Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 81<br />
Umgestürzt worden waren sie übrigens bei kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem<br />
kleinen Eiland. 180 Männer transportierten auf diese Weise eine zwölf Tonnen schwere<br />
Figur immer leichter an einen anderen Platz (r<strong>und</strong>e Steine im Boden können das sehr<br />
erleichtern). Das Aufrichten einer gestürzten Figur zurück auf ihre Plattform – die Figuren<br />
der Osterinsel stehen selbständig ohne eingegraben zu sein – wurde von zwölf<br />
Inselbewohnern vollbracht, indem sie Hebel ansetzten <strong>und</strong> jeweils kleinere Felsbrocken<br />
unter den oberen Teil der Figur schoben, so daß eine R<strong>am</strong>pe entstand, bis die Figur etwa<br />
in Schräglage von 45 Grad lag <strong>und</strong> mit Seilen aufgerichtet werden konnte. Das<br />
Herausmeißeln einer Skulptur aus dem Fels (in anderer Weise als <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>)<br />
wurde ebenfalls über einige Tage hinweg getestet, es ergab sich: für die Herstellung einer<br />
vier bis sechs Meter hohen Figur würden sechs Männer wohl etwa ein Jahr brauchen; für<br />
mehr Leute war auch kaum Platz. (Heyerdahl, 1963: 330f) 1 Lösbare Aufgaben also auch<br />
für jene viel frühere Zeit <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>. Ich erwähnte schon, in welcher Weise auf den<br />
Trobriand-Inseln ein großes Segel-Kanu gebaut wird; dort wurden zum Ziehen des rohen<br />
St<strong>am</strong>mes mit Lianen um 1915 Holzrollen benutzt. (Malinowski, 1979: 201) Auch daraus<br />
ließen sich Ableitungen zum <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> denken.<br />
Hypothetischer St<strong>am</strong>m mit 100 Personen bei WildbeuterInnen; zitiert in Helbling (1987: 156)<br />
Altersgruppen: Personen<br />
0 - 4: 22 5 - 9: 18 10-14: 14 15-19: 12 20-24: 10 25-29: 8<br />
30-34: 6 35-39: 4 40-44: 2 45-49: 2 50-54: 2 55---: 2<br />
Wenn nur von Männern beim Bewegen der großen Pfeiler ausgegangen wird, was<br />
wegen eines möglichen Tabus gegenüber Frauenberührung durchaus denkbar ist, mußten,<br />
um 180 von ihnen zum Ziehen gleichzeitig dort zu vers<strong>am</strong>meln, etwa um das Vierfache,<br />
also an 750 Menschen als deren Gruppen zus<strong>am</strong>men kommen. Das scheint machbar, wenn<br />
die gezeigte Tabelle zum „Hypothetischen St<strong>am</strong>m mit 100 Personen“ (in Helbling)<br />
vorausgesetzt wird; statt 25 Männern wären es nach der Tabelle 30, wenn von einer<br />
Beteiligung der 15 bis 29-jährigen Männer ausgegangen wird. Selbst wenn eine<br />
s<strong>am</strong>melnde <strong>und</strong> jagende Gruppe/ Gens von durchschnittlich 50 Personen unterstellt wird,<br />
was eher zu viel ist, wären 15 Gruppen zu koordinieren gewesen; auch 25 Gruppen je 30<br />
Menschen scheinen unproblematisch, da ein großes fruchtbares Gebiet zur Verfügung<br />
stand, aus dem sie kommen konnten, auch ohne schon die Ges<strong>am</strong>tfläche mit dem Radius<br />
von 200 Kilometer anzunehmen. Auch ein Bautrupp von 500 Personen, wovon Schmidt<br />
spricht, (nach Zick, 2008) scheint möglich. Weniger, vielleicht ein St<strong>am</strong>m von nur 500<br />
Personen, sind technisch auch denkbar. Dauerhaft waren an der Baustelle soviele Leute<br />
eher nicht einsetzbar, weil zu einem guten Teil hochspezialisierte Steinmetze arbeiten<br />
mußten, die den Zeitablauf bestimmten. Auch die Stemmwerkzeuge mußte ja „in Serie“<br />
immer neu hergerichtet werden. An welchen Objekten mögen die ihr „Handwerk“ gelernt<br />
haben? Bei kleineren Arbeiten zuvor? Im noch unausgegrabenen Teil des Hügels?<br />
Schmidt fand ein Bildhaueratelier. (2008: 111) Es ist vorstellbar, daß solche großen<br />
Arbeitseinsätze anläßlich lange bestehender gemeins<strong>am</strong>er Feste oder Rituale begonnen<br />
wurden, wie immer St<strong>am</strong>mestreffen vereinbart werden konnten. War schon die Tag- <strong>und</strong><br />
Nachtgleiche bei Winter- oder Sommer-Sonnenwende bekannt? Wurde in Monden<br />
gezählt? Hinweise auf Himmelsbeobachtung gibt es bislang nicht. 2 Eine Boten-Staffel zur<br />
Benachrichtigung aller Gruppen ist ebenso denkbar. Von Vers<strong>am</strong>mlungsplätzen für<br />
regelmäßige Zeremonien ist bereits – wie in der ebenfalls günstigen Region Südfrankreich<br />
– für die Zeit des Magdalenien die Rede. Für die einfacheren Arbeiten des S<strong>am</strong>melns von<br />
Steinen <strong>und</strong> des Errichtens der Mauern <strong>und</strong> dergleichen waren dann mehr Menschen<br />
einsetzbar, zumal wenn – wie Schmidt annimmt – zuvor an langen Mauern Erfahrung<br />
gewonnen wurde, um Tierfallen <strong>und</strong> Schutzwände vor Wildgetreideflächen zu errichten.<br />
Auch solche Arbeiten sind gut vorstellbar, wenn wir an die vielfältigen Kulturen denken,<br />
1 Neuere Versuche auf der Osterinsel zeigen, die dortigen Figuren konnten auch im Stehen von 18 Männern<br />
weit verschoben werden (ähnlich macht es mein Nachbar, ein Bildhauer, mit hohen Stahlskulpturen: er „tanzt“<br />
mit ihnen zum gewünschten Ort).<br />
2 Die Karte des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, die Zick (2008) publizierte, eine neuere Ausgabe der von Schmidt (2008), läßt<br />
vermuten, die Anlage D habe 13 kleinere Pfeiler im äußeren R<strong>und</strong> gehabt; soviele sind auch in Anlage C<br />
verbaut, wenn dort auch nicht nur im R<strong>und</strong>, sondern auch in den äußeren Doppel-Mauern; hinzu kommen<br />
jeweils zwei große Mittelpfeiler. 13 Pfeiler könnten auf das Mondjahr verweisen; Graebner sieht Hinweise<br />
darauf, ältere Stern-Tierkreise hätten 13 Bilder gehabt. (1924: 120) Hinzu kommen die Hauptpfeiler als<br />
vielleicht Sonne <strong>und</strong> Mond, die oft hohe GöttInnen waren. Schmidt (Documenta Praehistorica XXXVII, 2010:<br />
245) geht bei Anlage D von nur einem fehlenden T-Pfeiler, also von insges<strong>am</strong>t in der Mauer zwölf aus; daraus<br />
ergäben sich an der Rückseite ungewöhnlich große Zwischenräume.