24.07.2014 Aufrufe

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

74 Der Tempel als Friedenssymbol?<br />

<strong>und</strong> wie es ihn dort tatsächlich gab, ist offen. Es hat wohl einen Handelsweg vom Roten<br />

Meer nach Anatolien gegeben. (>Burenhult, 2004: 236) Jedenfalls später gab es eine<br />

Kreuzung zweier Handelswege südlich von Urfa/ Edessa bei Harran. Einer führte von<br />

D<strong>am</strong>askus über Edessa nach Norden, der andere vom Iran zum Mittelmeer.<br />

Daß der Kultbau <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ein Symbol einer (Kult-) Gemeinschaft ist, muß<br />

nicht betont werden. Doch in welcher Weise entstand sie? Eine Möglichkeit könnte<br />

Malinowski ab 1914 (!) auf den berühmten Trobriand-Inseln, etwas nördlich der Ostspitze<br />

Neuguineas, analog beschrieben haben. (1979) Von Gaben-Tausch als sozialem Prinzip<br />

soll nun die Rede sein. (217) Auf das zu schildernde Prinzip kommt es mir an, nicht auf<br />

die Form, wie sie in der Südsee vork<strong>am</strong>. Ich fasse mit dem Begriff zus<strong>am</strong>men was sich als<br />

Tausch-System bei diesem Volk abspielt, bei dem generell gar kein materieller Gewinn<br />

gemacht werden soll. Von Zeit zu Zeit wird das Kula durchgeführt, in dem zwei „Waren“,<br />

besondere Halsketten gegen besondere Muschelarmbänder, getauscht werden. Neben der<br />

regionalen Form umfaßt dieser Null-Summen-Handel darüber hinaus ein viel größeres<br />

Inselgebiet. Dazu sind jeweils bestimmte Männer (!) an zwei Orten festgelegte<br />

„Handelspartner“, die nah oder auch sehr fern auf anderen Inseln in anderen Stämmen<br />

leben; Männer mit hohem Ansehen haben sehr viele Partner, andere nur wenige. Diese<br />

Partnerschaft wird sogar vererbt. Bestimmte Armbänder <strong>und</strong> Halsketten kreisen nun durch<br />

das Gebiet, Ketten im Uhrzeigersinn, Armbänder gegenläufig. Auf den Trobriand-Inseln<br />

werden Ketten aus geschliffenen Muschelscheiben aufwendig gefertigt. Es sind im<br />

wesentlichen immer gleiche Stücke, die mal mehr oder weniger (sozialen) Wert haben, so<br />

daß tatsächlich auch Werte ausgetauscht werden, eine besonders gute Kette etwa gegen<br />

mehrere kleinere Armbänder oder andersrum. Der Wert besteht dann darin, die<br />

erworbenen Stücke zu Hause zu präsentieren, wodurch der temporäre Besitzer (<strong>und</strong> sein<br />

Anhang) Ansehen gewinnen. Um sie nach einiger Zeit weiter rotieren zu lassen, indem sie<br />

als (großzügige) Gaben anderen überreicht werden; die Werterstattung findet erst später<br />

statt <strong>und</strong> ist wieder eine Gabe, nicht profaner Handel.<br />

Der Aufwand ist immens, unter anderem müssen große Segel-Kanus gebaut oder<br />

erneuert <strong>und</strong> herausgeputzt werden, um zum Teil lange Seereisen zu unternehmen. Es wird<br />

also nicht gleichzeitig beides getauscht, sondern bei der einen Reise – beispielsweise der<br />

Trobrinander im Verb<strong>und</strong> mit Männern anderer Inseln nach der südlich liegenden Insel<br />

Dobu – werden den Besuchern (!) Ketten als Gaben überreicht, die sie sich also (durchaus<br />

fordernd) holen. Erst bei der folgenden Reise jener aus Dobu nach den Trobriand-Inseln,<br />

bekommen die dort die Gegen-Gaben, also Armreifen. Die Gaben werden nicht direkt<br />

nebeneinander gelegt <strong>und</strong> dann über die Werte verhandelt. Sondern die jeweiligen Geber<br />

müssen sich dem Anspruch nach großzügig zeigen. Nur nebenbei, so scheint es, wird<br />

zugleich auch andere Handelsware ausgetauscht, nun aber richtig mit Feilschen, um<br />

Gebrauchsgüter zu tauschen, die es zuhause nicht gibt. Bevor die Kolonialverwaltung<br />

Kopfjagd <strong>und</strong> Krieg unterband, könnte also das Kula eine rituelle Verbrüderung<br />

wiederspiegeln, unter deren Schutz Handel getrieben werden konnte, sozusagen unter<br />

einer weißen Flagge. 1 Für mich ist nicht das Kula interessant, sondern der Antrieb dazu:<br />

Ansehen. Und der Aufwand: die Trobriand-Inseln hielten 650 Armreifen für 500 Leute<br />

aus Dobu bereit. Die Reise von Dobu zu den Trobriand-Inseln begann im Oktober 1917<br />

mit Bau <strong>und</strong> Reparatur der Kanus <strong>und</strong> dauerte bis Ende April 1918; (416f) allein die Reise<br />

über See dauerte je knapp drei Wochen; während der vereinbarten Anfahrt gab es auch<br />

etliche Aktivitäten bei den Gastgebern. Über 2.000 Menschen trafen sich auf den<br />

Trobriand-Inseln. (426f) Früher waren deutlich mehr als die ungefähr 80 Kanus aus Dobu<br />

unterwegs; die Sitte verlor sich schon langs<strong>am</strong> in der Moderne, als Malinowski sie<br />

kennenlernte. Bevor der Gaben-Tausch entstanden war, konnten womöglich Flotten von<br />

weit mehr Kanus losgezogen sein, um andere Inseln zu überfallen, Menschen zu<br />

schlachten <strong>und</strong> zu verfuttern. Interessant ist, daß bei der Ankunft der Flotte aus Trobriand<br />

<strong>und</strong> den Nachbarinseln auf Dobu symbolisch feindliche Handlungen zur Verteidigung<br />

durchgeführt wurden. (382) Solche Kriege scheinen nicht allzulang vorher noch üblich<br />

gewesen sein. Malinowski traf noch den letzten Kriegszauberer auf Trobriand, der ihm<br />

zeigte, wie die Schilde der Krieger für den K<strong>am</strong>pf verzaubert wurden. (439) „Die<br />

Gr<strong>und</strong>einstellung eines Eingeborenen zu anderen, fremden Gruppen ist Feindseligkeit<br />

<strong>und</strong> Mißtrauen. Die Tatsache, daß für einen Eingeborenen jeder Fremde ein Feind ist,<br />

stellt ein ethnographisches Merkmal dar, das aus allen Teilen der Welt berichtet wird.<br />

1 Der Herausgeber des Bandes, Kr<strong>am</strong>er, hält das Kula für den Ersatz der Kopfjagd, Malinowski selbst es nur<br />

für zeremoniellen Tausch um seiner selbst willen, als einfaches Verlangen nach (temporärem) Besitz <strong>und</strong> als<br />

große intertribale Verbindung von alter Herkunft. (1979: 549)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!