Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 75<br />
Der Trobriander bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme, <strong>und</strong> jenseits eines eigenen,<br />
engen sozialen Horizontes trennt eine Mauer von Argwohn, Unverständnis <strong>und</strong><br />
Feindschaft ihn selbst von seinen nahen Nachbarn. Das Kula durchbricht sie an<br />
bestimmten geographischen Stellen <strong>und</strong> mittels besonderer überlieferter Transaktionen.<br />
Aber wie alles Außerordentliche <strong>und</strong> Ungewöhnliche muß diese Aufhebung des Tabus,<br />
das auf Fremden liegt, durch Magie gerechtfertigt <strong>und</strong> überbrückt werden“. (1979: 381)<br />
Wir sehen in diesem Verfahren mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Prozeß der<br />
Befriedung einer Region, indem das Streben nach Ansehen von der Kopfjagd auf den<br />
Schmucktausch umgelenkt wurde. Warum sollte mit einem solchen Prinzip – in welcher<br />
Form auch immer – nicht <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ein größerer sozialer Zus<strong>am</strong>menhang als<br />
Vorbedingung des Tempelbaus, wenn auch vielleicht nicht mit dieser Absicht schon,<br />
geschaffen worden sein?<br />
Dieses Verfahren des Nullsummen-Handels gibt es in anderer Weise auch innerhalb der<br />
Stämme auf Trobriand. Die leben ähnlich wie die Baruya überwiegend von Gartenbau <strong>und</strong><br />
halten Schweine, sind allerdings – wie schon gesagt – primär matrilinear bei patrilokalem<br />
Wohnsitz der Frauen nach der Heirat organsisiert. Einige Dörfer treiben Fischfang, andere<br />
leben fern der Küste <strong>und</strong> tauschen Fisch gegen Gartenfrüchte ein. Es gibt auch<br />
Handwerker-Dörfer sehr geringen Ansehens, deren Holzteller <strong>und</strong> andere Waren aber gern<br />
eingetauscht werden. Wir hörten schon von der Sitte auf den diesen Inseln, daß ein Mann<br />
seine Ernte zu wesentlichen Teilen den Männern seiner Schwestern bringt, für deren<br />
Söhne er verantwortlich ist, <strong>und</strong> entsprechend von den Brüdern seiner Frau seine eigene<br />
Nahrung bekommt; einen anderen Teil bekommt der Dorfchef. Wir nähern uns erneut dem<br />
Verfahren mit den Großen Männern! Wer nun mehrere Frauen hat, bekommt entsprechend<br />
auch mehr von deren vielen Brüdern. 1 Über allem schwebt ein Häuptling des ganzen<br />
St<strong>am</strong>mes, der entsprechend von seinen „Vasallen-Dörfern“ Nahrung, immer primär Y<strong>am</strong>s-<br />
Knollen bekommt, womit wir nun auch bei Verteilungsfesten sind. (94) Hier gibt es also<br />
noch einmal zwei Ebenen, die dem großen äußeren Kula ähneln <strong>und</strong> eine<br />
Zwangskommunikation schaffen, die durch Gaben-Tausch organisiert ist. Reihum geben<br />
alle ihre großzügigen Gaben, was ihnen Ansehen einbringt, wie schon eine gute Ernte<br />
selbst. Die Güte der Gartenarbeit wird sozial kontrolliert, schl<strong>am</strong>pige Arbeit kann nicht<br />
durch eigenes Darben ausgeglichen werden; die EmpfängerInnen würden Druck machen.<br />
Zusätzlich entstehen <strong>und</strong> festigen sich in diesem Prozeß die Großen. Alles geschieht, wie<br />
beim Kula, unter ständiger Magie, deren Zaubersprüche unentwegt gesprochen werden;<br />
kein Schritt kann ohne Magie gemacht werden.<br />
Ein Dorf auf den Trobriand-Inseln besteht typischerweise aus einem Dorfplatz, der von<br />
Y<strong>am</strong>s-Häusern umgeben ist, dahinter stehen entlang einer Straße um das Zentrum herum<br />
die Wohnhäuser. Die Ernten werden in den Y<strong>am</strong>s-Häusern präsentiert, die Abgaben an die<br />
Großen bei deren Festen. Der Häuptling oder Große gibt aus seinen Vorräten noch viel<br />
dazu, alles wird dann von ihm verteilt, zum Teil nach individueller Verb<strong>und</strong>enheit,<br />
vielleicht wegen einer gemeins<strong>am</strong>en Kanu-Tour, aber alle bekommen etwas als Gabe<br />
zurück, so daß hier ein Ausgleich zwischen guten <strong>und</strong> schlechten Ernten geschaffen<br />
werden kann, niemand fällt aus dem sozialen Zus<strong>am</strong>menhang heraus, niemand kann durch<br />
besonderen Ehrgeiz allein durch Eigenleistung „groß“ werden, indem er mehr erntet als<br />
andere. Nach dem Fest gehen die Leute mit ihrem Anteil nach Hause – wieder nominell<br />
(!) ein Nullsummenspiel, aber nicht real. Primär geht es nicht um Y<strong>am</strong>s, sondern um<br />
Ansehen. Ansehen erworben mit Nahrungsmitteln. Die bis um zwei Meter langen Knollen,<br />
deren Verzehr nur nach einer Reinigung von blausäurehaltigen Säften möglich ist (ein<br />
bißchen wie Eicheln von Bitterstoffen befreit werden müssen), sind hinter Latten in den<br />
Y<strong>am</strong>s-Häusern sichtbar; manchmal werden sie allerdings mit Blättern verdeckt, d<strong>am</strong>it<br />
nicht auffällt, daß womöglich Leute niedrigeren Ansehens bessere Knollen haben als die<br />
Großen. (210) Wer mehr erntete als der Häuptling – schreibt Malinowski – lebte<br />
allerdings gefährlich, denn der Große konnte Zauberer für dessen magische Tötung<br />
bezahlen. (89) Ansehen wird durch die Gabe erworben (nicht durch Teilen), auch wenn es<br />
im ganzen <strong>und</strong> großen auf Gegenseitigkeit beruht. Großzügigkeit sei Reichtum. (130)<br />
Nahrung ist auch hier – wie wir es im Amazonasgebiet sahen – reichlich vorhanden, viel<br />
verdirbt sogar. Die Männer haben reichlich Zeit, weil sie nicht Tag für Tag mit der<br />
Nahrungssicherung beschäftigt sein müssen. Angesichts der Hinweise auf frühere Kriege<br />
<strong>und</strong> die Vernichtung von Dörfern, ohne daß es zu vielen Todesfällen dabei k<strong>am</strong>, (94)<br />
1 Malinowski schildert das Ende des Häuptlingstums in einem Fall, weil die Kolonialverwaltung die<br />
Polygynie verboten hat, so daß der Reichtum zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung fehlt. (1979: 502)