Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 85<br />
Selbstversorgung der F<strong>am</strong>iliengruppen zu einer Organisierung im Sinne einer<br />
Gentilgemeinschaft zu kommen, wird lange Zeit gebraucht haben.<br />
Das Selbstverständnis, nun nicht nur einem sozialen Zus<strong>am</strong>menhang mit<br />
Nachbargruppen anzugehören, mit denen es meist Friede, immer wieder aber auch Krieg<br />
gab, ändert sich radikal. Da waren Bündnisse zu schmieden, mal so mal anders. Und mit<br />
der Herausbildung einer Organisierung des St<strong>am</strong>mes <strong>und</strong> später St<strong>am</strong>mesb<strong>und</strong>es entstehen<br />
auch Verpflichtungen gegenüber dem St<strong>am</strong>mesrat, der seine Kraft <strong>und</strong> Legitimation von<br />
Geistwesen <strong>und</strong> GöttInnen bezog. Ein anderer Blick auf das Ganze wird nötig. Die<br />
Vorleute, die die Gruppen im Rat vertreten, bringen andere Ansichten <strong>und</strong> Interessen<br />
zurück, die nun mit zu reflektieren sind. Das kann alles noch auf Konsens beruhen, wie –<br />
ein letztes mal – bei den Irokesen. Das gilt auch für den Tempelbau. Doch ist er einmal<br />
beschlossen, gibt es Verpflichtungen. Auch die können kaum erzwungen werden, wenn<br />
sich eine Gruppe das anders überlegt. Aber es gibt auch den informellen Zwang mit der<br />
Ehre, oder daß das „Einschlafen“ (wie bei den Mbuti) bei der Bewältigung der Zukunft<br />
gegen die neuen GöttInnen gerichtet ist, gegen den Zus<strong>am</strong>menhalt des Ganzen. Nicht<br />
weniger wahrscheinlich als ein völlig egalitärer Konsens als Basis des St<strong>am</strong>mes ist aber<br />
die Herausbildung hierarchischer Strukturen, die doch im sozialen Organismus angelegt<br />
sind über Geschlecht, Alter, Körper- <strong>und</strong> Geisteskraft... Sei es mittels des Großen Mannes<br />
in der Form über Ansehen, Verteilungsfeste, oder wie auch immer dort. Auch ein Großer<br />
als Kriegshäuptling kommt in Frage.<br />
Für das Gebiet von den Pyrenäen bis Südfrankreich wird <strong>am</strong> Ende der Eiszeit eine<br />
Bevölkerung von nur bis 3.000 Menschen angenommen, die dann aber schnell anwuchs.<br />
(Burenhult) Eine solche Vorgabe macht es nötig, auch für Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien mit<br />
möglichst niedrigen Zahlen zu argumentieren. So entstand bei mir als Mindestzahl der<br />
Kult- <strong>und</strong> Baugemeinschaft eine St<strong>am</strong>mesgröße von um die 750, die zufällig jener Zahl<br />
der Arbeitskräfte entspricht, die Heyerdahl vorgab. Tatsächlich sind eher knapp 1.000<br />
Personen für den St<strong>am</strong>m anzunehmen, denn nicht alle werden jeweils zur Stelle gewesen<br />
sein. Und das Gelände war groß genug für mehr. Doch wenn wir dabei bleiben, es sei<br />
gelungen, mehrfach 180 erwachsene Männer für die Bewältigung der Pfeileraufstellung<br />
zus<strong>am</strong>men zu bringen, dann heißt das auch, dort trafen nicht nur Jäger, sondern auch 180<br />
Krieger zus<strong>am</strong>men, wenn auch nur für jeweils kurze Zeit. Doch in den Lagern fehlten sie<br />
ohnehin oft, weil sie zur Jagd oder zu kleineren Kriegszügen unterwegs waren, die Lager<br />
mußten ohnehin ohne sie über längere Zeiten funktionieren können, unterstützt nur von<br />
wenigen Jägern. Warum sollte eine Hauptmacht dieser Krieger unter solchen günstigen<br />
Bedingungen künftig nicht größere bewaffnete Züge unternehmen? In jener Zeit vor<br />
12.000 Jahren eine Truppe von 180 Kriegern aufbieten zu können, läßt andersherum<br />
plausibel werden, daß auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nicht eine Burg, sondern ein Tempel<br />
errichtet wurde, dessen Verteidigungsfähigkeit eher in Frage steht. Ein solcher St<strong>am</strong>m<br />
mußte sich in jener Zeit jedenfalls kaum vor Menschen fürchten. Ob das jedoch auch für<br />
die Nachbarn gegolten hat? Spätestens mit dem Tempelbau mußte allen dort klar werden,<br />
welch gewaltiges weltliches Potential der Macht sich neben der religiösen entwickelt<br />
hatte. Von daher ist die Kraftentwicklung, die von diesem Bau symbolisch ausging,<br />
vielleicht jenseits aller Verbindung zur Domestizierung von Korn <strong>und</strong> Schafen zu<br />
bedenken. War dort ein Kriegervolk entstanden, eine Armee der Steinzeit, mit guten<br />
Waffen, wie die F<strong>und</strong>e von Pfeilspitzen zeigen? (Schmidt, 2008: 127) Die historischen<br />
Momente, wo eine solche Möglichkeit nicht auch genutzt worden wäre, sind vermutlich<br />
selten. Handelswege konnten gesichert werden, um noch mehr Reichtum zu<br />
akkumulieren. Der Gedanke läßt sich aber auch zur Landwirtschaft hin fortsetzen: die<br />
Krieger fordern Tribut, was die Produktion ansteigen läßt. Naturausnutzung ist d<strong>am</strong>als die<br />
wesentliche Möglichkeit, in großem Umfang sich zu bereichern. Und zur Erfüllung von<br />
Tributpflichten wäre organisierte Landwirtschaft ein guter Weg... Anders als bei den<br />
Mbuti ist nicht Fleisch abzuliefern, sondern Getreide <strong>und</strong> Gemüse. Doch das führt nun<br />
wirklich etwas zu weit.<br />
Zwischenstand: Den Himmel stützen<br />
Nach acht Monaten Beschäftigung mit der Analyse des Sozialen um den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />
kommt es mir so vor, als sei eine erste Stufe eingegrenzt; falls es eine weitere Stufe<br />
überhaupt noch geben wird; jedenfalls ist an einigen Fragen weiter zu arbeiten. Von der<br />
Rekonstruktion der sozialen Entwicklung ist noch keine Rede. Aber es wurden doch<br />
einige Hinweise gef<strong>und</strong>en, die wahrscheinlich den Rahmen abstecken, in dem jene