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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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84 Tausend Pfeiler...<br />

Tausend Pfeiler...<br />

Wenn ich an die fast untergegangene Geschichte Amerikas vor Kolumbus denke, wo<br />

lange die ausgeprägten landwirtschaftlichen Kulturen mit ihren großen Erdbauwerken<br />

(Mo<strong>und</strong>s) <strong>am</strong> Amazonas <strong>und</strong> <strong>am</strong> Mississippi „übersehen“ wurden, (Mann, 2005; Josephy,<br />

1998) frage ich mich, ob nicht auch vor der Zeit des Kultbaus <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> dort eine<br />

noch nicht entdeckte Kultur bestehen konnte; eine nicht entdeckbare vielleicht, weil alle<br />

Spuren verweht oder versunken sind, zuletzt in den vergangenen Jahren die an den<br />

Flüssen, nachdem Staudämme sehr viel Land überschwemmen ließen, das für Lagerplätze<br />

bevorzugt war. Für welchen <strong>Glauben</strong> standen die neuen Tempel, welcher Realität<br />

entsprachen sie? Wie ist der Zus<strong>am</strong>menhang mit der neolithischen Revolution im Sinne<br />

einer langs<strong>am</strong>en strukturalen Veränderung zu denken, wie Childe sie sah? Auch wenn<br />

seine Theorie, Landwirtschaft habe an Oasen begonnen, sich nicht bewährte, sondern nun<br />

die Hilly Flanks im Goldenen Dreieck durch die Braidwoods richtig dafür bestimmt sind.<br />

Der Wandel erscheint angesichts der riesigen Flächen von Wildgetreide <strong>und</strong> großen<br />

Gazellenherden, von denen bei Schmidt die Rede ist, doch eher als langs<strong>am</strong>er Übergang;<br />

warum sollte ohne Einfluß von außen Streit dort entstehen? Gab es Auseinandersetzungen<br />

solcher Gruppen, die anfingen sich seßhaft niederzulassen, mit anderen, die auf ihren<br />

Feldern trotzdem ernten wollten, wo sie nicht säten? Kämpfe gegen solche also, die diese<br />

Neuerung für dämonischen Zauber hielten <strong>und</strong> den alten Geistwesen Genugtuung erhalten<br />

wollten, die das Aufreißen von Mutter Erde als Frevel sahen? Mußten also entstehende<br />

Dorffelder dem Einfluß von S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong> Jägern entzogen werden. Weil das<br />

Wachsen doch von Geistwesen <strong>und</strong> nicht von Bauern erzeugt wurde? Bei den Pygmäen<br />

gibt es Hinweise darauf, sie würden bei den Nachbarn stehlen <strong>und</strong> dies mit solchem<br />

Anspruch begründen. (Seitz, 1977: 127) Endete der Kult vom <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nach 2.000<br />

Jahren durch einen Sieg der Bauern? Revolutionen wollen typischerweise die Herrschaft<br />

verbreitern, sie auf mehr Schultern verteilen, <strong>und</strong> zugleich die die Revolution tragende<br />

„Masse“ wieder zurückdrängen. Warum Kämpfe um die neue seßhafte Lebensweise, wenn<br />

noch alle Menschen oder F<strong>am</strong>ilien in ihren Stämmen autonom waren, tun <strong>und</strong> lassen<br />

konnten, was sie wollten, gehen konnten oder bleiben? Zumal es auf der Ebene des<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> genug Platz gab, um reichlich Nahrung zu haben? Unterjochten Jäger-<br />

Krieger die Bauern? Forderten sie Tribut als Entschädigung für die verlorenen Flächen?<br />

Ist es nicht eher der Gedanke seßhafter Lebensweise, ihre Region zu kennzeichnen durch<br />

einen solchen Bau? Wer weiß. Das scheinen jedoch alles Problemstellungen zu sein, die<br />

denkbar <strong>und</strong> zu prüfen sind. jedenfalls entstanden dort Gruppen <strong>und</strong> eine große<br />

Gemeinschaft, die heute als komplexe S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong> Jäger bezeichnet werden.<br />

Bisher sprach ich nur von einem R<strong>und</strong>bau der ältesten Schicht direkt auf dem <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong>. Doch insges<strong>am</strong>t sind dort per Bodenradar um die 200 T-Pfeiler geortet worden, die<br />

aber wohl aus jüngeren Schichten st<strong>am</strong>men <strong>und</strong> kleiner sind. Vielleicht entsprechen die<br />

weiteren Anlagen der Größe des Kultraums in Nevalı Çori, auf den auch noch einmal zu<br />

verweisen ist. Und dann gibt es weitere T-Pfeiler östlich von Urfa <strong>am</strong> Sefer <strong>Tepe</strong> nahe<br />

Viranşehir zwischen Urfa <strong>und</strong> Mardin sowie Kecili oder auch Karahan, wo sie bizarr in<br />

großer Zahl aus dem Boden ragen; auch von Körtig <strong>Tepe</strong> <strong>und</strong> Çayönü ist die Rede. Diese<br />

Orte liegen in der Nähe des Vulkans Karacadağ, wo Schmidt die potentielle Heimat<br />

unserer Kulturgetreide erkennt. Viele dieser T-Pfeiler sind nur anderthalb bis zwei Meter<br />

hoch. (2008: 202f) Diese Orte, <strong>und</strong> mancher unbekannte Platz mag noch dieser Kultur<br />

angehören, dazu der vermutete steinzeitliche Ort unter der Altstadt von Urfa, bilden den<br />

Raum der von Schmidt angenommenen Kultgemeinschaft. Ausgrabungen gibt es an diesen<br />

Orten offenbar nicht; die Zahl von „Tausend Pfeiler...“ ist dabei von mir völlig fiktiv<br />

gesetzt. Wurde mit der Anlage D auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> also tatsächlich einer der drei<br />

oder vier ältesten Bauten jener Kultur besprochen, dann ließe sich fragen, ob deren<br />

Verfüllung vielleicht Platz für jene Anlagen mit kleineren Pfeilern schaffen sollte, die eine<br />

wachsende Gemeinschaft für ihre Kulte benötigte, immer mehr T-Pfeiler für Friedenskulte<br />

im Sinne der Trobriand-Inseln? Eine Entwicklung, die womöglich im Laufe der nächsten<br />

zweitausend Jahre, bis der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> aufgegeben wurde, stattfand <strong>und</strong> dann erlosch?<br />

Mehrere Prozesse <strong>am</strong> <strong>und</strong> auf dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> verlangen aus der Sache selbst heraus<br />

einen Vorlauf, haben wir gesehen: beim Entwurf des heiligen Hauses, in der Bildhauerei,<br />

dem Pfeiler- <strong>und</strong> Mauerbau. Ob nun Mauern für Tierfallen <strong>und</strong> als Schutz des Korns<br />

wichtig waren, oder nicht. Es gab schwierigere Aufgaben, vor allem die soziale<br />

Entwicklung der engeren Bau- <strong>und</strong> Planungsphasen, die einzuüben waren. Von einer<br />

relativ simplen Form der Wildbeuterei ausgehend, von Lagern mit einfachen Hütten <strong>und</strong>

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