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Carolinum - carocktikum.de

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Silver Hesse zur Eröffnung<br />

Zum ersten Mal fahre ich über Berlins Nor<strong>de</strong>n hinaus. Grau und verhangen zeigt sich<br />

die Mecklenburger Landschaft bei <strong>de</strong>r Anreise am 11.11.2005, nicht an<strong>de</strong>rs wie die<br />

Schweiz. Und dann <strong>de</strong>r warme Empfang abends im <strong>Carolinum</strong>: Bereits an <strong>de</strong>r Pforte<br />

hilfsbereite Schüler, die emsigen Bienen gleich mir <strong>de</strong>n Mantel abnehmen, die<br />

herzliche Begrüßung durch die Schulleitung, welche im Foyer, das sich rasch mit<br />

Besuchern füllt, einige Stühle für gela<strong>de</strong>ne Gäste freizuhalten versucht. Über allem<br />

eine angenehm gespannte Stimmung, die sich im Laufe <strong>de</strong>r Festre<strong>de</strong>n und<br />

Darbietungen <strong>de</strong>s Schülerchors zusehends lockert. Ein gelungener Abend mit<br />

vielfältigen Eindrücken!<br />

Für <strong>de</strong>n stimmungsvollen, festlichen Rahmen, <strong>de</strong>r die Ausstellungseröffnung<br />

begleitete, möchte ich mich bei allen Mitwirken<strong>de</strong>n und beim Kollegium mit einer<br />

persönlichen Erinnerung an Hermann Hesse bedanken.<br />

Wir Enkelkin<strong>de</strong>r nannten Hermann Hesse immer ‚Nonno‘. Für uns war er ein ganz<br />

gewöhnlicher Großvater und wir waren uns <strong>de</strong>s Beson<strong>de</strong>ren nicht bewusst. Da er<br />

weit von Zürich im Tessin (in <strong>de</strong>r italienischen Schweiz) lebte, besuchten wir ihn eher<br />

selten. Eine Auto- o<strong>de</strong>r Bahnfahrt zu ihm war auch <strong>de</strong>shalb mit Umstän<strong>de</strong>n<br />

verbun<strong>de</strong>n, weil seine Frau Ninon Kin<strong>de</strong>rbesuche unserem Nonno nur ungern<br />

zumutete.<br />

Der Großvater war uns Kin<strong>de</strong>rn aber doch präsent, weil wir von <strong>de</strong>n Eltern wussten,<br />

dass er viele Bücher geschrieben und noch häufig Besuche hatte. Es wur<strong>de</strong> zur<br />

Regel, ihm zu Weihnachten, manchmal auch zu seinem Geburtstag am 2. Juli etwas<br />

selbst Gemachtes zu schenken: eine Zeichnung, ein gemaltes Bildchen, eine kleine<br />

Laubsägearbeit. Wenn mir nichts an<strong>de</strong>res einfiel, schrieb ich ihm ein Brieflein, das er<br />

auch beantwortete. Seine Dankeszeilen waren jeweils mit <strong>de</strong>r Maschine geschrieben,<br />

was mir <strong>de</strong>n Anstoß gab, meine Briefe ebenfalls mit <strong>de</strong>r ‚Hermes Baby‘ meines<br />

Vaters zu tippen. Das sah auch viel besser aus als meine Primarschülerschrift. Dabei<br />

wun<strong>de</strong>rte ich mich, wie merkwürdig krumm und verschoben die Lettern seiner<br />

Schreibmaschine daherkamen mit oft abgenutztem Farbband (wie <strong>de</strong>r umseitige<br />

Brief zeigt).<br />

Wie einige <strong>de</strong>r Hesse-Enkel habe auch ich – allerdings in Zürich, nicht in Maulbronn -<br />

ein Seminar besucht. Es ging natürlich humaner zu und her und eigentlich besuchte<br />

ich ganz gern diese ‚Lehrerbildungsanstalt‘. Zwar war ich we<strong>de</strong>r ein beson<strong>de</strong>rs guter<br />

noch fleißiger Schüler, brachte aber meistens gute Deutschnoten, über die ich mir<br />

keine näheren Gedanken machte, nach Hause. Dies än<strong>de</strong>rte sich allerdings,<br />

nach<strong>de</strong>m wir im 3. Schuljahr eine Klassenwoche in Magliaso am Luganersee<br />

verbrachten. „Romantik“ war das Arbeitsthema und ich erinnere mich, dass wir<br />

Schuberts „Winterreise“ besprachen und in allen Spielarten durchpflügten. Nach <strong>de</strong>n<br />

Vorstellungen unseres Deutschlehrers sollte je<strong>de</strong>r Schüler ein selber gewähltes<br />

Erlebnis dieser Woche verarbeiten und später vortragen.<br />

Magliaso liegt am Fuß <strong>de</strong>r ‚Collina d’Oro‘ unmittelbar gegenüber Montagnola. Die<br />

einmalige Gelegenheit stärkte meinen Wunsch, <strong>de</strong>n Großvater erstmals allein zu<br />

besuchen. Ich schrieb ihm meinen Wunsch und bekam auch Antwort – er freue sich,<br />

mit mir einen Nachmittag zu verbringen. Mein Deutschprofessor willigte ebenfalls in<br />

die lange vorbereitete Absenz ein.<br />

Und so wer<strong>de</strong> ich also eines Tages von zwei Schulkollegen mit <strong>de</strong>m Boot über <strong>de</strong>n<br />

See zum gegenüberliegen<strong>de</strong>n Ufer geru<strong>de</strong>rt, wo ich <strong>de</strong>n steilen Pfad aufwärts steige.

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