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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 73<br />

1998: 86f) Ausgehend von einem prä-operationalen Menschen, für den Ehre, Vergeltung,<br />

Gewalt normal zu sein scheinen, mag eine gemeins<strong>am</strong>e Betrachtung der aggressiven<br />

einfachen Feldbauern mit friedlichen WildbeuterInnen als gegensätzliche Pole, zwischen<br />

denen irgendwo der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zu sehen ist, zulässig. In den Berichten über rezente<br />

Urvölker gilt es aber immer den verstörenden Einfluß des Kolonialismus <strong>und</strong> der<br />

modernen Vertreibung zu bedenken. (>Bild-5: 56) Kaum ein Volk blieb nach der<br />

Eroberung ab dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert unverändert. Nicht immer war körperliche Gewalt<br />

primär. Malinowski schimpft kräftig auf die unseeligen Eingriffe weißer Behörden <strong>und</strong><br />

engstirnigen Missionare in Sitten <strong>und</strong> Gebräuche auf den Trobriand-Inseln, die deren<br />

Kulturen zerstört hätten. Nicht immer ist es Gewalt. In Berichten über afrikanische<br />

Stämme ist beispielsweise sehr oft von Mais-Anbau die Rede, der seinen Ursprung aber in<br />

Mexiko hat; schon Kolumbus brachte ihn nach Europa. Auch die Süßkartoffel auf<br />

Neuguinea wurde von den Portugiesen eingeführt; die Entdeckung bestimmter Regionen<br />

dort erst Mitte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts ist also eine Wiederentdeckung. Ebenso gibt es in den<br />

Berichten bei den Mbuti, den Yanom<strong>am</strong>o <strong>und</strong> den Baruya, auf die ich gleich zu sprechen<br />

komme, bereits von den Weißen mitgebrachtes Eisen.<br />

Der Tempel als Friedenssymbol?<br />

Ich hielt es oben für möglich, es könne <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> durch Handel von Feuerstein<br />

oder Obsidian, vielleicht sogar Werkzeug/ Waffen daraus, zu sozialen Unterschieden<br />

gekommen sein, sei es über den Prozeß der Großen Männer oder wie auch immer. Mit der<br />

Rekonstruktion des Salzhandels der rezenten Baruya in Neuguinea in der Form der<br />

neolithischen Zeit, skizziert Godelier eine Form des Handels, wie er auch viel früher <strong>und</strong><br />

anderswo denkbar scheint. (1973: 207ff; 1987) Dieses Volk lebte vor der (Wieder-)<br />

Entdeckung 1951 in „steinzeitlichen“ Lebensformen, zum Teil in Frieden mit den<br />

Nachbarn, zum Teil auch nicht, mit einigen ist es durch Friedensverträge verb<strong>und</strong>en. Die<br />

Baruya sind allerdings schon ein seßhaftes Gartenbauvolk (Brandrodung), das vor allem<br />

Süßkartoffeln/ Y<strong>am</strong>s anbaut, die die Portugiesen (!) im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert einführten – über<br />

deren Einfluß sonst offenbar nichts bekannt ist –, <strong>und</strong> eben auch Salzpflanzen. Zusätzlich<br />

werden Schweine gehalten. Die Baruya bilden einen „häuptlinglosen St<strong>am</strong>m“ aus<br />

patriliniaren Clans mit besonderer Bedeutung angesehener Großer Männer, die sich primär<br />

auf Ansehen <strong>und</strong> nicht auf ökonomische Macht stützten, wenn auch die Salzherstellung<br />

<strong>und</strong> der Handel solche Entwicklungen mitbringen. Manches der Lebensweise ist der der<br />

Mbuti ähnlich <strong>und</strong> für den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> denkbar, auch wenn wir dort Landbau<br />

ausschließen. Es geht hier um ein Beispiel für frühe Handelsformen, deren Strukturen sich<br />

als ziemlich vielschichtig zeigen. Salz wird aus Pflanzen gewonnen, die verbrannt, einige<br />

Zeit gelagert <strong>und</strong> bearbeitet werden, ein komplexer Prozeß, der hier nicht von Interesse ist,<br />

aber ein Vorgang, wie er den Menschen <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> analog zugetraut werden<br />

könnte, wenn wir dort etwa an Werkzeugherstellung denken. 1 Salzbarren werden primär<br />

produziert, um Umhänge, Steine für Äxte (später: Metall) oder auch bunte Vogelfedern<br />

<strong>und</strong> einiges mehr einzutauschen, die nicht im eigenen Land hergestellt oder gef<strong>und</strong>en<br />

werden können. Die Umhänge entstehen aus Borke in einem eher noch zeitaufwendigeren<br />

Prozeß unten in den Tälern. Auf der höheren Ebene, die die Baruya bewohnen, gedeihen<br />

solche Bäume nicht. Steine für die Äxte wurden von der Küste gekauft. So entstehen viele<br />

Kontakte über die eigenen Grenzen hinaus, wie immer die festgelegt waren. Zielgerichtete<br />

Handelswege müssen entwickelt <strong>und</strong> gepflegt werden, da Autarkie für diese gewählte<br />

Lebensweise nicht möglich ist. Nicht Arbeitszeit sei das Maß für den Handelspreis – die<br />

Baruya finden, sie gewännen bei ihm –, sondern eine bestimmte Wertschätzung der<br />

entsprechenden Dinge, die eingetauscht werden, was natürlich auf Gegenseitigkeit<br />

beruhen muß. Das gilt nebenbei bemerkt auch für andere Handelsformen in rezenten<br />

Urgemeinschaften, auf die Godelier beispielhaft verweist, wenn Perlenschnüre,<br />

Delphinzähne, Mühlsteine oder die vielzitierten Kaurimuscheln über zum Teil große<br />

Entfernungen <strong>und</strong> selbst mittels Seereisen ausgetauscht werden, worauf ich gleich bei den<br />

Trobriand-Inseln zurück komme, wo es – neben einer symbolischen oder rituellen Form<br />

des Handels – auch jene gibt, wie sie für die Baruya beschrieben wird. Das paßt zum<br />

Handel, wie er mit Bernstein, Silex, Obsidian <strong>und</strong> anderen Dingen aus viel früherer Zeit<br />

zwischen den Pyrenäen <strong>und</strong> Sibirien gef<strong>und</strong>en ist. Und ein solcher Austausch, der gezielt<br />

entwickelt wird, ist denkbar für die Region um den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> vor 12.000 Jahren; ob<br />

1 Schon Neandertaler konnten beispielsweise Birkenpech als Kleber herstellen, wozu mehr nötig ist als etwas<br />

auszukochen, um es dickflüssiger zu machen. Ich erinnere an den Prozeß, Eicheln zu Nahrung zu machen.

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