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Carolinum - carocktikum.de

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zusammen, stecke ihn in einen Umschlag und stelle ihn gut sichtbar auf <strong>de</strong>n<br />

Küchentisch.<br />

Ein Gefühl <strong>de</strong>s Glückes überkommt mich. Ab Morgen wer<strong>de</strong> ich frei sein. Doch wie<br />

und wo? Ist ja klar, dass ich von irgen<strong>de</strong>inem Hochhaus springe. Das Letzte, was ich<br />

spüre soll <strong>de</strong>r Wind sein. Luft ist das Element <strong>de</strong>r Freiheit, also genau das Richtige.<br />

Nun fehlt das „Wo?“ noch. Mal sehen … einen Block weiter ist ein Hochhaus mit 32<br />

Stockwerken. Das ist es.<br />

Ich schlafe zum ersten Mal seit langem mit einem Gefühl <strong>de</strong>r Sicherheit und<br />

Zufrie<strong>de</strong>nheit ein. Morgen gehe ich nicht zur Schule, setze mich nicht diesem Stress<br />

aus und mühe mich nicht ohne je<strong>de</strong>n sichtbaren Erfolg ab. Ich wer<strong>de</strong> das tun, was<br />

ich möchte; was mich glücklich macht. Nur das.<br />

Sechs Uhr. Heute ist <strong>de</strong>r Tag meines Ausbruches aus diesem Käfig. Es ist eigentlich<br />

alles wie immer. Ich ziehe meine Lieblingsklamotten an, mache mein Bett und ordne<br />

mein Zeug noch ein bisschen. Das muss sein.<br />

Es ist schon fast hell, als ich aus <strong>de</strong>m Haus gehe. Meine Schultasche lasse ich<br />

stehen und lege <strong>de</strong>n Haustürschlüssel auf das Tischchen neben <strong>de</strong>r Tür. Dann sehe<br />

ich mich noch einmal um, trete in <strong>de</strong>n Flur hinaus und schließe die Tür. Damit gibt es<br />

kein Zurück mehr. Das eben war ein wichtiger Schritt in meine Freiheit.<br />

Ich mache mich auf <strong>de</strong>n Weg zum Hochhaus, fahre mit <strong>de</strong>m Fahrstuhl nach ganz<br />

oben und nehme die Treppe aufs Dach. Dort befin<strong>de</strong>t sich ein<br />

Hubschrauberlan<strong>de</strong>platz. Er ist leer.<br />

Ich atme tief ein, halte die Luft an und puste sie dann langsam wie<strong>de</strong>r aus. Der<br />

Wintertag ist wolkig und kalt. Die Sonne erhellt einige dünne Stellen <strong>de</strong>r<br />

Wolken<strong>de</strong>cke. Der Wind weht spürbar und die Brise tut gut. Ich mag die Kälte.<br />

Als ich mich umsehe bemerke ich die Falken. Sie sind frei und ungebun<strong>de</strong>n. Ich<br />

komme!<br />

Es sind nur ein paar Schritte bis zur Kante. Ich stelle mich drauf, schließe die Augen<br />

und breite meine Arme aus. Der nun auffrischen<strong>de</strong> Wind bläst mir jetzt direkt ins<br />

Gesicht. Ich wiege mich darin, atme noch ein paar Mal ein und aus und stoße mich<br />

dann von <strong>de</strong>r Kante ab. Unter mir ist jetzt nichts weiter. Ich fliege. Es ist ein tolles<br />

Gefühl.<br />

Während ich in endlosen Sekun<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n zuschieße, fällt Meter für Meter<br />

alles von mir ab: <strong>de</strong>r Stress, die Zwänge, die Ängste, alles.<br />

Ich habe es geschafft.<br />

Ich bin frei.<br />

Frei.

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