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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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80 Gentilgemeinschaft?<br />

-ideologie; ein weiteres Motiv. Der Übergang von der matriarchalen zur patriarchalen<br />

Linie wäre dann übrigens, wie Morgan betont, (1877: 58) einfach per Beschluß für die<br />

folgende Zeit bestimmbar gewesen (anläßlich der Einweihung des Tempels?). Gab es <strong>am</strong><br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> einen solchen Beschluß, einen Sch<strong>am</strong>anen oder Häuptling für die besondere<br />

Bau-Aufgabe zu bestimmen, oder eine Gruppe? Hatten sich Männer als Sch<strong>am</strong>anen einen<br />

absoluten Herrschaftsanspruch mit Hilfe der den Kultbau fordernden GöttInnen erobert,<br />

die aus eher vagen Geistwesen entstanden waren <strong>und</strong> nun in mächtigen T-Pfeilern real<br />

werden sollten? Im viel späteren Alten Test<strong>am</strong>ent (800 - 200 vC entstanden) gibt es<br />

Hinweise auf solche Prozesse: der charismatische Moses, der donnernde Gott Jahwe mit<br />

seinem präzisen Plan für den verlangten Tempelbau, die Stiftshütte. (2. Mose 25ff) Aber<br />

vor 12.000 Jahren?<br />

Bautechnik<br />

Die zu lösende technische Bau-Aufgabe bei diesem Kultbau in Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien<br />

war nicht so „sensationell“ wie dann das Betrachten <strong>und</strong> Empfinden durch jene, die das<br />

Bauen nicht erlebten, <strong>und</strong> sofern ich richtig d<strong>am</strong>it liege, größere Gebäude seien dort<br />

bereits bekannt gewesen. Viel aufregender ist der Beschluß, diese Aufgabe anzugehen <strong>und</strong><br />

zu vollenden. Sie bestand vor allem darin, die abstrakt menschlich gestalteten<br />

GöttInnensymbole, (Schmidt, 2008: 220) die Pfeiler mit den T-Köpfen herzustellen <strong>und</strong><br />

vor allem, sie zu transportieren <strong>und</strong> aufzustellen. Richten wir unser Augenmerk dabei<br />

vorerst nur auf einen solchen R<strong>und</strong>bau der untersten Grabungsschicht. Schmidt zeigt einen<br />

unfertig gebliebenen Pfeiler, der wohl um die 50 Tonnen gewogen hätte, spricht aber sonst<br />

von Gewichten um die zehn Tonnen für die Standbilder, die nach Fertigstellung bis zu<br />

fünfeinhalb Meter aus dem Boden ragten. Es gibt einen Platz, an dem unfertige Pfeiler<br />

noch im Felsboden verblieben. Daraus wird sichtbar, sie wurden wie auf der Nase oder<br />

dem Hinterkopf liegend aus dem Stein geschlagen. (2008: 103) Dann wurden sie 100 bis<br />

500 Meter über das Baugelände transportiert. (Schmidt, 2003) Den Bau zu errichten<br />

dauerte schon deshalb einige Zeit, weil nur wenige Leute gleichzeitig arbeiten konnten.<br />

Bei diesem Vorgehen, gleichlange Pfeiler aus einer Grube zu meißeln, ergab sich auch das<br />

„Messen“ aus der Praxis, dazu waren – ohne daß bereits Zahl-Wörter bekannt sein mußten<br />

– Körpermaße ausreichend, etwa Daumenbreite (Zoll), Fuß, Elle; es sind dort wohl<br />

konkrete Daumen, Füße, Unterarme gewesen – oder was immer. 1 Das Herausheben könnte<br />

mit einem Baum als Hebel erfolgt sein, indem die Pfeiler jeweils nur ein kleines Stück<br />

angehoben <strong>und</strong> dabei stetig Geröll unter die Rohlinge geworfen wurde; selbst für einen<br />

30-Tonnen-Rohling ist das vorstellbar. 2 Danach konnten die Pfeiler mit Seilen (<strong>und</strong><br />

vielleicht Holzschlitten oder -rollen?) an ihren späteren Platz gezogen <strong>und</strong> auf ihr Endmaß<br />

zugerichtet, geschliffen <strong>und</strong> dazu die Flach- <strong>und</strong> Hochreliefs ausgefertigt werden, für die<br />

vorher eine Ausbuchtung <strong>am</strong> noch rohen Stein geplant werden mußte. Es ist aber für<br />

besonders große Pfeiler ein dem Nutzungsort naher Ort für das Herstellen denkbar.<br />

Schmidt verweist auf Thor Heyerdahl, der auf der Osterinsel die Aufstellung der dort noch<br />

größeren Skulpturen untersuchte <strong>und</strong> die nötigen Handlungen auch fotografisch belegt.<br />

Der hatte Einheimische dafür gewonnen, eine der großen liegenden Steinfiguren mit Hilfe<br />

von Seilen fortzubewegen; das geschah, indem in einem Rhytmus gezogen wurde.<br />

1 Der erste bekannte Maßstab ist die Nippur-Elle, gut 4.000 Jahre alt, mit etwa 52 cm. (Wikipedia.de) Zoll-<br />

Maße wurden auf dem Festlandeuropa bis zur Französischen Revolution benutzt, bis das Urmeter als<br />

Dezimalsystem weitgehend zur Norm wurde; Holz wird auch bei uns noch nach Zoll (2,54 cm) geschnitten.<br />

2 Ein Foto bei Schmidt (2008: 103) zeigt: zwischen den einzelnen Pfeilerplatten sind schmale Räume<br />

ausgemeißelt; sie werden mit Feuerstein-Meißeln nach unten getrieben worden sein, die mit Hölzern<br />

verlängert wurden. Eine Langseite wurde breiter ausgemeißelt, weil dort Leute von der Seite den ersten Pfeiler<br />

unten frei schlagen mußten. Er war zwischendurch abzustützen, bevor das restliche Ende vom Gr<strong>und</strong> gelöst<br />

werden konnte. Um einen 30 Tonnen schweren Rohling für Anlage D herauszuhebeln (6,0 x 3,0 x 0,6 m je 2,7<br />

t/m 3 ), könnte ein Baum mit Gabel benutzt worden sein: von beiden Gabelenden, die etwas über den Pfeiler<br />

ragten, wären dann Seile unter ihn geführt <strong>und</strong> er so über einen vor der Grube quer liegenden Stein oder Baum<br />

angehoben worden (15 t); war er mit Steinen unterfuttert, konnten die Seile für den nächsten Hub verkürzt<br />

werden <strong>und</strong> so weiter. Bei einem Hebelbaum von 11,0 m <strong>und</strong> Kippunkt bei 1,0 m mußten immer noch 1,5 t<br />

gedrückt werden. Abzüglich Baumgewicht (~Ø 0,5 m, 1,2 t) blieben 0,9 t zu drücken. An 25 Personen (40 kg)<br />

an zwei oder drei Querbäumen waren nötig. Allerdings wird der Pfeiler bei einem Hub von 1,5 m nur 15 cm<br />

gehoben, die Seile durften also nicht elastisch sein beziehungsweise mußten sie mit Keilen auf dem Hebel<br />

gespannt werden. Nun habe ich den Rohling ziemlich groß gewählt, eine Grobbearbeitung würde vielleicht<br />

gleich nach dem Ausheben vorgenommen, um den Transport zur Bildhauerwerkstatt zu erleichtern. Dann sind<br />

gut zehn Tonnen beim Transport auch für die großen Pfeiler wieder realistisch. Wahrscheinlicher ist ein<br />

anderer Weg für die großen Pfeiler der Anlage D: als die felsige Bodenfläche plan gemeißelt wurde, blieben<br />

zuerst blieben zwei Kuben (wie Tische) stehen, dann wurde von den Seiten her die breite Unterseite r<strong>und</strong>um<br />

weggeschlagen. So war kein langer Transport nötig.

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