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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 79<br />

Geistwesen <strong>und</strong> vielleicht schon GöttInnenkonstruktionen auf der Hochebene <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong>; beim Jahrestreffen der Arbeitsgruppe Animismus? Da bei der Errichtung des<br />

Kultbaus von weitgehender Arbeitsteilung auszugehen ist, wir von Dux über die<br />

Machtproblematik – besonders hinsichtlich der Geschlechter – hörten, so legen auch diese<br />

Thesen <strong>und</strong> Kenntnisse nahe, bereits eine gewisse soziale Schichtung anzunehmen. Wir<br />

haben Räte/ Oberhäupter <strong>und</strong>/ oder Sch<strong>am</strong>anInnen oder schon PriesterInnen. Am <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong> kommen Baumeister hinzu, die die Anlage planen <strong>und</strong> umsetzen; Frauen, wenn die<br />

auch die Erfahrung mit den Hütten entwickelten, kann ich mir nicht vostellen. Sondern<br />

hier sehen wir Große Männer wirken, auf welcher Basis auch immer, beim Tempelbau<br />

wohl eher auf geistiger. Für den Entwurf wurden wahrscheinlich Modelle gebaut; in<br />

Nevalı Çori fanden sich entsprechende kleine T-Pfeiler <strong>und</strong> in Çayönü wurde ein<br />

Hausmodell aus Ton geborgen. (Schmidt, 2008: 80, 106) Weitere Tonmodelle von<br />

Häusern sind anderswo gef<strong>und</strong>en worden, wenn auch viel später. (Nunn, 2006: 19) Die<br />

Baumeister könnten zugleich die Bildhauer gewesen sein, wie es in der Gotik bei den<br />

großen Domen vork<strong>am</strong>; Künstler galten noch bis ins Mittelalter als Genies (Heilige), die<br />

deshalb Göttliches schaffen konnten <strong>und</strong> durften! War dieser Ort schon zuvor ein<br />

(heiliges) Zentrum periodischer Treffen? Hübner spricht für die Griechen von solchen<br />

numinosen Orten <strong>und</strong> Hainen.<br />

In den Gentilgemeinschaften aus mehreren Gentes entstehen frühe organisatorische<br />

Institutionen. Eine durch Einstimmigkeit bestimmte Führungsfigur hat noch keine<br />

Vorrechte, sie ist ausführendes Organ, kann abgewählt werden. Selbst wenn es vielleicht<br />

zuerst vork<strong>am</strong>, Frauen zu wählen, wird wahrscheinlich von den Frauen <strong>und</strong>/ oder Männern<br />

für Aufgaben besonderer Art, die Bedeutung für die äußere Situation der Gentes haben,<br />

ein Mann bestimmt werden, schließen wir aus sehr viel späterer Zeit. Nach weiteren<br />

Teilungen werden die Gentes unübersichtlich, bei großen Stämmen wird vielleicht eine<br />

Unterteilung in zwei höhere Gruppierungen vorgenommen, die bei Morgan (mit den<br />

Griechen) Phratrien heißen, eventuell wieder mit exog<strong>am</strong>er „Heiratsordnung“. Zu jeder<br />

Phratrie gehört dann die Hälfte der Gentes. Ihre Summe bildet den St<strong>am</strong>m, der sich<br />

gegebenenfalls mit anderen gleichsprachigen Stämmen zu einem B<strong>und</strong> vereinigt. In alle<br />

Räte dieser Organisierung werden von den einzelnen Gentes ihre – auf Lebenszeit<br />

bestimmten, aber dennoch abwählbaren – Vorleute geschickt, die jedoch von der höheren<br />

Ebene des Rats, in den sie entsandt werden, anerkannt <strong>und</strong> ins Amt eingesetzt werden<br />

müssen. So entstehen gegenseitig abhängige funktionale Strukturen, in denen einzelne<br />

Personen kaum Führungsansprüche entwickeln können. Das wäre eine Möglichkeit<br />

sozialer Organisierung auch schon im Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien der Steinzeit. Bei matrilinearer<br />

Struktur kann dann nicht einmal der biologisch eigene Sohn eines Mannes zum erblichen<br />

Nachfolger in der Gens werden, sondern nur ein Bruder oder Neffe im d<strong>am</strong>aligen<br />

Verständnis. Diese Gentilverfassung kann also erst einmal ein persönlicher<br />

Zus<strong>am</strong>menschluß noch gleichberechtigter Menschen sein, bevor sich über die Großen<br />

langs<strong>am</strong> soziale Differenzierungen entwickeln. Sie ergibt sich funktional aus dem<br />

Gruppenleben, so daß leicht vorstellbar ist, sie sei bereits lange vorm Entstehen der<br />

dörflichen Agrargemeinschaft verbreitete Praxis gewesen, sicher zuerst viel weniger<br />

formal strukturiert. Große Regionen konnten auf diese Weise gemeins<strong>am</strong>, ohne<br />

permanenten Kriegszustand aller gegen alle, besetzt – wenn auch wohl nicht „besessen“ –<br />

werden; Fremde bedurften wahrscheinlich der Durchzugsgenehmigung (Khoisan).<br />

Gemeins<strong>am</strong>e Aufgaben, wie die Großjagd auf Gazellen <strong>und</strong> die Errichtung von<br />

Schutzmauern vor Beständen des Wildgetreides, scheinen mit solcher Organisierung gut<br />

lösbar – wenn es sie denn gab.<br />

Und es gab einen Rahmen für die Weiterentwicklung hin zu jener Kultgemeinschaft mit<br />

dem von Schmidt genannten Radius von 200 Kilometern, die sich 1.000 Jahre später bis<br />

nach Nevalı Çori <strong>und</strong> jene anderen Orte ausbreitete, an denen T-Pfeiler bekannt sind. Für<br />

die Errichtung des Tempels – sehen wir gleich – reichten noch wenige Gentes aus. Aber<br />

mit der langs<strong>am</strong>en Entwicklung zur Institution des Häuptlings <strong>und</strong> wahrscheinlich zuvor<br />

die der Sch<strong>am</strong>anInnen entstehen auch neue, zuerst informelle Machtpositionen, selbst<br />

wenn noch nicht Herrschaft daraus sich bildet. Neben oder aufgr<strong>und</strong> der oben<br />

geschilderten Prozesse kann wachsendes persönliches Eigentum einiger Männer ein<br />

wichtiges Motiv zur Durchsetzung einer patriarchalen (!) Organisation sein. Ebenso<br />

kommt der Wunsch der direkten Vererbung auf die eigenen Söhne in Frage – für manche<br />

rezenten Urvölker belegt –, die bei Matriliniarität einer anderen Gens zugehörig sind.<br />

Vielweiberei besteht meist zugunsten älterer Männer, benötigt aber eine Machtbasis <strong>und</strong>

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