Carolinum - carocktikum.de
Carolinum - carocktikum.de
Carolinum - carocktikum.de
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
„Erinnerung an eine unglückliche Liebe”<br />
Es ist erstaunlich, wie flüchtig doch die Erinnerung ist. Die eindrucksvollsten<br />
Erlebnisse – wie beispielsweise ein bestan<strong>de</strong>nes Examen, eine lang ersehnte Reise,<br />
die schönsten Feste, die malerischsten Landschaften – sie alle verblassen im<br />
Spiegel <strong>de</strong>r Erinnerung, zurück bleiben schemenhafte Abbil<strong>de</strong>r, verborgen unter <strong>de</strong>n<br />
schweren Schatten <strong>de</strong>s Vergessens.<br />
Und doch – einige Augenblicke, einige Eindrücke, sie bleiben, suchen sich einen<br />
festen Platz, verbergen sich zu Weilen hinter an<strong>de</strong>ren Gedanken, nur um plötzlich<br />
wie<strong>de</strong>r hervorzukommen, mit <strong>de</strong>r selben Intensität wie am ersten Tag.<br />
Dies sind Momente tiefstempfun<strong>de</strong>ner Glückseligkeit – eine warme Sommerbrise im<br />
Nacken, <strong>de</strong>r süße Duft frisch gepflückter Frühlingsblumen, die salzige Meeresluft auf<br />
<strong>de</strong>r Zunge - einzelne Eindrücke, die erscheinen, als wür<strong>de</strong> man sie in eben diesem<br />
Moment erleben. O<strong>de</strong>r aber es sind solche Begebenheiten, die sich wie ein<br />
brennen<strong>de</strong>r Pfeil ins Herz bohren, die wir vergessen wollen, doch <strong>de</strong>ren Erinnerung<br />
nie aufhört, uns zu quälen.<br />
Ich weiß es noch genau, es war einer jener Sommertage, an die man sich ewig<br />
erinnern wür<strong>de</strong>. Damals lebte ich in einem kleinen, von hohen Bergen umsäumten<br />
Tal, selten verirrte sich ein Frem<strong>de</strong>r in das nahe gelegene Dorf, das nur aus einem<br />
Marktplatz, um <strong>de</strong>n sich Kirche, Schule und Gasthaus scharten, sowie vereinzelten<br />
Häusern bestand. Das meinige befand sich dicht bei einem einsamen Wäldchen, von<br />
<strong>de</strong>ssen Sorte es viele an <strong>de</strong>n Berghängen gab. Dort verbrachte ich auch einen<br />
großen Teil meiner Zeit, wenn ich es durchstreifte o<strong>de</strong>r im Schatten einer seiner<br />
Bäume döste, die so alt wie die Welt selbst schienen. Oft lag ich auch in <strong>de</strong>n Wiesen,<br />
von <strong>de</strong>nen es reichlich gab, zwischen tausen<strong>de</strong>n von Blumen, schillernd in allen<br />
Farben und herrlich duftend, und sah <strong>de</strong>n Wolken nach, wie sie hinter <strong>de</strong>n<br />
Berggipfeln entschwan<strong>de</strong>n, während ich davon träumte, ihnen <strong>de</strong>n Vögeln gleich zu<br />
folgen. O<strong>de</strong>r ich lag im saftigen grünen Gras an <strong>de</strong>n Ufern <strong>de</strong>s schmalen, klaren<br />
Flusses, <strong>de</strong>r gemächlich, nur wenige Meter entfernt, an meinem Häuschen<br />
vorbeifloss, und beobachtete dabei die glitzern<strong>de</strong>n Bachforellen, wie sie zwischen<br />
<strong>de</strong>n Steinen umherflitzten.<br />
Auch an diesem warmen Sommertag hatte ich <strong>de</strong>n Vormittag am Fluss verbracht und<br />
heute noch habe ich bei <strong>de</strong>r Erinnerung daran das sanfte Plätschern <strong>de</strong>s Wassers im<br />
Ohr. Bei meiner Rückkehr sah ich sie das erste Mal.<br />
Es ist doch seltsam, mit welcher Klarheit die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umgebung an meinen Augen<br />
vorbeiziehen, während mir ihr Erscheinungsbild zu diesem Zeitpunkt im selben Maße<br />
unklar ist. Auch ihre Herkunft, die Namen ihrer Familie und <strong>de</strong>n Grund ihrer Ankunft<br />
habe ich längst vergessen. Doch fasziniert von ihr war ich sofort, ein nie gekanntes<br />
Gefühl <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>nschaft erwachte in mir und ich wusste, dass es Liebe war.<br />
Ihre Haut erschien mir weißer und leuchten<strong>de</strong>r noch als Elfenbein, ihr Haar glich<br />
Fä<strong>de</strong>n aus purem Gold und kein Stern konnte <strong>de</strong>m Vergleich mit einem Blick in ihre<br />
tiefblauen Augen standhalten. Nichts besaß solche Anmut wie sie und kein<br />
Glockenspiel klang lieblicher in meinen Ohren als ihr Lachen — und weiß ich auch<br />
nichts mehr von <strong>de</strong>n Begebenheiten, die uns einan<strong>de</strong>r näher brachten, so weiß ich<br />
doch das Eine, dass sie viel lachte.<br />
Ich sprach von heftigster Lei<strong>de</strong>nschaft — sie lachte, ich offenbarte ihr meine tiefste<br />
Verehrung — sie lachte, ich träumte von ewiger Liebe — sie lachte. Und doch, als ich<br />
ihr ein Schloss bauen wollte, mit einem Turm, so hoch wie <strong>de</strong>r höchste Berg; um die