24.07.2014 Aufrufe

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

78 Gentilgemeinschaft?<br />

Gebäuden könnte hier herausgestrichen sein, um vor allem die GöttInnen zu beeindrucken,<br />

die unter dem Druck des sozialen Wandels selbst erst erf<strong>und</strong>en wurden. Wenn es denn<br />

eine soziale Transformation im Sinne eines sich selbst verändernden Prozesses war,<br />

wovon ich primär ausgehe.<br />

Um die 1.000 Jahre später entstanden in Çayönü <strong>und</strong> Nevalı Çori einzelne<br />

Tempelräume, von denen es <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> in der ältesten Grabungsschicht (bisher)<br />

vier gibt; ob gleichzeitig errichtet ist unklar. In jenen Orten waren weitere Gebäude aus<br />

Stein gebaut worden; ob als richtige Dörfer oder eher Kultstätten mit zusätzlichen Bauten,<br />

wie Wohnraum für PriesterInnen <strong>und</strong>/ oder Lagerhäusern, scheint nicht geklärt. Nevalı<br />

Çori versank mittlerweile im Attatürk-Stausee. Mich würde nicht w<strong>und</strong>ern, wenn<br />

ähnliches noch im Schutt des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ans Licht käme. Nur das fehlende Wasser auf<br />

dem Berg läßt Zweifel zurück; es gibt aber viele Stellen in der Welt, wo Frauen <strong>und</strong><br />

Mädchen täglich st<strong>und</strong>enlang Wasser holen gehen, weil dessen F<strong>und</strong>plätze nicht gut zu<br />

bewohnen sind.<br />

Daß es lange vor dem Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>s größere Zus<strong>am</strong>menschlüsse von Gruppen<br />

der WildbeuterInnen im Sinne gelegentlicher Treffen gab, ist nicht strittig. Eine andere<br />

Fragestellung ist die nach handlungsfähigen Bündnissen mit einer gewissen<br />

Verbindlichkeit ihres zugesagten Tuns, wie es für einen solchen Bau zwingend ist. Gehört<br />

nicht auch eine gewisse Reflexionsfähigkeit dazu, mit Auffassungen <strong>und</strong> Anforderungen<br />

eines ganzen St<strong>am</strong>mes, nicht mehr nur der eigenen Gruppe umzugehen, auch wenn die<br />

von den eigenen Leuten in den Räten mit gestaltet wurden. Es geht also nicht nur um<br />

irgendwelche St<strong>am</strong>mestreffen hin <strong>und</strong> wieder zu Festen, Vereinbarungen von Hochzeiten,<br />

Tauschhandel <strong>und</strong> dergleichen. Darauf will ich mit der Nutzung der Bezeichnung der<br />

Gentilgemeinschaft verweisen, obwohl es natürlich auf den N<strong>am</strong>en nicht ankommt. Für<br />

jene frühe Zeit vor 12.000 Jahren <strong>und</strong> noch ein gutes Stück zurück die Existenz einer<br />

solchen, zumindest rudimentär entwickelten sozialen Organisation zu unterstellen, wie sie<br />

Morgan (1877) unter anderem <strong>am</strong> Beispiel der Irokesen des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts beschreibt,<br />

scheint vorstellbar; er nimmt übrigens die Entstehung der Gentes zur Zeit der Erfindung<br />

der Töpferei an. Gentes (singular: Gens) sind soziale Gruppen eines St<strong>am</strong>mes in einer<br />

Gentilgemeinschaft, oder wie immer sie bezeichnet werden mag. Am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> gibt<br />

es noch keine Ker<strong>am</strong>ik-Scherben, aber in Nevalı Çori wurden 700 kleine Tonfiguren<br />

ausgegraben; davon 30 Tierdarstellungen, sonst zur Hälfte nackte Frauen <strong>und</strong> Männer mit<br />

Schurz. (Zick, 2008) Da scheint ein großer Bedarf bestanden zu haben. Andersrum läßt<br />

sich diese große Kultanlage als Hinweis darauf deuten, es müsse (!) irgendeine Form<br />

sozialer Organisation gegeben haben; von nur einer kleinen Gruppe, oder durch ein hin<br />

<strong>und</strong> wieder mal Steine aufhäufen beim Vorbeiziehen der Gruppen war die Aufgabe kaum<br />

zu leisten. Und die Bildhauer arbeiten nur halbtags, nach dem Jagen? Eher nicht.<br />

Gehen wir von Prozessen innerhalb eines bestehenden St<strong>am</strong>mes aus, könnten die Gens<br />

durch Wachstum sinnvoll geworden sein. Zu Beginn wurde eine Gruppe möglicherweise<br />

in zwei Hälften klassifiziert; die einfache Teilung in zwei nur nominelle Untergruppen<br />

einer Einheit als soziale Ordnung scheint häufig zu sein. Die Menschen folgen vorerst nur<br />

der Gewohnheit der Gruppe, in die hinein sie geboren werden, in diese Sippe, die sie<br />

zuerst nicht wie von außen auf sie sehend reflektieren. Grönbech (1954) zeigt noch für die<br />

Germanen um 1.000 nC die Verwandtschaft/ Sippe als organisches Ganzes auf, aus dem<br />

Einzelne sich faktisch nicht zu lösen vermochten. Wird die Gens zu groß, entsteht durch<br />

Teilung eine weitere, die nun beide kommunizieren <strong>und</strong> eine exogene Heirat vereinbaren<br />

können, die die Gruppen auch zukünftig verwandtschaftlich verbindet, sofern sie regional<br />

nebeneinander genug Nahrung finden – was <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> offenbar der Fall war – <strong>und</strong><br />

einen gemeins<strong>am</strong>en Dialekt beibehalten. Dabei entstehen aber auch unterschiedliche<br />

Interessen <strong>und</strong> Vorstellungen, die zus<strong>am</strong>men zu halten durch einen Rat möglich scheint,<br />

der auch gemeins<strong>am</strong>e Ziele entwickeln <strong>und</strong> umsetzen kann. Noch ist es ein Rat der<br />

Gleichen.<br />

In den ersten Mythen Sumers sitzen in den GöttInnenvers<strong>am</strong>mlungen Jahrtausende nach<br />

dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> noch Gleiche zus<strong>am</strong>men. (Vieyra, 1977: 87) Ein Obergott, der dort<br />

auch schon sichtbar wird, ist nicht so eindeutig der Boß, wie dann in Babylon Marduk <strong>und</strong><br />

später bei den Griechen Gottvater Zeus. Eine weiter aufgeteilte Gentilgemeinschaft wäre<br />

eine soziale Struktur, in der SprecherInnen aus den Gentes existierten, die die Kontakte zu<br />

den anderen Gruppen des St<strong>am</strong>mes in Räten übernehmen; sind sie zugleich<br />

Sch<strong>am</strong>anInnen? Von einzelnen dörflichen Sch<strong>am</strong>anInnen ist in den Berichten über rezente<br />

Urvölker häufig (sinngemäß) die Rede, aber wie koordinieren die sich in Sachen der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!