meinung grün<strong>de</strong>t; nicht jemand, <strong>de</strong>r eine verkehrte Lehre hat, son<strong>de</strong>rn jemand, <strong>de</strong>r in<br />

dieser Weise versucht, eine Sekte zu bil<strong>de</strong>n. Wenn jemand dies tut, haben wir ein biblisches<br />

Motiv, ihn auszuschließen. Aber, lieber Bru<strong>de</strong>r, wen<strong>de</strong> alle Geduld auf … auf Dauer<br />

ist Gott <strong>de</strong>r Stärkste; nur erprobt er unseren Glauben. Lies 1Sam 25,31 und auch Kol<br />

1,11. Kraft zeigt sich im Ausharren. (…) Wenn jemand Trennungen verursachen wür<strong>de</strong>,<br />

so wür<strong>de</strong> ich von ihm Abstand halten, selbst wenn da keine Fakten vorlägen, ihn auszuschließen.«<br />

(d) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1869 7<br />

»Kann man solche zulassen [zum Tisch <strong>de</strong>s Herrn], die nicht formell und regelmäßig in<br />

unserer Mitte sind? (…) Stellen wir uns jemand vor, <strong>de</strong>r als gottesfürchtig und gesund im<br />

Glauben bekannt ist, obwohl er das kirchliche System, <strong>de</strong>m er angehört, nicht verlassen<br />

hat; stellen wir uns sogar vor, daß er überzeugt ist, daß die Schrift einen durch Menschen<br />

geweihten Dienst empfehle, sich aber freut, von einer Gelegenheit, die sich darbietet [mit<br />

uns das Brot zu brechen] gebrauch [sic] zu machen. (…) Muß er zurückgewiesen wer<strong>de</strong>n,<br />

weil er irgend einem System angehört, betreffs <strong>de</strong>ssen sein Gewissen nicht erleuchtet ist,<br />

o<strong>de</strong>r welches er sogar für richtiger hält? Er ist ein gottesfürchtiges Glied <strong>de</strong>s Leibes Christi<br />

und als solches bekannt. Muß er abgewiesen wer<strong>de</strong>n? Wenn es geschieht, so macht man<br />

die Gemeinschaft von <strong>de</strong>m Gra<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lichts, das man besitzt, abhängig, und die Versammlung,<br />

die eine solche Seele zurückweist, verleugnet die Einheit <strong>de</strong>s Leibes. Der<br />

Grundsatz <strong>de</strong>s Zusammenkommens (nämlich als Glie<strong>de</strong>r Christi, die in Gottesfurcht wan<strong>de</strong>ln)<br />

wird so aufgegeben. Übereinstimmung mit uns wird als Vorbedingung gefor<strong>de</strong>rt und<br />

die Versammlung wird eine Sekte mit ihren Glie<strong>de</strong>rn, gera<strong>de</strong> so wie je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re. Man<br />

wür<strong>de</strong> uns sagen: Die Sekten versammeln sich auf ihrem Grundsatz, <strong>de</strong>m baptistischen<br />

o<strong>de</strong>r einem beliebigen an<strong>de</strong>ren; ihr [versammelt euch] auf <strong>de</strong>m eurigen, und wer nicht<br />

formell zu euch gehört, <strong>de</strong>n laßt ihr nicht zu.«<br />

»Damit wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r Versammlungen <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r aufgegeben und eine<br />

neue Sekte gebil<strong>de</strong>t sein; vielleicht mit mehr Licht, [als an<strong>de</strong>re besitzen,] aber das wäre<br />

auch alles. Es ist ohne Zweifel mühsamer und erfor<strong>de</strong>rt mehr Sorgfalt, je<strong>de</strong>n Fall für sich<br />

beson<strong>de</strong>rs nach <strong>de</strong>m Grundsatz <strong>de</strong>r Einheit aller Glie<strong>de</strong>r Christi zu behan<strong>de</strong>ln, als zu sagen:<br />

›Du gehörst nicht zu unserer Versammlung, du darfst nicht kommen [um teilzunehmen].‹<br />

Aber wenn man das letztere täte, so wür<strong>de</strong> man damit <strong>de</strong>n ganzen Grundsatz <strong>de</strong>s<br />

Zusammenkommens aufgeben. Ein solcher Weg wäre nicht in Übereinstimmung mit Gott.<br />

(…)«<br />

»Man hat behauptet, daß die Brü<strong>de</strong>r gemäß dieses sektiererischen Grundsatzes, <strong>de</strong>n<br />

wir soeben verurteilt haben, gehan<strong>de</strong>lt hätten. Diese Behauptung ist schlicht unzutreffend.<br />

7 Messager Évangélique, Jahrgang 1905, S. 16–19; teilweise auch wie<strong>de</strong>rgegeben in R. Brockhaus: Die<br />

Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi, 1913, S. 20.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 15<br />

Zwar wur<strong>de</strong>n inzwischen neue Versammlungen gebil<strong>de</strong>t, die ich nie besucht habe, aber<br />

die alten, die schon lange [9] als Brü<strong>de</strong>r [mit uns] gehen, und die ich von Beginn an gekannt<br />

habe, haben allezeit Christen, die als solche bekannt waren, empfangen, und ich<br />

zweifle nicht daran, daß dies überall so geschieht, selbst in <strong>de</strong>n neueren Versammlungen.<br />

Vielleicht könnten Einzelpersonen diesen Gedanken [<strong>de</strong>s Nichtzulassens] haben, aber die<br />

Versammlung hat immer wahre Christen empfangen. Am letzten Sonntag, als ich in L.<br />

war, haben drei Personen auf diese Weise dort das Brot gebrochen. (…) Wenn ihr abweicht<br />

von <strong>de</strong>m rechten Weg, was <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>s Versammelns anbetrifft, wenn ihr<br />

euch von diesem Grundsatz trennt, dann seid ihr eine örtliche Sekte, die auf ihre eigenen<br />

Grundsätze gegrün<strong>de</strong>t ist.«<br />

»In allem, was unsere Treue betrifft, ist Gott mein Zeuge, daß ich keinem lockeren<br />

Wan<strong>de</strong>l nachstrebe. Aber Satan ist wirksam, uns zu <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite zu<br />

schicken, entwe<strong>de</strong>r, um die [wahre] Weite <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes zu vernichten o<strong>de</strong>r, um<br />

sie in praktische o<strong>de</strong>r lehrhafte Lockerheit zu verkehren. Wir dürfen nicht in <strong>de</strong>n einen<br />

Irrtum fallen, um <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zu vermei<strong>de</strong>n. Das Zulassen aller wahren Christen verleiht<br />

<strong>de</strong>m Fernhalten solcher, die unor<strong>de</strong>ntlich wan<strong>de</strong>ln, Kraft. Wenn ich zur selben Zeit alle<br />

die fernhalte, die nach <strong>de</strong>r Gottseligkeit wan<strong>de</strong>ln, aber nicht <strong>de</strong>nselben Weg wie wir gehen,<br />

so verliert das Fernhalten seine Kraft, da diejenigen, die gottesfürchtig sind, ebenso<br />

ferngehalten wer<strong>de</strong>n, wie die, die in Gottlosigkeit wan<strong>de</strong>ln. Man ist nicht mehr als ein<br />

›Glied <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r‹, anstatt [nur] ein Glied Christi zu sein. Ein ›Glied einer Versammlung‹<br />

zu sein ist etwas, das <strong>de</strong>r Schrift unbekannt ist. Man ist Glied am Leib Christi. Wenn alle<br />

[die am Brotbrechen teilnehmen wollen] zu euch gehören müßten, dann wür<strong>de</strong> dies praktisch<br />

heißen, ›Glie<strong>de</strong>r eures Leibes‹ zu sein. Möge <strong>de</strong>r Herr euch davor bewahren! Dieser<br />

Bo<strong>de</strong>n ist kein an<strong>de</strong>rer als <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong>.«<br />

(e) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1873 8<br />

»Mein lieber Bru<strong>de</strong>r, (…) die Frage, die Sie mir bezüglich <strong>de</strong>r Zulassung [zum Tisch <strong>de</strong>s<br />

Herrn] stellten, ist für mich immer eine heikle. Der springen<strong>de</strong> Punkt ist <strong>de</strong>r, das Ausüben<br />

gesun<strong>de</strong>r Zucht einerseits und das völlige – und zunehmend wichtiger wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> – Fernhalten<br />

von <strong>de</strong>m, was das Lager ist, damit zu versöhnen, daß man vermei<strong>de</strong>t, eine Sekte zu<br />

wer<strong>de</strong>n, was ich genau so gerne tun möchte. Wenn man alle Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi<br />

zuläßt, so ist man ein<strong>de</strong>utig keine Sekte, und eben dies ist <strong>de</strong>r Grundsatz, nach <strong>de</strong>m wir<br />

uns vereinigen; aber diese [betroffenen Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi] müssen or<strong>de</strong>ntlich<br />

wan<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>r Zucht unterworfen sein und dürfen sich nicht anmaßen, <strong>de</strong>r Versammlung<br />

Gottes Bedingungen aufzuerlegen.«<br />

(f) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1879 9<br />

»(…) Es ging nicht darum, daß er mit dir o<strong>de</strong>r irgend einem an<strong>de</strong>ren alleine stehen<strong>de</strong>n<br />

Gläubigen das Brot gebrochen hatte. Das könnte man akzeptieren. Das habe ich bereits<br />

so gesagt und habe Vorwürfe dafür geerntet. Man möchte Vertrauen und Gemeinschaft in<br />

solchen Handlungen wünschen, aber wenn es in <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Geistes getan wur<strong>de</strong>, so<br />

ist daran nichts falsches. (…) Was die Gefahr anbetrifft, in die <strong>Sektiererei</strong> abzugleiten, und<br />

also selbst eine geson<strong>de</strong>rte Gemeinschaft zu bil<strong>de</strong>n, so erkenne ich diese völlig. (…) Das<br />

gedruckte Verzeichnis <strong>de</strong>r Versammlungen tendierte dahin, <strong>de</strong>nn das Böse schlüpft unbeabsichtigt<br />

herein, und eben aus diesem Grund wollte ich darüber niemals etwas zu sagen<br />

8 Letters of J. N. Darby, Stow Hill Ed., Vol. II, S. 212.<br />

9 Letters of J. N. Darby, Stow Hill Ed., Vol. III, S. 48f.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 16<br />

haben, obwohl es sehr bequem ist und <strong>de</strong>shalb auch erstellt wur<strong>de</strong>. Das Buch von [Andrew]<br />

M[iller (über die Geschichte <strong>de</strong>r ›Brü<strong>de</strong>r‹)], von <strong>de</strong>m ich – so seltsam das zu sagen<br />

ist – bis vor drei Tagen noch nie etwas gehört hatte, hat nach allem, was ich davon gehört<br />

habe (ich habe es niemals selbst gesehen), dieselbe Ten<strong>de</strong>nz; aber die menschliche Natur<br />

ist stets geneigt, ›wir‹ zu sagen, wenn sie schon nicht ›ich‹ sagen kann: ›Er geht nicht mit<br />

uns‹. Während ich vom Lager getrennt bin, bin ich so entschie<strong>de</strong>n wie möglich. Aber noch<br />

nie in meinem Leben habe ich jemand gebeten, sich zu <strong>de</strong>n ›Brü<strong>de</strong>rn‹ zu gesellen.«<br />

»Aber <strong>de</strong>r Grundsatz <strong>de</strong>r Schrift ist so einfach wie möglich. Es gab einen Leib auf <strong>de</strong>r<br />

Er<strong>de</strong>, wovon alle Glie<strong>de</strong>r sind. (…) Das Mahl <strong>de</strong>s Herrn ist das äußere Zeichen dieser<br />

Einheit: ›… ein Leib; <strong>de</strong>nn wir alle nehmen teil an <strong>de</strong>m einen Brot‹ [1Kor 10,17]. Genau<br />

dies war es, das mich vor über fünfzig Jahren aus <strong>de</strong>r Staatskirche herausführte; und auch<br />

heute habe ich keinen an<strong>de</strong>ren Grundsatz. Dies verpflichtete mich, je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m<br />

Heiligen Geist getauft ist, als Glied <strong>de</strong>s Leibes anzuerkennen. Nur daß wir in <strong>de</strong>n letzten<br />

Tagen aufgerufen wer<strong>de</strong>n, die zu erkennen, die ›<strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn anrufen aus reinem<br />

Herzen‹ [2Tim 2,22], wozu anfangs nicht aufgerufen wur<strong>de</strong>: ›<strong>de</strong>r Herr aber tat täglich<br />

hinzu‹ [Apg 2,47]. Dies macht die (sogenannten) ›Brü<strong>de</strong>r‹ nicht zur Versammlung Gottes,<br />

son<strong>de</strong>rn vielmehr die, die allein auf <strong>de</strong>m Grundsatz ihrer Einheit zusammenkommen. Die<br />

Trennlinie zwischen Enge und Treue ist eine sehr schmale. Aber <strong>de</strong>r Geist Christi kann<br />

uns darauf leiten und bewahren. Die Einheit <strong>de</strong>s Leibes kann nicht angerührt wer<strong>de</strong>n, da<br />

<strong>de</strong>r Heilige Geist mit Christus vereinigt: alle die, die mit <strong>de</strong>m Heiligen Geist getauft wor<strong>de</strong>n<br />

sind (d. h., Ihn [d. i. Christus] angenommen haben), sind Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes. Wir haben<br />

die ›Einheit <strong>de</strong>s Geistes‹ zu bewahren, d. h., in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Geistes zu wan<strong>de</strong>ln, <strong>de</strong>r<br />

uns hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> in Einheit bewahrt, und dies bedarf <strong>de</strong>s Befleißigens. Ich habe<br />

Furcht davor, wenn ein Zusammenkommen an irgend einem Ort die Versammlung Gottes<br />

genannt wird. Sie mag die einzige [10] Versammlung sein, die nach schriftgemäßen Grundsätzen<br />

zusammenkommt – dächte ich nicht so, so wür<strong>de</strong> ich nicht dorthin gehen – aber<br />

dies [Versammlung genannt zu wer<strong>de</strong>n] tendiert dazu, sie zu verengen und zu einer Sekte<br />

zu machen.«<br />

(g) Brief aus <strong>de</strong>m Jahr 1881 10<br />

»Die Versammlung ist keinesfalls eine freiwillige Zusammenkunft von Christen, die die<br />

Versammlung ausgewählt haben, <strong>de</strong>nn in diesem Fall wäre sie eine Sekte. Sie ist, soweit<br />

dies heute möglich ist, die Vereinigung aller Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi. Wir müssen ausreichen<strong>de</strong>n<br />

Beweis dafür haben, daß diejenigen, die [am Brotbrechen] teilnehmen wollen,<br />

wahre Christen sind, und daß ihr Wan<strong>de</strong>l moralisch und christlich ist. Wenn sie jedoch<br />

regelmäßig mit solchen zusammenkommen, die die Wahrheiten <strong>de</strong>s Christentums leugnen,<br />

so sind sie verunreinigt, und dasselbe ist <strong>de</strong>r Fall, wenn sie dort zusammenkommen, wo<br />

Sittenlosigkeit gedul<strong>de</strong>t wird. Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Einsicht hinsichtlich Versammlungsangelegenheiten<br />

ist kein ausreichen<strong>de</strong>r Grund, eine Seele [vom Brotbrechen] fernzuhalten.«<br />

2.2.2 Kelly<br />

Von Bru<strong>de</strong>r Kelly führe ich zwei Zitate an, die <strong>de</strong>utlich seine Ansicht bezüglich <strong>de</strong>r Frage,<br />

was eine Sekte ist, und bezüglich <strong>de</strong>r Gefahr <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong> unter <strong>de</strong>n »Brü<strong>de</strong>rn« wie<strong>de</strong>rgeben.<br />

Ich könnte eigentlich auch aus seiner beson<strong>de</strong>rs interessanten Broschüre Christli-<br />

10 Messager Évangélique, Jahrgang 1936, S. 150.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 17<br />

che Einheit und Gemeinschaft 11 zitieren, aber da diese Broschüre seit ungefähr zehn Jahren<br />

in großer Menge und in verschie<strong>de</strong>nen Sprachen verbreitet wur<strong>de</strong>, will ich <strong>de</strong>n Inhalt<br />

<strong>de</strong>rselben als bekannt voraussetzen. Das erneute Lesen dieser Broschüre will ich allerdings<br />

nochmals sehr empfehlen. Keine an<strong>de</strong>re Schrift hat mir in meiner Jugend mehr geholfen,<br />

die Wahrheit <strong>de</strong>s schriftgemäßen Zusammenkommens verstehen zu lernen als<br />

diese! Bezeichnend ist übrigens, daß verschie<strong>de</strong>ne sektiererisch eingestellte Brü<strong>de</strong>r die<br />

Herausgabe dieser Broschüre öffentlich bedauert haben.<br />

(a) In seiner Broschüre The Doctrine of Christ and Bethesdaism 12 spricht Kelly über<br />

die Möglichkeit, gelegentlich »offene Brü<strong>de</strong>r« am Tisch <strong>de</strong>s Herrn zu empfangen:<br />

»Hier geht es nicht um das Empfangen von Christen im Namen Christi, wobei wir<br />

bezüglich kirchlicher Unwissenheit gnädig verfahren. Dies haben wir (außer einiger, die<br />

eine unglückliche Rolle in <strong>de</strong>n jüngsten Katastrophen [<strong>de</strong>r Trennung von 1879–1881]<br />

gespielt haben) stets vertreten als etwas, das völlig gottgemäß ist – und ich bin sicher, daß<br />

wir allezeit so fortfahren wer<strong>de</strong>n, glaubend und <strong>de</strong>mgemäß han<strong>de</strong>lnd wie es Christus<br />

gebührt. Betreffs O[ffener] B[rü<strong>de</strong>r] liegt <strong>de</strong>r Fall völlig an<strong>de</strong>rs als beim Willkommenheißen<br />

einer gottesfürchtigen Person, trotz <strong>de</strong>ren Sekte. (…)«<br />

»Wenn er [d.i. jemand von uns] so weit geht, daß er einzelne Personen [z.B. <strong>de</strong>r ›offenen<br />

Brü<strong>de</strong>r‹] wegen ›Unabhängigkeit‹ zurückweist [am Abendmahl teilzunehmen], dann<br />

muß er, um konsequent zu sein, die ganze Weite <strong>de</strong>s Herzens preisgeben, die die ›Brü<strong>de</strong>r‹<br />

von Anfang an kennzeichnete, und ebenso <strong>de</strong>n Grundsatz, auf <strong>de</strong>n <strong>de</strong>ren beste und weiseste<br />

Führer bis zum Äußersten größten Wert gelegt hatten: unser Anrecht <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>,<br />

gottesfürchtige Heiligen aus je<strong>de</strong>r bibeltreuen Benennung willkommen zu heißen, wenn<br />

sie auch alle durch Unabhängigkeit in verschie<strong>de</strong>ner Form geprägt sind. (…)«<br />

»Wir haben stets die Möglichkeit offen gelassen, daß es in <strong>de</strong>n Reihen <strong>de</strong>r offenen<br />

Brü<strong>de</strong>r einzelne Personen geben mag, die völlig und aufrichtig darüber unwissend sind,<br />

daß sie als Gesellschaft auf <strong>de</strong>r Gleichgültigkeit bezüglich eines wahren o<strong>de</strong>r falschen<br />

Christus gegrün<strong>de</strong>t sind. Wo dies sicher ist, möchte man suchen, nachsichtig mit solchen<br />

zu verfahren, und niemand war freier, solche mit ernster Sorgfalt zu empfangen, als <strong>de</strong>r<br />

verstorbene J. N. D[arby], wie es auch fast alle an<strong>de</strong>ren führen<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r getan haben.<br />

Ängstliche Menschen, stets sektiererischen Barrieren zugeneigt, haben [jedoch] – lei<strong>de</strong>r!<br />

– selbst solche zurückgewiesen.«<br />

(b) Brief: On Alleged Neutrality and Real Sectarianism vom 15. Mai 1882 13<br />

(Kelly schreibt hier anläßlich <strong>de</strong>r Trennung von 1879–1881 über die Versammlung in<br />

Ramsgate, die ohne schriftgemäße Grün<strong>de</strong> in die Teile Abbott’s Hill (A.H.) und Guildford<br />

Hall (G. H.) auseinan<strong>de</strong>rgefallen war, und über die Versammlung in London, Park Street,<br />

die diese Trennung als gemeinschaftsentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage (»Test«) allen an<strong>de</strong>ren Versammlungen<br />

aufgezwungen hatte.)<br />

»Die Sün<strong>de</strong> von Park Street und <strong>de</strong>ren Gefolgsleuten liegt darin, daß sie eine Frage<br />

wie die von Ramsgate – Unstimmigkeit in einer Versammlung – zu einer gemeinschaftsentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Frage [einem ›Test‹] für an<strong>de</strong>re Versammlungen und sogar für einzelne<br />

11 Schwelm: Heijkoop-Verlag, 1982 (<strong>de</strong>utschsprachige Ausgabe). Original: William Kelly: The Unity of The<br />

Spirit, in: The Bible Treasury, Vol. 14, S. 140ff, u. a.<br />

12 in: William Kelly: Pamphlets (eine Sammlung von Einzelschriften Kellys), Reprint 1971, Believers Bookshelf,<br />

S. 481f; (dtsch.: Die Lehre <strong>de</strong>s Christus und <strong>de</strong>r Bethesdaismus).<br />

13 in: The Bible Treasury, Vol. 14, S. 302f (dtsch.: Über angebliche Neutralität und wirkliche <strong>Sektiererei</strong>).


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 18<br />

Personen, wie ich tatsächlich erfahren habe, macht. Gottesfürchtige Männer mögen aufrichtige<br />

Zweifel betreffs A. H. o<strong>de</strong>r G. H., o<strong>de</strong>r betreffs bei<strong>de</strong>r, hegen. Wenn man <strong>de</strong>shalb<br />

aus Ramsgate eine gemeinschaftsentschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage macht, so be<strong>de</strong>utet das, daß man die<br />

Versammlungen aufspaltet o<strong>de</strong>r sie <strong>de</strong>moralisiert, in<strong>de</strong>m man viele dazu bringt, solche als<br />

in Gemeinschaft anzunehmen, über die sie in Wirklichkeit in [11] Zweifel sind. Ganz abgesehen<br />

von <strong>de</strong>r tatsächlichen Situation in Ramsgate glaube ich, daß es ein Abweichen von<br />

unseren fundamentalen Grundsätzen ist, wenn Park Street o<strong>de</strong>r irgend eine an<strong>de</strong>re Versammlung<br />

eine <strong>de</strong>rartige Kontroverse aufgreift und sie zu einer Frage macht, um die Heiligen<br />

voneinan<strong>de</strong>r zu trennen. Die Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Trennung liegt bei <strong>de</strong>nen, die danach streben,<br />

<strong>de</strong>rgestalt die Gewissen zu nötigen. Alle, außer <strong>de</strong>ren Parteigängern, wären einverstan<strong>de</strong>n<br />

gewesen, G. H. und A. H. <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Herrn zu überlassen. (…) Was die Person<br />

Christi o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong> ähnlich fundamentale Wahrheit betrifft, so wür<strong>de</strong> man sich, wie uns<br />

befohlen ist, verpflichtet fühlen, die zurückzuweisen, die nicht Seine Lehre bringen. Aber<br />

einen Bruch in einer Versammlung als damit gleichwertig zu behan<strong>de</strong>ln heißt, die Schrift<br />

zugunsten <strong>de</strong>r Tradition – die sowieso immer dahin tendiert, zur Verunehrung Gottes die<br />

Versammlung an die Stelle Christi zu setzen – aufzugeben. Diejenigen, die so han<strong>de</strong>ln,<br />

sind meinem Urteil nach eine Sekte und sollten nicht als auf <strong>de</strong>m Grund Gottes stehend<br />

anerkannt wer<strong>de</strong>n – wenn man auch einzelne Gläubige daraus um Christi willen empfangen<br />

mag.«<br />

2.3 <strong>Sektiererei</strong> in <strong>de</strong>r heutigen Situation: die Grundsätze<br />

2.3.1 Ein »Circle of Fellowship«?<br />

Mehr und mehr kam es in <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>rbewegung« dazu, einen immer schärferen Unterschied<br />

zu machen zwischen Versammlungen, die mit uns in Gemeinschaft sind und solchen,<br />

die dies nicht sind. Diese I<strong>de</strong>e wird gewöhnlich mit <strong>de</strong>m Ausdruck circle of fellowship<br />

14 bezeichnet. Dies ist ein Kreis (eine Gruppe) von Versammlungen, die sich gegenseitig<br />

als in praktischer (Abendmahls-)Gemeinschaft miteinan<strong>de</strong>r anerkennen, und die<br />

sich von an<strong>de</strong>ren Versammlungen abgrenzen, die sie nicht als in praktischer Gemeinschaft<br />

mit ihnen zu sein betrachten.<br />

Brü<strong>de</strong>rn wie Darby und Kelly war diese I<strong>de</strong>e noch unbekannt. Soviel ich weiß, hat<br />

Bru<strong>de</strong>r F. W. Grant sie zuerst geäußert. Dieser Gedanke ist auch sehr verständlich: in <strong>de</strong>r<br />

Praxis wollen die Gläubigen gerne eine gewisse Vorstellung davon haben, zu welchen<br />

Versammlungen sie ohne irgen<strong>de</strong>ine vorherige Einzeluntersuchung hingehen können, um<br />

dort Brot zu brechen. Aber die I<strong>de</strong>e eines strengen circle of fellowship, so praktisch und<br />

verständlich diese auch sein mag, birgt im Grun<strong>de</strong> die Gefahr <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong> in sich. Darum<br />

war Darby auch so unglücklich über ein Adressenverzeichnis <strong>de</strong>r Versammlungen, wie<br />

es u. a. aus einem seiner oben zitierten Briefe (f) hervorgeht. Ein <strong>de</strong>rartiges Adreßbuch<br />

setzt ja die I<strong>de</strong>e eines circle of fellowship voraus. Das große Problem eines Adreßbuches<br />

sind nicht so sehr die Versammlungen, die darin aufgeführt wer<strong>de</strong>n – damit spricht man<br />

aus, daß die Gläubigen ohne Be<strong>de</strong>nken dorthin gehen können, um Brot zu brechen – als<br />

vielmehr die Versammlungen, die nicht darin stehen. Das Adreßbuch erweckt <strong>de</strong>n Anschein,<br />

daß je<strong>de</strong> Versammlung, die nicht darin steht, eine solche ist, zu <strong>de</strong>r man nicht<br />

gehen kann, um dort das Brot zu brechen. Nun, dieser Gedanke ist klar sektiererisch. Ein<br />

circle of fellowship wird auf diese Weise zu einer ganz gewöhnlichen Glaubensgemein-<br />

14 wörtl. übersetzt etwa: Kreis <strong>de</strong>r Gemeinschaft.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 19<br />

schaft, so wie zahllose an<strong>de</strong>re. Wir sprechen zwar nicht von »Mitglie<strong>de</strong>rn«, aber wenn wir<br />

von solchen re<strong>de</strong>n, die »in Gemeinschaft« sind, zur Unterscheidung von solchen, die<br />

»nicht in Gemeinschaft« sind, dann be<strong>de</strong>utet das natürlich genau dasselbe. Die ganze<br />

Trennungslinie zwischen Personen bzw. Versammlungen, die »mit uns« o<strong>de</strong>r nicht »mit<br />

uns in (praktischer) Gemeinschaft« o<strong>de</strong>r »<strong>de</strong>s Weges« sind, ist in diesem Sinne sektiererisch.<br />

Und je schärfer diese Trennlinie gezogen wird – »die erste Gruppe mag je<strong>de</strong>rzeit<br />

mit uns brotbrechen, die zweite (nahezu) niemals« – <strong>de</strong>sto sektiererischer ist man.<br />

Unsere amerikanischen Brü<strong>de</strong>r haben das gut gelöst, in<strong>de</strong>m sie ihrem Adreßbuch <strong>de</strong>n<br />

Titel gaben: »Liste einiger Versammlungen in Nord-Amerika«, d. h., sie überlassen die<br />

Frage, ob es wohl noch an<strong>de</strong>re Versammlungen gibt, die auf biblischem Bo<strong>de</strong>n stehen,<br />

<strong>de</strong>m Herrn und <strong>de</strong>m geistlichen Urteil <strong>de</strong>s einzelnen Gläubigen. Kein einziger Bru<strong>de</strong>r und<br />

keine einzelne Versammlung hat das Recht zu sagen: »Nur die Versammlungen, die im<br />

Adreßbuch stehen, stehen auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Wahrheit.« Nicht nur haben sie dazu kein<br />

Recht, son<strong>de</strong>rn wir wissen darüber hinaus auch mit Sicherheit, daß dies schlicht unwahr<br />

ist.<br />

In unserer Zeit tritt das merkwürdige Phänomen auf, daß diejenigen, die heute die<br />

Grundsätze vertreten, die beispielsweise Darby und Kelly früher vertreten haben, »offen«<br />

genannt wer<strong>de</strong>n! Das war in <strong>de</strong>ren Zeit schon nicht an<strong>de</strong>rs. Alle Brü<strong>de</strong>r, die danach trachteten,<br />

das biblische Gleichgewicht zu wahren, bekamen von <strong>de</strong>n Sektierern zu hören, daß<br />

sie »offen« seien. In einem <strong>de</strong>r zitierten Briefe schreibt Darby, daß man ihm übelnahm,<br />

daß seinem Urteil nach jemand ruhig das Brot mit an<strong>de</strong>ren Christen brechen kann, vorausgesetzt<br />

es geschieht auf schriftgemäßer Grundlage und in <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Geistes. Und<br />

im zitierten Brief von Kelly (1882) schreibt dieser, daß er auch selbst <strong>de</strong>n Vorwurf, »offen«<br />

zu sein, zu hören bekommen hätte (dies war nach <strong>de</strong>r Trennung von Park Street).<br />

Nach<strong>de</strong>m er geschrieben hatte, daß die Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>s tatsächlichen »offenen Standpunktes«<br />

Gleichgültigkeit (Neutralität) gegenüber fundamentaler Irrlehre (und <strong>de</strong>shalb gegenüber<br />

Christus) ist, fährt Kelly in seinem Brief fort: »Wenn man unseren und ihren Standpunkt<br />

Bethesdaismus [d. i. <strong>de</strong>r [12] gera<strong>de</strong> erwähnte ›offene Standpunkt‹] nennt, so beruht das<br />

also auf einem Mangel an Kenntnis und Gerechtigkeit, an Wahrheit und an Liebe.«<br />

Darby und Kelly schrieben häufig beson<strong>de</strong>rs heftig über die »offenen Brü<strong>de</strong>r«, aber<br />

das ist auch dadurch erklärbar, daß sie die Trennung von <strong>de</strong>n »offenen Brü<strong>de</strong>rn« selbst<br />

mitgemacht hatten und kurz nach <strong>de</strong>r Trennung schrieben, und daß die Generation, die<br />

die Trennung mitgemacht o<strong>de</strong>r verursacht hatte, größtenteils noch am Leben war. Aber<br />

wie erklärbar ihre Haltung auch sein mag, zuweilen überschreiten auch sie meiner beschei<strong>de</strong>nen<br />

Meinung nach die Grenzen <strong>de</strong>ssen, was sich geziemt. In unserer Zeit müssen<br />

wir noch viel vorsichtiger sein mit unserem Urteil über die, die als »offene Brü<strong>de</strong>r« bekannt<br />

sind. Es ist außeror<strong>de</strong>ntlich unfair und verletzend, vom Großteil <strong>de</strong>r »offenen Brü<strong>de</strong>r«<br />

zu behaupten, daß die Grundlage ihres Zusammenkommens »Gleichgültigkeit gegenüber<br />

Christus« sei (siehe Brief (a) unter Punkt 2.2.2). Das Gegenteil ist nämlich ein<strong>de</strong>utig<br />

<strong>de</strong>r Fall. Aber darum geht es hier nicht. Es geht mir darum, daß Darby und Kelly selbst,<br />

die so kräftig die »offenen Grundsätze« verurteilt haben, heute von vielen unter uns<br />

selbst »offen« genannt wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n!<br />

An sich sind solche falschen Anschuldigungen wohl verständlich. Man beurteilt an<strong>de</strong>re<br />

ja immer von <strong>de</strong>m eigenen Standpunkt aus, <strong>de</strong>r natürlich »<strong>de</strong>r richtige« ist. Wie »exklusiv«<br />

man selber auch ist, man weiß einerseits immer auf an<strong>de</strong>re hinzuweisen, die noch<br />

exklusiver sind, wodurch man sich selbst rechtfertigt. Und an<strong>de</strong>rerseits bezeichnet man<br />

automatisch alle, die auf <strong>de</strong>r entgegengesetzten Seite stehen, als »offen«. So haben schon<br />

damals die »Exklusiven« (die später in <strong>de</strong>r Raven-Sekte lan<strong>de</strong>ten) Darby und Kelly »offen«<br />

genannt, und genau so machen es die »Exklusiven« heute wie<strong>de</strong>r. Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 20<br />

weniger sektiererisch als sie selbst darstellt, ist »offen«. Man beschuldigt solche Brü<strong>de</strong>r<br />

auch öffentlich, »offene Grundsätze« zu vertreten, selbst wenn man weiß, daß das nicht<br />

(ganz) richtig ist. Für viele einfache Geschwister sind bekanntlich Bezeichnungen wie<br />

»offene Brü<strong>de</strong>r« und »offene Grundsätze« etwas ganz verwerfliches, obwohl sie gar nicht<br />

genau wissen, was darunter zu verstehen ist. Dadurch also, daß Brü<strong>de</strong>r, die an <strong>de</strong>n alten,<br />

schriftgemäßen Grundsätzen von Darby und Kelly festhalten, »offen« genannt wer<strong>de</strong>n,<br />

wer<strong>de</strong>n sie völlig zu Unrecht abgewertet. Im Gegensatz dazu können nunmehr sektiererische<br />

Grundsätze als die »alte Lehre <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r« ausgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

In Wirklichkeit gibt es Brü<strong>de</strong>r, die an <strong>de</strong>n alten, schriftgemäßen Grundsätzen festhalten<br />

möchten, und alles an<strong>de</strong>re als »offen« sein wollen. Ich persönlich lehne je<strong>de</strong> Anschuldigung<br />

»offener Grundsätze« entschie<strong>de</strong>n ab. Unter »offenen Grundsätzen« ist geschichtlich<br />

ein<strong>de</strong>utig das folgen<strong>de</strong> zu verstehen (ohne daß das hier ausführlich belegt wer<strong>de</strong>n<br />

kann; siehe Fußnote 1):<br />

(a) Ein offener Grundsatz: Teilnahme am Tisch <strong>de</strong>s Herrn liegt in rein persönlicher<br />

Verantwortung, o<strong>de</strong>r höchstens <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>r »Ältesten« o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />

Brü<strong>de</strong>r.<br />

Ein schriftgemäßer Grundsatz: Teilnahme am Tisch <strong>de</strong>s Herrn liegt in <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />

Verantwortung <strong>de</strong>r ganzen örtlichen Versammlung.<br />

(b) Ein offener Grundsatz: Für die Zulassung zum Tisch <strong>de</strong>s Herrn gilt nur die For<strong>de</strong>rung,<br />

daß <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong> Gläubige persönlich rein von bösem Wan<strong>de</strong>l und von fundamentaler<br />

Irrlehre ist.<br />

Ein schriftgemäßer Grundsatz: Ein Gläubiger muß, um zum Tisch <strong>de</strong>s Herrn zugelassen<br />

wer<strong>de</strong>n zu können, nicht nur persönlich rein von bösem Wan<strong>de</strong>l und von fundamentaler<br />

Irrlehre sein, son<strong>de</strong>rn darf auch nicht Gemeinschaft mit bösen Personen und bösen<br />

Handlungsweisen üben.<br />

(c) Ein offener Grundsatz: Die örtliche Versammlung ist autonom, d. h. sie faßt ihre<br />

Beschlüsse völlig unabhängig von an<strong>de</strong>ren Versammlungen und ist nicht unbedingt an die<br />

Beschlüsse an<strong>de</strong>rer Versammlungen gebun<strong>de</strong>n.<br />

Ein schriftgemäßer Grundsatz: Die örtliche Versammlung ist nicht autonom, d. h. sie<br />

rechnet bei ihren Beschlüssen mit <strong>de</strong>m Rat und <strong>de</strong>n Einsprüchen von Geschwistern aus<br />

an<strong>de</strong>ren Versammlungen und ist auch selbst prinzipiell an die Beschlüsse an<strong>de</strong>rer Versammlungen<br />

gebun<strong>de</strong>n.<br />

Ich hoffe, daß ich hiermit ganz klar <strong>de</strong>n schriftgemäßen Standpunkt von <strong>de</strong>m »offenen«<br />

Standpunkt abgegrenzt habe. Das be<strong>de</strong>utet, daß je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r mich und an<strong>de</strong>re Brü<strong>de</strong>r,<br />

die diesen schriftgemäßen Standpunkt aufrechterhalten wollen, »offen« nennt, entwe<strong>de</strong>r<br />

unwissend ist o<strong>de</strong>r sich bewußt <strong>de</strong>r Verleumdung und <strong>de</strong>n [sic] üblen Nachre<strong>de</strong> schuldig<br />

macht. Ich sage hier genau so wie Bru<strong>de</strong>r Kelly: Wenn man unseren Standpunkt »offen«<br />

nennt, ist das unsachgemäß, ungerecht, wahrheitswidrig und lieblos.<br />

Um dies noch klarer zu machen, sollen aus <strong>de</strong>n zitierten Briefen von Darby und Kelly<br />

im folgen<strong>de</strong>n zehn »Grundsätze« abgeleitet wer<strong>de</strong>n.<br />

2.3.2 Grundsätze <strong>de</strong>s Zusammenkommens<br />

(1) Keine I<strong>de</strong>en aufdrängen. Eine Sekte ist u. a. eine Gruppe von Christen, die – wenn<br />

auch ihr Bekenntnis noch so schön klingen mag – sich faktisch vereint haben auf <strong>de</strong>r<br />

Grundlage einer Anzahl von Lehrauffassungen, mit <strong>de</strong>nen man einig sein muß, z. B. beson<strong>de</strong>re<br />

Gedanken über böse »Verbindungen« (wobei die Kette <strong>de</strong>r »Verunreinigungen«<br />

manchmal bis ins Absur<strong>de</strong> hin durchgeführt wird) o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gedanke eines circle of fellowship.<br />

Wer <strong>de</strong>rartige Lehrmeinungen zu einem Test für Gemeinschaft macht, ist sektiererisch.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 21<br />

[13] (2) Keine faktische Mitgliedschaft einführen. Eine Sekte ist u. a. eine Gruppe von<br />

Christen, die faktisch eine Art Mitgliedschaft führen, und zwar dadurch, daß sie einen<br />

fundamentalen Unterschied machen zwischen solchen, die »in praktischer Gemeinschaft«<br />

am Tisch <strong>de</strong>s Herrn sind und an<strong>de</strong>ren, die es nicht sind. Die Schrift kennt nicht die Gemeinschaft<br />

einer bestimmten Gruppierung o<strong>de</strong>r eines »örtlichen Zeugnisses«, son<strong>de</strong>rn<br />

ausschließlich die Gemeinschaft <strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi. Das be<strong>de</strong>utet nicht, daß<br />

man in <strong>de</strong>r Praxis keinen Unterschied machen dürfte zwischen <strong>de</strong>nen, die »zugelassen«<br />

sind und an<strong>de</strong>ren, die es nicht (d.h. nicht »bei uns«) sind, o<strong>de</strong>r zwischen Versammlungen,<br />

die »anerkannt«, und an<strong>de</strong>ren, die es nicht sind. Das läßt sich gar nicht vermei<strong>de</strong>n. Aber<br />

man sollte daraus nicht <strong>de</strong>n Schluß ziehen, daß solche noch nicht anerkannten Versammlungen<br />

o<strong>de</strong>r solche (noch) nicht zugelassenen (jedoch woan<strong>de</strong>rs zugelassenen) Gläubigen<br />

<strong>de</strong>shalb auch nicht auf <strong>de</strong>m »Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Wahrheit« stehen, und/o<strong>de</strong>r nicht am Mahl <strong>de</strong>s<br />

Herrn teilnehmen dürfen. Je<strong>de</strong>s Glied <strong>de</strong>s Leibes Christi, das in Gemeinschaft mit Gott<br />

wan<strong>de</strong>lt, hat ein Recht darauf, zur Gemeinschaft <strong>de</strong>s Brotbrechens zugelassen zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Wer <strong>de</strong>n Unterschied zwischen »anerkannt sein« und »nicht anerkannt sein« o<strong>de</strong>r zwischen<br />

»zugelassen sein« und »nicht zugelassen sein« als ein Mittel benutzt, wahren Glie<strong>de</strong>rn<br />

<strong>de</strong>s Leibes das Abendmahl zu verwehren, ist im reinsten Sinne sektiererisch. Das<br />

Abendmahl ist dann nicht mehr <strong>de</strong>r Ausdruck <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s ganzen Leibes Christi, son<strong>de</strong>rn<br />

nur noch das Abendmahl einer bestimmten Glaubensgemeinschaft.<br />

(3) Sektenmitglie<strong>de</strong>r abweisen ist sektiererisch. Wenn wir Personen aus allerlei Sekten<br />

<strong>de</strong>shalb abweisen, weil sie zu Sekten gehören, wür<strong>de</strong>n wir es ihnen gera<strong>de</strong> gleich tun und<br />

uns sektiererisch verhalten. Wir lassen z. B. Personen aus <strong>de</strong>r Sekte <strong>de</strong>r Baptisten zu,<br />

nicht weil sie Baptisten sind, son<strong>de</strong>rn weil sie Glie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Leibes Christi sind (vorausgesetzt,<br />

daß sie nicht mit fundamental Bösem verbun<strong>de</strong>n sind). Wir könnten sie ggf. auf<br />

diesen Punkt hinweisen, wir könnten sogar mit ihnen über das Übel <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong>, an<br />

<strong>de</strong>m sie lei<strong>de</strong>n, re<strong>de</strong>n – aber wenn wir sie aus diesem Grund abwiesen, wür<strong>de</strong>n wir uns<br />

selbst sektiererisch verhalten.<br />

(4) Zulassung von solchen, »die sich zurückgezogen haben«. Sogar Personen, die von<br />

einer bestimmten Versammlung wegen bestimmter Gewissensübungen weggegangen sind,<br />

können – solange klar ist, daß von Bosheit und Verursachen von Spaltung nicht die Re<strong>de</strong><br />

ist – an an<strong>de</strong>ren Orten nach einer gründlichen Untersuchung (einschließlich einer Absprache<br />

mit <strong>de</strong>r betreffen<strong>de</strong>n Versammlung) mit ruhigem Herzen am Tisch <strong>de</strong>s Herrn<br />

aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Was m.E. sehr zu ta<strong>de</strong>ln ist, – ich erinnere hier an <strong>de</strong>n Punkt 1.2.2<br />

(Angst) – ist <strong>de</strong>r Druck, <strong>de</strong>r gelegentlich auf solche ausgeübt wird, die sich aus Gewissensgrün<strong>de</strong>n<br />

vorübergehend vom Brotbrechen zurückziehen, insofern sie entwe<strong>de</strong>r wie Ausgeschlossene<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n (und sich <strong>de</strong>shalb »neu mel<strong>de</strong>n« müssen) o<strong>de</strong>n [sic] min<strong>de</strong>stens<br />

zu einem öffentlichen »Bekenntnis« genötigt wer<strong>de</strong>n. Dem Gewissen muß Freiheit<br />

und auch Zeit zugestan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

(5) Zucht gegen Sektierer. Man muß gegenüber einem Sektierer alle Geduld beweisen<br />

(wiewohl die Schrift nicht von unendlicher Geduld, son<strong>de</strong>rn nur von einer ersten und<br />

einer zweiten Ermahnung spricht, und nicht mehr). Wenn er aber fortfährt, Spaltungen zu<br />

verursachen, ohne daß fundamental Böses vorliegt, muß er nach zwei Warnungen unter<br />

Zucht gestellt wer<strong>de</strong>n: die Schrift spricht von »abweisen« (Tit 3,10). Man sollte mit ihm<br />

also zumin<strong>de</strong>st keinen persönlichen Umgang haben. Man muß sich in Versammlungen von<br />

solchen Brü<strong>de</strong>rn distanzieren, selbst wenn man keine ausreichen<strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong> für einen<br />

Ausschluß hat. Dabei ist zu be<strong>de</strong>nken, daß nicht je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r eine abweichen<strong>de</strong> (nicht fundamentale)<br />

Lehrmeinung o<strong>de</strong>r Praxis verkündigt, sofort als Sektierer dargestellt wer<strong>de</strong>n<br />

darf, wie es manchmal geschehen ist.


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 22<br />

(6) Keine unbiblischen Bedingungen stellen. Wir haben kein Recht, irgend eine Person<br />

abzuweisen, die (a) nach genügend gesichertem Zeugnis wirklich ein Gläubiger ist, die (b)<br />

nicht in Sittenlosigkeit o<strong>de</strong>r (c) in fundamentaler Irrlehre wan<strong>de</strong>lt, und die (d) nicht wissentlich<br />

in Gemeinschaft mit solchen ist, die sittlich Böses und/o<strong>de</strong>r fundamentale Irrlehre<br />

in ihrer Mitte dul<strong>de</strong>n. Wir dürfen von solchen Personen nicht for<strong>de</strong>rn, daß sie mit unseren<br />

Ansichten über die Versammlung eins sind, so sehr wir auch davon überzeugt sein mögen,<br />

daß diese Ansichten schriftgemäß sind. Wir müssen sie also zulassen, selbst wenn sie erkennen<br />

lassen, daß sie z. B. das Anstellen von Predigern für biblischer halten als unsere<br />

Praxis bezüglich dieses Punktes. Ebensowenig dürfen wir von solchen Personen for<strong>de</strong>rn,<br />

daß sie zuerst mit <strong>de</strong>r Glaubensgemeinschaft, zu <strong>de</strong>r sie gehören, brechen. Wenn wir über<br />

die vier oben genannten Bedingungen hinaus noch weitere für die Zulassung stellen, dann<br />

sind wir sektiererisch. So dürfen wir z. B. <strong>de</strong>m Ausdruck »fundamental Böses« keine Be<strong>de</strong>utung<br />

geben, die über die Bibel hinausgeht, in<strong>de</strong>m wir »Böses« mit »Irrtum, Versehen«<br />

o<strong>de</strong>r gar mit »Meinungsunterschied« verwechseln. Böses ist ein Verwerfen von fundamentalen<br />

Wahrheiten wie <strong>de</strong>r Gottheit Christi, <strong>de</strong>r Sühnungskraft seines Werkes am Kreuz,<br />

<strong>de</strong>r Inspiration <strong>de</strong>r Bibel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>n Heiligkeit, wie etwa das Eingehen von<br />

sexuellen Verbindungen außerhalb <strong>de</strong>r Ehe o<strong>de</strong>r das Verharren etwa in Verleumdung,<br />

übler Nachre<strong>de</strong>, Götzendienst, lie<strong>de</strong>rlichem Lebenswan<strong>de</strong>l, Betrug. Überdies muß dabei<br />

feststehen, daß die betreffen<strong>de</strong>n Personen bewußt mit solchen Formen <strong>de</strong>s Bösen in Verbindung<br />

sind und auch nicht bereit sind, von diesem Bösen abzustehen, nach<strong>de</strong>m sie klar<br />

und <strong>de</strong>utlich auf dieses Böse hingewiesen wor<strong>de</strong>n sind. Alle Formen <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung, die<br />

weiter gehen als die Abson<strong>de</strong>rung [14] von fundamental Bösem, sind <strong>Sektiererei</strong>.<br />

(7) Zulassung von »offenen Brü<strong>de</strong>rn«. Dasselbe gilt im Blick auf die, die sich »offene<br />

Brü<strong>de</strong>r« nennen o<strong>de</strong>r das in unseren Augen sind. Wenn es um Brü<strong>de</strong>r geht, die Gleichgültigkeit<br />

gegenüber Christus gutheißen, dann dürfen wir diese bestimmt nicht aufnehmen.<br />

Wenn es aber um Brü<strong>de</strong>r geht, die <strong>de</strong>n unter Punkt (6) genannten Bedingungen<br />

entsprechen und <strong>de</strong>shalb auch (ausdrücklich) Gleichgültigkeit gegenüber Christus verurteilen,<br />

und sie wünschen mit uns das Brot zu brechen (z. B. weil sie bei uns zu Besuch<br />

sind), dann dürfen wir sie nicht abweisen. Tun wir es doch, dann sind wir eine Sekte.<br />

(8) Gefahren eines Adressenverzeichnisses. Ein Adressenverzeichnis ist eine sehr<br />

bequeme Sache und muß nicht notwendigerweise verkehrt sein. Wenn aber eine <strong>de</strong>rartige<br />

Adressenliste <strong>de</strong>n Gedanken mit sich bringt, daß alle Versammlungen, die nicht darin<br />

stehen, als notwendigerweise nicht auf biblischer Grundlage zusammenkommend betrachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, dann ist das verwerflich. Wir haben je<strong>de</strong> Versammlung, die in <strong>de</strong>m praktischen<br />

Anerkennen <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi zusammenkommt, anzuerkennen. Die<br />

Tatsache, daß wir aufrichtig gläubige wie z. B. konsequent wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Baptisten zulassen,<br />

be<strong>de</strong>utet nicht, daß wir ihre sektiererische Grundlage gutheißen, geschweige <strong>de</strong>nn, daß<br />

wir dahin gehen wür<strong>de</strong>n, um Brot zu brechen.<br />

(9) An<strong>de</strong>rweitig Brotbrechen. Umgekehrt können wir – vorzugsweise in guter Harmonie<br />

mit <strong>de</strong>r eigenen örtlichen Versammlung – in je<strong>de</strong>r Glaubensgemeinschaft Brot brechen,<br />

die (a) die Einheit <strong>de</strong>s Leibes anerkennt, in<strong>de</strong>m sie alle wahren Gläubigen im Sinn<br />

von Punkt (6) zuläßt, (b) sich getrennt hält von sittlich Bösem und fundamentaler Irrlehre,<br />

(c) diese Sün<strong>de</strong>n auch verurteilt, wenn sie in ihrer Mitte auftreten. Während wir aber bei<br />

<strong>de</strong>r Zulassung aus an<strong>de</strong>ren Kreisen keine weiteren als diese For<strong>de</strong>rungen stellen dürfen,<br />

müssen wir jedoch, wenn wir selbst in einer an<strong>de</strong>ren Glaubensgemeinschaft Brot brechen<br />

– mit <strong>de</strong>r wir uns dann in diesem Moment eins machen! – dieses in Übereinstimmung mit<br />

unserem Gewissen tun können. Und darum füge ich für mich selbst, wenn es sich um<br />

an<strong>de</strong>rweitiges Brotbrechen han<strong>de</strong>lt, noch ein viertes Kriterium hinzu: (d) eine Glaubensgemeinschaft,<br />

die nicht unter <strong>de</strong>r Leitung eines angestellten Führers und nach einer zuvor


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 23<br />

bestimmten Liturgie zusammenkommt, son<strong>de</strong>rn unter <strong>de</strong>r freien Wirksamkeit <strong>de</strong>s Heiligen<br />

Geistes zu Anbetung, Gebet, Wortverkündigung und Bibelstudium.<br />

(10) Auseinan<strong>de</strong>rbrechen einer Versammlung ist kein Test für Gemeinschaft. Unter<br />

keinen Umstän<strong>de</strong>n darf das Auseinan<strong>de</strong>rbrechen einer Versammlung – es sei <strong>de</strong>nn, daß es<br />

um die Fundamente <strong>de</strong>r christlichen Lehre o<strong>de</strong>r Praxis geht – zu einem Test für die Gemeinschaft<br />

wer<strong>de</strong>n, d. h. an<strong>de</strong>re Versammlungen dürfen nicht gezwungen wer<strong>de</strong>n, bei<br />

einem <strong>de</strong>rartigen Bruch die Seite <strong>de</strong>r einen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Versammlung zu wählen.<br />

Ein <strong>de</strong>rartiges Auseinan<strong>de</strong>rbrechen ist tief zu bedauern. Wenn es aber keinen biblischen<br />

Grund für <strong>de</strong>n Bruch gab – wie es bei fundamentaler Irrlehre <strong>de</strong>r Fall wäre – haben wir<br />

diesen Bruch hinzunehmen. Wir dürfen dann aber auf keinen Fall eine Wahl für die eine<br />

o<strong>de</strong>r die an<strong>de</strong>re Versammlung treffen, son<strong>de</strong>rn müssen aufrichtige Gläubige bei<strong>de</strong>r Seiten<br />

zulassen.<br />

2.4 <strong>Sektiererei</strong> in <strong>de</strong>r heutigen Situation: die Praxis<br />

Natürlich gibt es heute unter uns viele Brü<strong>de</strong>r, die die oben genannten Dinge sehr gut<br />

kennen. Sie versichern sogar, daß sie mit <strong>de</strong>n erwähnten Grundsätzen »im Großen und<br />

Ganzen« von Herzen übereinstimmen! Denn sie wollen natürlich nicht <strong>de</strong>n Makel auf sich<br />

la<strong>de</strong>n, daß sie mit unseren »alten Brü<strong>de</strong>rn« nicht übereinstimmen. Dennoch weicht ihre<br />

gängige Praxis vielfach von <strong>de</strong>n schriftgemäßen Grundsätzen ab, die Darby und Kelly und<br />

viele an<strong>de</strong>re Brü<strong>de</strong>r vertreten haben. Dafür wer<strong>de</strong>n u. a. drei Arten von Begründungen<br />

gegeben, die wir nachfolgend besprechen wollen.<br />

2.4.1 Zu viele Barrieren<br />

Wie gesagt, bezeugt man, daß man von Herzen mit unseren alten Brü<strong>de</strong>rn übereinstimmt,<br />

ja, man betont ausdrücklich die von ihnen vertretenen Grundsätze bei Besprechungen und<br />

richtet mit Nachdruck die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r darauf, <strong>de</strong>nn man ist sich sehr wohl<br />

bewußt, daß man zu einer Sekte wür<strong>de</strong>, wenn man die erwähnten Grundsätze nicht mehr<br />

verträte. Aber daraufhin stellt man so viele zusätzliche, schwer zu erfüllen<strong>de</strong>n Bedingungen<br />

auf, daß es faktisch nahezu unmöglich ist, die erwähnten Grundsätze in die Praxis<br />

umzusetzen. Das läßt sich leicht nachweisen; man braucht nur bei <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn, die soviel<br />

Nachdruck auf die erwähnten Grundsätze legen, nachzufragen, wieviel Personen »aus<br />

an<strong>de</strong>ren Kreisen« in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten <strong>de</strong>nn in »ihrer« Versammlung am Brotbrechen<br />

teilgenommen hätten! Die Antwort ist fast immer »keine«. Mit Genugtuung weist<br />

man vielleicht auf <strong>de</strong>n Fall hin, daß es in einer bestimmten Versammlung vor ungefähr<br />

zwanzig Jahren einmal vorgekommen sei, daß jemand »von außen« zugelassen wur<strong>de</strong>!<br />

Kurz: die erwähnten Grundsätze sind offensichtlich schöne Theorie gewor<strong>de</strong>n, die in<br />

<strong>de</strong>r Praxis überhaupt keine Kraft mehr hat. Tritt einmal <strong>de</strong>r Fall ein, daß jemand »von<br />

außen« teilnehmen möchte, weiß man fast immer genug Grün<strong>de</strong> anzuführen, um <strong>de</strong>n<br />

Besucher abzuweisen. Prüfen wir [15] uns selbst gewissenhaft, so wer<strong>de</strong>n wir wahrscheinlich<br />

feststellen müssen, daß <strong>de</strong>r wichtigste Grund gewöhnlich Furcht ist: »Was wer<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>re Brü<strong>de</strong>r davon halten, wenn ich X zum Brotbrechen empfehle?« »Was wer<strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>re Versammlungen o<strong>de</strong>r die führen<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r <strong>de</strong>nn dazu sagen, wenn wir hier am<br />

Ort <strong>de</strong>n X (gera<strong>de</strong> ihn!) am Brotbrechen teilnehmen lassen?« Also darum lieber nicht!<br />

Be<strong>de</strong>nken wir dabei aber gut, daß wir ein gottesfürchtig wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>s Glied am Leib Christi<br />

draußen stehen lassen, um »Unruhe« zu vermei<strong>de</strong>n. Was wird unser Herr dazu sagen …?


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 24<br />

2.4.2 »Heute nicht mehr anwendbar«<br />

Noch viel trauriger ist die zweite Metho<strong>de</strong>, um sich <strong>de</strong>n schriftgemäßen Grundsätzen, wie<br />

sie die alten Brü<strong>de</strong>r vertreten haben, zu entziehen. Es wird nämlich sehr oft behauptet,<br />

daß wir heute diese Grundsätze so nicht mehr anwen<strong>de</strong>n können, »weil <strong>de</strong>r Zustand in<br />

<strong>de</strong>r Christenheit soviel schlimmer gewor<strong>de</strong>n ist«. Das ist ein übles Argument. Es wird<br />

unzählige Male angeführt, ohne daß jemand sich die Mühe macht, es zu begrün<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

zu sagen, warum es unter <strong>de</strong>n schlimmsten Umstän<strong>de</strong>n nicht mehr möglich sein sollte,<br />

schriftgemäße Grundsätze zu praktizieren. Wir dürfen nicht heiliger sein wollen als Gott.<br />

Das tun wir aber, wenn wir unsere eigenen extremen Maßstäbe aufstellen, weil angeblich<br />

die <strong>de</strong>r Schrift bzw. die unserer alten Brü<strong>de</strong>r heute nicht mehr anwendbar seien. Galten<br />

ihre Grundsätze dann etwa wohl vom ersten bis zum 19., aber nicht mehr im 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt?<br />

Eine solche Haltung müssen wir entschie<strong>de</strong>n ablehnen. Natürlich übersehen Brü<strong>de</strong>r,<br />

die so <strong>de</strong>nken, nicht die Konsequenzen ihres Gedankengangs. Unsere alten Brü<strong>de</strong>r haben<br />

schriftgemäße Grundsätze vertreten, die heute noch genauso gelten wie seinerzeit. Auch<br />

sie wußten genauso gut wie wir heute, daß es schwierig ist, sie in die Praxis umzusetzen<br />

und daß dabei große Sorgfalt nötig ist. Aber sie taten es dann auch, und so wur<strong>de</strong>n Gläubige<br />

»von außen« sehr regelmäßig in ihrer Mitte zugelassen. Aber heute machen wir aus<br />

diesem »schwierig« in <strong>de</strong>r Praxis ein »unmöglich« – von sehr seltenen Ausnahmen einmal<br />

abgesehen. Unsere große Sorge (o<strong>de</strong>r ist es einfach Lässigkeit und Trägkeit [sic]?) ist so<br />

gigantisch groß gewor<strong>de</strong>n, daß kein Gläubiger mehr durch die Maschen unseres Netzes<br />

hereinschlüpfen kann. Darby und Kelly hätten dieser Praxis wohl einen be<strong>de</strong>utsamen<br />

biblischen Namen gegeben: <strong>Sektiererei</strong>.<br />

Wir müssen beson<strong>de</strong>rs achtgeben, daß wir nicht in das Fahrwasser tausen<strong>de</strong>r von<br />

Christen geraten, die wohl Ehrfurcht vor <strong>de</strong>m Wort hatten, aber einfach meinen, daß<br />

bestimmte Grundsätze zur Zeit nicht mehr anwendbar wären. Wenn man gläubigen Kirchenchristen<br />

z.B. die Ordnung <strong>de</strong>s Zusammenkommens als Versammlung vorhält, wie sie<br />

in 1Kor 14 beschrieben wird, antworten sie: »Ja, das ist wohl schön und gut, aber das ist<br />

heute nicht mehr durchführbar.« O<strong>de</strong>r sie sagen: »Theoretisch wäre das schon möglich,<br />

aber es wür<strong>de</strong> zu großer Unordnung führen« – und <strong>de</strong>shalb macht man es auf seine eigene,<br />

menschliche Weise. Aber wir tun genau dasselbe, wenn wir sagen: »Ja, die Grundsätze<br />

für die Zulassung sind wohl schön und gut, aber in <strong>de</strong>r großen Verwirrung in <strong>de</strong>r Christenheit<br />

können wir das heute nicht mehr anwen<strong>de</strong>n – wir schlagen lieber <strong>de</strong>n sicheren<br />

Weg ein und lassen nur Gläubige aus Versammlungen zu, die mit uns in praktischer Gemeinschaft<br />

sind.« Wer so re<strong>de</strong>t, geht ebenso an <strong>de</strong>r göttlichen Ordnung vorbei wie die<br />

genannten Kirchenchristen. Man will es besser wissen als Gottes Wort. O<strong>de</strong>r man erkennt<br />

das Wort wohl an, aber hat nicht mehr <strong>de</strong>n Mut o<strong>de</strong>r die Kraft, danach zu han<strong>de</strong>ln. Das<br />

Ergebnis ist das gleiche: <strong>Sektiererei</strong>. Wie stehen wir vor Gott da?<br />

2.4.3 »Sie wollen nicht«<br />

Das dritte Argument, das wir hören, ist: »Wir haben unsere Grundsätze gar nicht verän<strong>de</strong>rt,<br />

aber <strong>de</strong>r Zustand in <strong>de</strong>r Christenheit ist so traurig gewor<strong>de</strong>n, daß Gläubige ›von<br />

außen‹ nicht mal mehr <strong>de</strong>n Wunsch aussprechen, bei uns teilnehmen zu dürfen.« Auch<br />

dieses Argument stimmt durchaus nicht. In vieler Hinsicht ist <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>r Christenheit<br />

natürlich in <strong>de</strong>r Tat viel schlimmer als im vorigen Jahrhun<strong>de</strong>rt; aber in an<strong>de</strong>rer Hinsicht<br />

ist die Situation gera<strong>de</strong> viel besser, und zwar dadurch, daß tausen<strong>de</strong> von Christen die<br />

kirchlichen Systeme, in <strong>de</strong>nen Unsittlichkeit und Irrlehre blühen, verlassen. Im vorigen<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rt hätten sich viele von ihnen <strong>de</strong>n »Brü<strong>de</strong>rn« angeschlossen; heute ist das lei<strong>de</strong>r<br />

nicht mehr <strong>de</strong>r Fall. Sektiererisch <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Brü<strong>de</strong>r haben dafür eine einfache Erklärung:


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 25<br />

»Das kommt dadurch, daß die meisten so ungeistlich sind, daß sie schriftgemäße Grundsätze<br />

nicht mehr annehmen wollen.«<br />

Das ist in <strong>de</strong>r Regel nicht nur eine unwahre, son<strong>de</strong>rn auch eine beson<strong>de</strong>rs hochmütige<br />

Beurteilung. Natürlich gibt es auch Gläubige, die aus <strong>de</strong>r Kirche austreten, aber nicht<br />

wirklich an schriftgemäßen Grundsätzen interessiert sind. Es gibt jedoch wohl viele Christen,<br />

für die ein Austritt aus <strong>de</strong>r Kirche mit viel Kampf verbun<strong>de</strong>n gewesen ist, und<br />

schließlich hat dann die Liebe zum Herrn und zu Seinem Wort <strong>de</strong>n Ausschlag gegeben.<br />

Solche Gläubige wollen nun nichts lieber als die Grundsätze <strong>de</strong>r Schrift kennenlernen,<br />

auch was das Zusammenkommen als Gläubige betrifft. Warum kommen sie dann nicht<br />

von selbst auf »uns« zu? Die Antwort erscheint mir einfach: Wegen unseres unbiblischen<br />

»exklusiven« Rufs. Einige Beispiele sollen dies ver<strong>de</strong>utlichen:<br />

* Allgemein wird von Außenstehen<strong>de</strong>n angenommen, daß man bei <strong>de</strong>n »Exklusiven«<br />

nicht teilnehmen kann, außer wenn man einen Empfehlungsbrief einer anerkannten Versammlung<br />

bei [16] sich hat; und es zeigt sich in <strong>de</strong>r Praxis, daß diese Annahme auch<br />

stimmt. Daß die »Exklusiven« theoretisch auch Gläubige »von außen« zulassen, ist bei<br />

keinem bekannt, und das ist auch kein Wun<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nn es geschieht praktisch höchst selten,<br />

und zwar unter äußerst strengen Bedingungen. Wenn Gläubige sich ausnahmsweise einmal<br />

mel<strong>de</strong>n und am Brotbrechen teilnehmen wollen, weist man auf allerlei Dinge in <strong>de</strong>n<br />

Glaubensgemeinschaften hin, mit <strong>de</strong>nen man nicht einverstan<strong>de</strong>n ist. Dabei geht es meistens<br />

nicht um fundamental Böses, son<strong>de</strong>rn um Irrtümer – die oft völlig erklärlich sind,<br />

weil solche Glaubenskreise jung und unreif sind – und Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Auffassung<br />

und <strong>de</strong>r Schriftauslegung. Trotz<strong>de</strong>m verlangt man von solchen Gläubigen, daß sie erst mit<br />

solchen Kreisen brechen und sich »uns« anschließen!<br />

* Die Erfahrung hat gelehrt, daß, wenn eine Gruppe von Gläubigen versucht, als<br />

Versammlung anerkannt zu wer<strong>de</strong>n, das in <strong>de</strong>r Praxis nahezu unmöglich ist. Sie muß<br />

zunächst folgen<strong>de</strong>n schriftgemäßen Kennzeichen entsprechen: (a) Zusammenkommen auf<br />

<strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>s einen Leibes, (b) sich getrennt halten von Unsittlichkeit und fundamentaler<br />

Irrlehre, (c) diese Sün<strong>de</strong>n auch richten, wenn sie in <strong>de</strong>r eigenen Mitte auftauchen,<br />

und (d) nicht zusammenkommen unter <strong>de</strong>r Leitung angestellter Führer und gemäß einer<br />

vorher bestimmten Liturgie, son<strong>de</strong>rn unter <strong>de</strong>r freien Wirkung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes. Aber<br />

darüber hinaus muß man oft auch eine Reihe nicht schriftgemäßer For<strong>de</strong>rungen erfüllen:<br />

(e) man muß aufhören, das Brot mit Gläubigen zu brechen, die, wie schriftgemäß sie auch<br />

sein mögen, nicht mit <strong>de</strong>n »Exklusiven« in Gemeinschaft sind, (f) man darf erst mit Brotbrechen<br />

beginnen, wenn man die Zustimmung umliegen<strong>de</strong>r Versammlungen o<strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>r<br />

Brü<strong>de</strong>r erhalten hat, (g) man muß von Herzen die beson<strong>de</strong>ren Belehrungen <strong>de</strong>r Gruppe<br />

übernehmen – sonst steht man nicht »auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r ganzen Wahrheit« – und (h)<br />

am liebsten auch das beson<strong>de</strong>re Selbstverständnis <strong>de</strong>r Gruppe übernehmen (dieselben<br />

Gewohnheiten, <strong>de</strong>nselben Sprachgebrauch, dieselben Vorstellungen über Kleidung und<br />

Haartracht, dieselben Ansichten, z. B. über das Fernsehen, dasselbe Schrifttum – am liebsten<br />

nur die Schriften <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r« – dasselbe Lie<strong>de</strong>rbuch, usw.). Und selbst wenn man<br />

allen diesen Kennzeichen entspricht, wird manchmal verlangt, daß man zuerst einmal<br />

individuell in Gemeinschaft kommen muß bei <strong>de</strong>r nächstliegen<strong>de</strong>n Versammlung, auch<br />

wenn diese weit entfernt liegt. Vielleicht wird erst nach Jahren untersucht, ob diese Gruppe<br />

reif ist, sich eigenständig zu versammeln.<br />

Was wer<strong>de</strong>n »Außenstehen<strong>de</strong>« unter diesen Bedingungen von <strong>de</strong>n »Exklusiven« <strong>de</strong>nken?<br />

Sie wer<strong>de</strong>n sie wahrscheinlich als Sekte ablehnen. Und lei<strong>de</strong>r haben sie damit recht.<br />

Darby und Kelly haben nämlich <strong>de</strong>n »Brü<strong>de</strong>rn« in vielen Briefen und Artikeln vorgehalten,<br />

daß sie schon wegen viel geringerer Sün<strong>de</strong>n als sektiererisch bezeichnet wer<strong>de</strong>n<br />

müßten!


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 26<br />

2.5 Noch drei Zeugnisse<br />

2.5.1 Ein Brief von Dönges<br />

Wie töricht das Argument ist, wir könnten heute bestimmte schriftgemäße Grundsätze<br />

praktisch nicht (o<strong>de</strong>r kaum) mehr anwen<strong>de</strong>n, ergibt sich aus <strong>de</strong>r Tatsache, daß die »Brü<strong>de</strong>r«<br />

auch in unserem Jahrhun<strong>de</strong>rt bis zum »Verbot« 1937 dieselben Grundsätze vertreten<br />

haben. Ich zitiere hier aus einem Brief von Bru<strong>de</strong>r Emil Dönges aus Darmstadt 15 ,<br />

<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>shalb von Interesse ist, weil Bru<strong>de</strong>r Dönges hier nicht nur über die Zulassung<br />

»nicht abgeson<strong>de</strong>rter« Christen, son<strong>de</strong>rn auch über die gemeinsame Arbeit mit ihnen<br />

schreibt:<br />

»Dann fragst Du, was die ›erfor<strong>de</strong>rlichen Voraussetzungen‹ seien, um mit Christen, die<br />

noch nicht ›abgeson<strong>de</strong>rt‹ [sind,] zusammen beten und arbeiten etc. zu können. Da <strong>de</strong>nke<br />

ich z.B. an Zurückgezogenheit <strong>de</strong>r Frauen vom öffentlichen Dienst, an Freisein von wirklich<br />

bösen Lehren wi<strong>de</strong>r die Person und das Werk <strong>de</strong>s HErrn und an<strong>de</strong>res mehr, wie<br />

Schwärmerei. Wohl ist es einfacher (d. h. leichter) für sich zu bleiben und zu arbeiten,<br />

aber ob es <strong>de</strong>m HErrn gefällt, nie die Einheit in manchen Punkten zu betätigen o<strong>de</strong>r die<br />

Hän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Schoß zu legen und zu kritisieren, das ist eine an<strong>de</strong>re und sehr ernste Frage.<br />

Die Schwierigkeiten, die kommen können, müssen bei Einfalt, die <strong>de</strong>n HErrn über alle<br />

eigene Ehre stellt, sich alle erledigen lassen. Unser l[ieber] Br. v. Viebahn hat nicht so sehr<br />

durch die gemeinsame Arbeit, als durch Aufstellen neuer Gesichtspunkte über die Abson<strong>de</strong>rung,<br />

die er nicht mehr for<strong>de</strong>rt,* bzw. seine grundsätzliche Anerkennung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schranken und durch s[eine] Toleranz hinsichtlich böser Lehren <strong>de</strong>n Grund zu<br />

Schwierigkeiten gegeben. Ich wür<strong>de</strong> mir von niemand ein Gewissen machen lassen, wenn<br />

ich mit nicht abgeson<strong>de</strong>rten Christen zusammen betete, das Wort lese und auch arbeite,<br />

vorausgesetzt es geschieht in biblischen Richtlinien.«<br />

»* In einzelnen Fällen ist m.E. selbst bei <strong>de</strong>r Zulassung zum Tisch <strong>de</strong>s HErrn <strong>de</strong>r nicht<br />

Abgeson<strong>de</strong>rte nicht zurückzuweisen; vgl. <strong>de</strong>n Brief von J. N. D., <strong>de</strong>n ich Dir s[einer[ [sic]<br />

Zeit darüber sandte.«<br />

2.5.2 Der Baseler Brief<br />

Im Jahre 1921 schrieb eine Anzahl führen<strong>de</strong>r europäischer Brü<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n bekannten »Baseler<br />

[17] Empfehlungsbrief«, in <strong>de</strong>m sie ihre Meinung über das Zulassen von Gläubigen<br />

»von außen« wie<strong>de</strong>rgaben. Ich zitiere:<br />

»Han<strong>de</strong>lt es sich um Gläubige aus <strong>de</strong>n Systemen, die sich aus Unwissenheit dort befin<strong>de</strong>n<br />

und in aller Einfalt wünschen, an einem Sonntag am Tische <strong>de</strong>s Herrn das Brot zu<br />

brechen, so meinen die Brü<strong>de</strong>r übereinstimmend, daß man solche zulassen sollte, vorausgesetzt,<br />

daß sie durch zwei o<strong>de</strong>r drei Brü<strong>de</strong>r, die sie kennen und von ihrer Frömmigkeit<br />

Zeugnis geben können, empfohlen wer<strong>de</strong>n können. Ihren Mangel an Erkenntnis sollten<br />

wir in Langmut tragen, er ist kein Grund für die Versammlung, sie zurückzuweisen,<br />

aber in<strong>de</strong>m sie am Brotbrechen teilnehmen, nehmen sie ihren Platz in <strong>de</strong>r Versammlung<br />

ein, wo wir sie zu unterweisen haben, und sollten sie abwechselnd in <strong>de</strong>n Systemen und<br />

unter uns am Abendmahl teilnehmen, so ist es unsere Pflicht, sie über <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspruch,<br />

<strong>de</strong>r in ihrem Verhalten liegt, aufzuklären.«<br />

»Was die Brü<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>n Versammlungen betrifft, von <strong>de</strong>nen wir getrennt sind, ohne<br />

daß diese Versammlungen gegenwärtig böse Lehren haben, o<strong>de</strong>r sie im Anfang, gelegent-<br />

15 Unveröffentlichter Brief an Jakob Voorhoeve, Dillenburg, vom 8.12.1905 (Kopie in meinem Besitz).


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 27<br />

lich <strong>de</strong>r Trennung, hatten, so sollten, nach <strong>de</strong>r Meinung <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r, die Versammlungen<br />

die Freiheit haben, solche von ihnen zuzulassen, die zwei o<strong>de</strong>r drei Brü<strong>de</strong>rn als gottesfürchtig<br />

und vertrauenswürdig bekannt sind. Jedoch wird es gut sein, mit viel Besonnenheit<br />

und Weisheit zu han<strong>de</strong>ln, angesichts <strong>de</strong>r Anstrengungen <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s, uns zu trennen<br />

und das Zeugnis <strong>de</strong>s Herrn zu zerstören.«<br />

Danach folgt noch eine Ermahnung bezüglich <strong>de</strong>r Systeme, und zwar, daß jemand<br />

natürlich nicht für sich die Freiheit beanspruchen kann, einmal hier, einmal da Brot zu<br />

brechen; dagegen muß ein »ernster Einspruch« erhoben wer<strong>de</strong>n. »Sollten sie sich diesem<br />

Einspruch dauernd verschließen, so wür<strong>de</strong>n wir vor die Frage gestellt wer<strong>de</strong>n, ob wir<br />

länger mit ihnen in Gemeinschaft bleiben können.« Man beachte die große Vorsicht, mit<br />

<strong>de</strong>r hier gesprochen wird: »Einspruch erheben« – »sich die Frage stellen, ob«. Für »exklusive«<br />

Brü<strong>de</strong>r sind diese Dinge längst keine Frage mehr. Sie wollen Sicherheit und ziehen<br />

die Zulassung von solchen Gläubigen lieber gar nicht erst in Erwägung.<br />

2.5.3 Ein Brief von Rossier<br />

Ein an<strong>de</strong>res Schreiben aus <strong>de</strong>m 20. Jahrhun<strong>de</strong>rt, das für unser Thema von Interesse ist,<br />

stammt von <strong>de</strong>m allseits bekannten und wegen seines Dienstes geschätzten Schweizer<br />

Bru<strong>de</strong>r Henri Rossier. In einem sehr wichtigen Brief von 1923 16 schreibt er unter an<strong>de</strong>rem<br />

folgen<strong>de</strong>s:<br />

»Sehen sie [sic], wie die Dinge normalerweise unter <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn verlaufen: (…) [normalerweise<br />

verlangen wir einen Empfehlungsbrief] Aber es kommt auch vor, daß ein<br />

Christ, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Ort auf <strong>de</strong>r Durchreise ist und ohne zu <strong>de</strong>r Versammlung zu gehören,<br />

einem von ihnen als Christ bekannt ist, darum bittet, seinen Platz einnehmen zu dürfen<br />

am Tisch <strong>de</strong>s Herrn. In diesem Fall wird <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r, an <strong>de</strong>n er sich gewandt hat, <strong>de</strong>r ihn<br />

kennt und <strong>de</strong>r zugleich das Vertrauen <strong>de</strong>r Versammlung hat, es auf sich nehmen, ihn vorzuschlagen<br />

in seiner eigenen Verantwortung, mit <strong>de</strong>m Risiko, die Kritik <strong>de</strong>r Versammlung<br />

auf sich zu ziehen, wenn er sich geirrt hat. Nie ist davon die Re<strong>de</strong>, daß man in einem<br />

solchen Fall <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r darum bittet, seinen Platz am Tisch <strong>de</strong>s Herrn einzunehmen, irgend<br />

eine Bedingung auferlegt, außer daß er ein Kind Gottes und kein Zuchtfall ist. Nie wird<br />

von ihm verlangt, daß er sich von <strong>de</strong>r Sekte, zu <strong>de</strong>r er gehört, abwen<strong>de</strong>t, um zugelassen<br />

zu wer<strong>de</strong>n, außer wenn die Sekte, von <strong>de</strong>nen es heutzutage so viele gibt, durch ihre Lehren<br />

in offenem Wi<strong>de</strong>rspruch steht mit <strong>de</strong>r Lehre <strong>de</strong>s Christus und mit <strong>de</strong>m Wort Gottes.«<br />

»Da ich viel in (…) gereist bin, weiß ich, daß es hier und da, wie Sie sagen, eine Versammlung<br />

gibt, bei <strong>de</strong>r gewisse Praktiken mehr o<strong>de</strong>r weniger eng o<strong>de</strong>r sektiererisch sind,<br />

aber ich habe immer gefun<strong>de</strong>n, daß sie sich unterweisen lassen durch Brü<strong>de</strong>r, die fähig<br />

sind, ihnen die Wahrheit darzulegen, was die Beson<strong>de</strong>rheiten angeht, über die ich soeben<br />

gesprochen habe.«<br />

16 Messager Évangélique, Jahrgang 1923, S. 305–309.


[18]<br />

3 Schlußfolgerungen<br />

3.1 Zusammenfassung<br />

Eines <strong>de</strong>r merkwürdigsten Dinge, <strong>de</strong>nen man begegnen kann, ist, daß einige Brü<strong>de</strong>r anscheinend<br />

meinen, allein die Tatsache, daß wir aufrichtig bekennen, auf <strong>de</strong>r Grundlage<br />

<strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi zusammenzukommen, sei schon völlig ausreichend. Wenn<br />

man sie fragt, was das <strong>de</strong>nn beinhaltet, o<strong>de</strong>r woran man <strong>de</strong>nn sehen kann, daß wir in <strong>de</strong>r<br />

Tat auf dieser Grundlage zusammenkommen – so daß wir o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re prüfen können, ob<br />

unser Bekenntnis tatsächlich mit <strong>de</strong>r Schrift übereinstimmt – dann kommt keine vernünftige<br />

Antwort. Viele wissen es einfach nicht. Wenn man fragt: Wie kann man die Grundlage<br />

<strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes verlassen? – dann antworten sie vielleicht: In<strong>de</strong>m man die Brü<strong>de</strong>r<br />

verläßt. Diese sektiererische Antwort be<strong>de</strong>utet eigentlich, daß für solche Brü<strong>de</strong>r die Einheit<br />

<strong>de</strong>s Leibes längst unbemerkt ersetzt wor<strong>de</strong>n ist durch die Einheit <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r«. Sich<br />

auf <strong>de</strong>r Grundlage <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes zu versammeln ist für sie dasselbe wie sich <strong>de</strong>n<br />

»Brü<strong>de</strong>rn« anzuschließen. Es ist für sie dann auch un<strong>de</strong>nkbar, daß es außerhalb <strong>de</strong>s engen<br />

Kreises <strong>de</strong>r »Brü<strong>de</strong>r« noch an<strong>de</strong>re geben kann, die auf <strong>de</strong>r gleichen Grundlage zusammenkommen.<br />

Die unnachgiebigsten dieser »Exklusiven« behaupten mit Bestimmtheit,<br />

daß es außerhalb unseres Kreises keine Versammlungen gibt, in <strong>de</strong>nen man am Tisch <strong>de</strong>s<br />

Herrn zusammenkommt und wo <strong>de</strong>r Herr in <strong>de</strong>r Mitte ist. So weit ist es schon mit uns<br />

gekommen! Und das sind nicht immer »einfache« Brü<strong>de</strong>r irgendwo im Hintergrund, die<br />

so re<strong>de</strong>n.<br />

Die Frage, ob wir eine Sekte sind o<strong>de</strong>r nicht, hängt nicht davon ab, was wir selbst<br />

diesbezüglich »bekennen«, son<strong>de</strong>rn (a) von <strong>de</strong>r Frage, was nach <strong>de</strong>r Schrift eine Sekte ist<br />

und (b) von <strong>de</strong>r Frage, inwieweit wir offensichtlich <strong>de</strong>n schriftgemäßen Kennzeichen einer<br />

Sekte entsprechen. Wie schon gesagt, ist eine Sekte (in christlichem Sinn) eine Partei innerhalb<br />

<strong>de</strong>r Christenheit, die sich aufgrund von Kriterien, die weiter gehen als fundamental<br />

Böses, von an<strong>de</strong>ren Christen abgeson<strong>de</strong>rt hat. Wie Bru<strong>de</strong>r J. N. Darby es ausgedrückt<br />

hat: »Abson<strong>de</strong>rung vom Bösen ist Gottes Grundsatz <strong>de</strong>r Einheit« 17 ; d. h. die Einheit <strong>de</strong>s<br />

Leibes Christi kann nur praktisch ausgedrückt wer<strong>de</strong>n, wenn wir einerseits Gemeinschaft<br />

mit allen wahren Kin<strong>de</strong>rn Gottes haben (auch am Tisch <strong>de</strong>s Herrn) und uns an<strong>de</strong>rerseits<br />

von fundamental Bösem, auch wenn es bei Menschen vorkommt, die bekennen, Gläubige<br />

zu sein, getrennt halten.<br />

Alle Formen von Abson<strong>de</strong>rung, die weiter gehen als Abson<strong>de</strong>rung von fundamental<br />

Bösem, sind <strong>Sektiererei</strong>. Und diese <strong>Sektiererei</strong> kommt lei<strong>de</strong>r vielfältig unter uns vor:<br />

(a) Manche Brü<strong>de</strong>r trennen sich von (sog.) fundamental Bösem, ohne daß klar gewor<strong>de</strong>n<br />

ist, daß <strong>de</strong>r/die Betreffen<strong>de</strong>/n sich weigert/n, sich von diesem Bösen zu reinigen. Um<br />

eine an<strong>de</strong>re Aussage Darbys frei zu zitieren: es geht nicht darum, ob bei einer bestimmten<br />

Person o<strong>de</strong>r Gemeinschaft Sün<strong>de</strong> vorkommt, son<strong>de</strong>rn ob die betreffen<strong>de</strong> Person o<strong>de</strong>r<br />

Gemeinschaft sich weigert, die Sün<strong>de</strong> zu richten, auch nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>utlich ins Licht gestellt<br />

wor<strong>de</strong>n ist.<br />

(b) Manche Brü<strong>de</strong>r sprechen von »fundamental Bösem«, wo es etwa in Wirklichkeit<br />

nur um Schwachheit o<strong>de</strong>r Irrtum von z. B. jungen und unreifen Gläubigen geht. Wir <strong>de</strong>nken<br />

z.B. an (an sich bestimmt nicht unwichtige) Fragen wie die Entrückung <strong>de</strong>r Versamm-<br />

17 Separation From Evil, God’s Principle of Unity, in: The Collected Writings of J. N. Darby, Vol. 1, S.<br />

353–365 (Reprint 1971 Edition, Believers Bookshelf).


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 29<br />

lung vor o<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>r großen Drangsal, Tausendjähriges Reich ja o<strong>de</strong>r nein, freier Wille<br />

gegen Auserwählung, <strong>de</strong>n Unterschied zwischen Israel und <strong>de</strong>r Versammlung, <strong>de</strong>n Dienst<br />

<strong>de</strong>r Schwestern, das Anstellen von Predigern, usw. Hätte man Geduld mit solchen Personen<br />

(und das dann vielleicht nicht nur wochenlang, son<strong>de</strong>rn monate- o<strong>de</strong>r sogar jahrelang),<br />

dann wür<strong>de</strong>n sich zumeist solche Irrtümer durch anhalten<strong>de</strong>, liebevolle Unterweisung<br />

von selbst auflösen.<br />

(c) Noch viel ernster ist es, daß manche Brü<strong>de</strong>r etwas »fundamental böse« nennen,<br />

was in Wirklichkeit nur unterschiedliche Auffassungen betrifft. Wir <strong>de</strong>nken z. B. an (an<br />

sich bestimmt nicht unwichtige) Fragen wie Gläubigentaufe o<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rtaufe, formell<br />

angestellte o<strong>de</strong>r informell anerkannte Älteste (»führen<strong>de</strong> Brü<strong>de</strong>r«), ob man Musikinstrumente<br />

benutzen darf, die Frage, wo und wann Schwestern sich <strong>de</strong>n Kopf be<strong>de</strong>cken müssen<br />

und wo und wann sie laut beten dürfen, usw. In allen diesen Punkten haben manche<br />

von uns nicht nur an<strong>de</strong>re Auffassungen als bestimmte Gläubige außerhalb unseres Kreises,<br />

son<strong>de</strong>rn auch untereinan<strong>de</strong>r haben wir diesbezüglich fast von Anfang an unterschiedliche<br />

Auffassungen gehabt. Wir müssen darin einan<strong>de</strong>r ertragen. Kein Bru<strong>de</strong>r hat das Recht,<br />

dabei seine eigene Schriftauslegung an<strong>de</strong>ren Brü<strong>de</strong>rn aufzudrängen. Doch kommt diese<br />

Form <strong>de</strong>r Überheblichkeit lei<strong>de</strong>r manchmal vor! Wo solche unterschiedlichen Auffassungen<br />

überdies als Normen für »Abson<strong>de</strong>rung« gehandhabt wer<strong>de</strong>n, sind Geschwister ohne<br />

weiteres in die Sün<strong>de</strong> <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong> gefallen.<br />

(d) »Böses« ist auch nicht Verunreinigung, die durch eine lange Kette von »Verunreinigungen«<br />

[19] übertragen wer<strong>de</strong>n soll, wobei <strong>de</strong>r letzte in <strong>de</strong>r Kette nicht einmal mehr<br />

weiß, um welche Unreinheit es am Beginn <strong>de</strong>r Kette ging. Böses ist Verunreinigung, bei<br />

<strong>de</strong>r man persönlich nachweislich Irrlehre angenommen hat o<strong>de</strong>r persönlich in moralisch<br />

Bösem lebt, o<strong>de</strong>r Verunreinigung durch bewußten Kontakt mit solchen lehrmäßig o<strong>de</strong>r<br />

moralisch Bösen, in Gleichgültigkeit gegenüber <strong>de</strong>m Bösen, das ihnen anhaftet und im<br />

bewußten Unwillen, mit solcher Bosheit o<strong>de</strong>r solchen Bösen zu brechen. »Unreine Verbindung«<br />

ist nicht eine Art theoretischer Verunreinigung (oft »begrün<strong>de</strong>t« mit einer ganz<br />

unberechtigten Anwendung gewisser Gebote aus <strong>de</strong>m mosaischen Gesetz), son<strong>de</strong>rn eine<br />

Verbindung, die die Gemeinschaft mit Gott unterbricht. Die Schrift kennt gewiß nicht so<br />

etwas wie eine theoretische Verunreinigung, bei <strong>de</strong>r ich mir selbst überhaupt keines persönlichen<br />

Kontakts mit Bösem bewußt bin. Die Schrift sagt: »Böser Verkehr verdirbt gute<br />

Sitten« (1Kor 15,33). Das ist Verunreinigung durch »falsche Verbindung«. Wenn es an<strong>de</strong>rs<br />

wäre, wären alle Versammlungen längst total verunreinigt, dadurch, daß wir nämlich<br />

in verschie<strong>de</strong>nen Län<strong>de</strong>rn mit Versammlungen in praktischer Gemeinschaft sind, die viel<br />

»offener« sind als manche Versammlungen <strong>de</strong>r »offenen Brü<strong>de</strong>r«. Sicher kann es unter<br />

Umstän<strong>de</strong>n so etwas wie »unbewußte« Verunreinigung geben, aber bei einer geistlichen<br />

Gesinnung wird <strong>de</strong>r Herr diese bald auf<strong>de</strong>cken, so daß sie aufgehoben wer<strong>de</strong>n kann<br />

(vergl. Jos 7). Dies hat mit <strong>de</strong>r genannten theoretischen Verunreinigung nichts zu tun.<br />

3.2 Umkehr<br />

Ich habe nun ausführlich über die Diagnose <strong>de</strong>r <strong>Sektiererei</strong> gesprochen. Was die mögliche<br />

Therapie angeht, möchte ich gerne folgen<strong>de</strong> Punkte vorstellen:<br />

(1) Die Geschwister, die <strong>de</strong>n schriftgemäßen Standpunkt <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Leibes Christi<br />

einnehmen wollen, müssen in erster Linie lernen, zum Herrn zu rufen und Schuld zu bekennen,<br />

weil wir alle mitverantwortlich sind für unsere <strong>Sektiererei</strong>, und wir müssen bei<br />

Ihm um Rettung flehen. Wie herrlich wäre es, wenn Gläubige auch untereinan<strong>de</strong>r zusam-


WILLEM J. OUWENEEL: SEKTIEREREI 30<br />

menkämen, um in dieser Not einträchtig zum Herrn zu rufen. Er wird sicher zu seiner Zeit<br />

und auf seine Weise antworten!<br />

(2) Die Geschwister, die <strong>de</strong>n schriftgemäßen Standpunkt einnehmen wollen, dürfen<br />

um <strong>de</strong>s Gewissens und um <strong>de</strong>r Ehre <strong>de</strong>s Herrn willen sich auch nicht länger still verhalten.<br />

Es geht nicht an, zum Herrn zu rufen, aber unseren Geschwistern gegenüber ängstlich zu<br />

schweigen. Sie müssen würdig, ehrlich und entschlossen wie<strong>de</strong>r für die Grundsätze <strong>de</strong>r<br />

Schrift eintreten und sich nicht einschüchtern lassen durch autoritäre Brü<strong>de</strong>r, die ihnen<br />

<strong>de</strong>n Mund verbieten wollen o<strong>de</strong>r sie gar mit Zuchtmaßnahmen bedrohen.<br />

(3) Sie dürfen sich keinerlei <strong>Sektiererei</strong> auferlegen lassen, son<strong>de</strong>rn müssen wie<strong>de</strong>r neu<br />

<strong>de</strong>n Blick für <strong>de</strong>n ganzen Leib Christi bekommen, froh und freimütig Gemeinschaft üben<br />

mit allen wahren Christen, die <strong>de</strong>n Herrn aus reinem Herzen anrufen, sich freuen über<br />

je<strong>de</strong>s Werk Gottes, das in unseren Tagen überall in <strong>de</strong>r bibeltreuen Christenheit geschieht<br />

und dabei von Herzen mit gleichgesinnten Christen mitarbeiten, insoweit es natürlich<br />

ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>r Herr ist, <strong>de</strong>r ihnen bestimmte Projekte <strong>de</strong>r Zusammenarbeit auf die Schultern<br />

legt. Sie dürfen nicht länger abseits stehen vom Werk Gottes in unseren Tagen!<br />

(4) Sie müssen nachdrücklich (aber würdig und geistlich) Einspruch einlegen in Fällen,<br />

in <strong>de</strong>nen wahre Gläubige, die nicht mit fundamental Bösem behaftet sind, nicht zum<br />

Abendmahl zugelassen wer<strong>de</strong>n. Es geht hier um <strong>de</strong>n schriftgemäßen Grundsatz unseres<br />

Zusammenkommens! Was <strong>de</strong>n betrifft, dürfen sie keinen Kompromiß dul<strong>de</strong>n.<br />

(5) Sie müssen auch nachdrücklich (aber würdig und geistlich) Einspruch einlegen in<br />

Fällen von falschen Ausschlüssen, die durch sektiererische und gesetzliche Brü<strong>de</strong>r durchgedrückt<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Es darf einfach nicht mehr gedul<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, daß solcher Sauerteig<br />

unbemerkt weiterwirken kann. Im Namen und in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>s Herrn sollen sie mit Mut<br />

und Entschlossenheit dagegen Stellung beziehen.<br />

(6) Sie müssen vor allem <strong>de</strong>n Blick haben für die Schwachen, Enttäuschten und Jüngeren<br />

unter uns, die schwer unter <strong>de</strong>r erwähnten <strong>Sektiererei</strong>, <strong>de</strong>r Starrheit und Engherzigkeit<br />

zu lei<strong>de</strong>n haben. Sie dürfen sie keinesfalls auf fleischliche Weise aufstacheln, son<strong>de</strong>rn<br />

sie auf geistliche Weise mit <strong>de</strong>m Wort ermutigen im Herrn.<br />

»Wache auf, <strong>de</strong>r du schläfst, und stehe auf aus <strong>de</strong>n Toten, und <strong>de</strong>r Christus wird dir leuchten!«<br />

(Eph 5,14). Es sieht so aus, als müsse neu <strong>de</strong>r Ruf erschallen: »Siehe, <strong>de</strong>r Bräutigam!<br />

gehet aus, ihm entgegen!« (Mt 25,6), <strong>de</strong>nn wir sind wie<strong>de</strong>r eingeschlafen und ruhen aus<br />

auf <strong>de</strong>m weichen Moos unserer sektiererischen Selbstzufrie<strong>de</strong>nkeit [sic]. Vielleicht schenkt<br />

<strong>de</strong>r Herr uns noch Umkehr und Erleuchtung, damit wir wirklich zurückkehren dürfen zur<br />

Grundlage seines Wortes (nicht mehr zuge<strong>de</strong>ckt durch viele vollkommen erstarrte Auslegungen)<br />

und zur Grundlage <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s ganzen Leibes Christi. Zur Ehre Seines Namens!


[21]<br />

Schlußbemerkung<br />

Wir haben uns entschie<strong>de</strong>n, in dieser zweiten Auflage die letzten drei Seiten <strong>de</strong>r ersten<br />

Auflage wegzulassen. Diese Seiten bezogen sich auf gewisse sachliche Umstän<strong>de</strong> an bestimmten<br />

Orten o<strong>de</strong>r auf Äußerungen bestimmter Brü<strong>de</strong>r. Verschie<strong>de</strong>ne uns vertraute<br />

Brü<strong>de</strong>r haben uns, obwohl sie sagten, <strong>de</strong>m Inhalt <strong>de</strong>s Heftes ganz o<strong>de</strong>r größtenteils zuzustimmen,<br />

freundlich darauf hingewiesen, daß sie die Veröffentlichung dieser letzten drei<br />

Seiten nicht für weise hielten. Das hat uns nach<strong>de</strong>nklich gemacht, und wir sind vor <strong>de</strong>m<br />

Herrn zu <strong>de</strong>r Einsicht gekommen, daß wir <strong>de</strong>n Inhalt dieser letzten drei Seiten nicht in<br />

dieser Form hätten veröffentlichen sollen. Das be<strong>de</strong>utet nicht, daß wir nicht mehr mit<br />

ihrem Inhalt einverstan<strong>de</strong>n sind, aber wohl, daß wir die darin geäußerten Gedanken so<br />

nicht in die Öffentlichkeit hätten bringen sollen. Zum Beispiel wäre es besser gewesen,<br />

zuerst mit <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n Personen über die jeweiligen Punkte gesprochen o<strong>de</strong>r sie<br />

schriftlich abgeklärt zu haben. Wir sehen dies jetzt als verkehrt ein. Einem Bru<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r<br />

beson<strong>de</strong>rs betroffen war, haben wir diesbezüglich geschrieben, mit <strong>de</strong>r Bitte, uns zu verzeihen.<br />

De Bilt / Vaassen, April 1992<br />

<strong>Willem</strong> J. <strong>Ouweneel</strong><br />

Henk P. Me<strong>de</strong>ma

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