Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 69<br />
folgen. Kinder, die mit den Beinen vorab aus dem Mutterleib kommen, werden getötet,<br />
ebenso solche, die zuerst oben Zähne bekommen. (131ff) Es geht nicht um einen<br />
körperlichen, sondern um den mystischen Mangel, der sich in der Anomalie ausdrückt.<br />
(139) Abweichung (Neuerung) ist immer gefährlich. Bei Weissagungen <strong>und</strong> Befragungen<br />
der Geistwesen wird oft der Schädel eines Ahnen befragt, weil der als Teil für den ganzen<br />
Ahnen steht. (161) So etwas wird auch bei den steinzeitlichen Schädelbestattungen <strong>und</strong><br />
der Nachbildung des Gesichts mit Gips <strong>und</strong> Muscheln eine Rolle gespielt haben, die <strong>am</strong><br />
F<strong>und</strong>ort Jericho <strong>und</strong> schon viel früher an anderen Stätten ausgegraben wurden.<br />
Sehr verbeitet war die Ordalie, die nicht im engeren Sinn als Gottesurteil, Urteil Gottes,<br />
verstehbar ist, (226) sondern eher als Aufzeigen von Verlierer oder Gewinner. (211) Wer<br />
der Zauberei verdächtigt wird, <strong>und</strong> alle können diesen Verdacht aussprechen, hat dann<br />
beispielsweise eine Gifttinktur zu trinken, die stark oder schwach zubereitet werden kann.<br />
Erbricht sich der Mensch ist er unschuldig, stirbt er, oder wird im zweiten Fall nur<br />
vorübergehend krank, ist er schuldig. Die Ordalie wird gern auf sich genommen, das<br />
Vertrauen scheint grenzenlos. Sie soll auch das böse Prinzip bekämpfen <strong>und</strong> wird dazu<br />
noch vor einer beschlossenen Hinrichtung ausgeübt. (216) Auch die Beschuldigten<br />
akzeptieren sie offenbar; sie wußten dann nichts von dem Zauber, der sie ergriffen hatte.<br />
(224) Ist der Verdächtige für die Ordalie nicht greifbar, kommt auch ein Bruder oder<br />
anderer Verwandte für die Probe in Frage. (234; wie bei Blutrache) Solche Verfahren sind<br />
also reine Willkür, (235) so wie noch bei den Germanen Recht unter anderem durch<br />
Zweik<strong>am</strong>pf gesprochen werden konnte; wer gewinnt gewinnt den Prozeß. Auch das<br />
Tauchen einer Hand in kochendes Wasser ohne entstehende Verletzung kann Unschuld<br />
beweisen. Allerdings scheinen Ordalien nur bei entwickelten Häuptlingsgesellschaften<br />
beobachtet worden zu sein, nicht in einfacheren Gemeinschaften, schreibt Lévy-Bruhl.<br />
(232)<br />
Krieg, Kriegsvermeidung<br />
Krieg spielt in frühen Gemeinschaften, wie sie etwa Lévy-Bruhl beschreibt, eine große<br />
Rolle unter Nachbargruppen, wenn auch meist nicht als Feldschlacht, sondern aus dem<br />
Hinterhalt, um etwas zu rächen, zum Beispiel den Tod des eigenen Häuptlings durch<br />
Unfall oder Altersschwäche. Offenen Krieg gibt es aber auch, wie mit einem Foto von den<br />
Dani von Neuguinea belegt ist, deren Hauptbeschäftigung das Kriegführen sei. Ein Toter<br />
reiche meist aus, um die Ehre (in der Blutrache) wieder herzustellen. (>Bild-1: 96) Die<br />
aggressivsten Stämme, die bekannt geworden sind, scheinen die Yanom<strong>am</strong>o <strong>am</strong> Rio<br />
Orinoco im Grenzbereich von Brasilien <strong>und</strong> Venezuela zu sein. Das beginnt im eigenen<br />
Dorf mit K<strong>am</strong>pfspielen, bei denen einer von zwei Gegnern erst einen Schlag des<br />
Gegenüber zuläßt, um dann seinerseits mit einer Keule einen Schlag auf den Kopf oder die<br />
Brust des anderen zu tun. Ein Häuptling überwacht die Regeln. Das führt dennoch auch zu<br />
weitergehenden Auseinandersetzungen, bei denen auch die schon eisernen (!) Beile zum<br />
Einsatz kommen. Die Dörfer haben selten mehr als 200 Personen, sonst wird die interne<br />
Gewalt unbeherrschbar. Vor allem mit den Nachbarn (des gleichen Volkes) gibt es<br />
permanente Kriegshandlungen. Das geht so weit, daß Dorf A Dorf B dafür gewinnt,<br />
St<strong>am</strong>m C einzuladen, um plötzlich über die Gäste herzufallen; die Flüchtlinge werden<br />
dann von Dorf A erschlagen. Gibt es keinen direkten Rachegr<strong>und</strong>, wird der leicht auf<br />
Zauberei gegründet erf<strong>und</strong>en. Die Nahrung ist dort reichlich, S<strong>am</strong>meln <strong>und</strong><br />
Wanderfeldbau erbringt sie, Platz ist ebenfalls reichlich vorhanden, <strong>und</strong> doch sind die<br />
Feindseligkeiten graus<strong>am</strong> <strong>und</strong> mörderisch, heißt es. (>Bild-5: 15) Das „<strong>und</strong> doch“ müßte<br />
allerdings durch ein „weil“ ersetzt werden. Weil sie nicht permanent sich um Nahrung<br />
kümmern müssen, haben die Männer Zeit zu Kriegen. Anders als von einigen<br />
nord<strong>am</strong>erikanischen Indianern gesagt wird, deren Überfälle eigentlich nur<br />
Handberührungen, oder die mit speziellen Stäben sein sollen, die – von den Kumpanen<br />
bezeugt – zu weiteren Adlerfedern <strong>und</strong> dergleichen führen sollen, zu Ruhm oder Ehre also,<br />
geht es bei den Yanom<strong>am</strong>o neben dem Ansehen auch ums Töten. Es gibt wechselnde<br />
Bündnisse, oft durch Handel, bei dem es aber auch schnell Streit <strong>und</strong> Entehrung gibt,<br />
wenn über die Wertigkeiten keine Einigkeit erzielt wird. Die Jívaro in Peru <strong>und</strong> Ecuador<br />
sind Kopfjäger. Ihre Kriegshandlungen sind ähnlich permanent. Ohne daß sie sich bedroht<br />
fühlen müssen, gibt es ständig Konflikte <strong>und</strong> Blutfehden untereinander <strong>und</strong><br />
Ausrottungskriege gegen entferntere Stämme. Erbeutete Köpfe werden mitgenommen <strong>und</strong><br />
eingekocht, sobald die Krieger sich nicht mehr verfolgt fühlen. (das Rezept: >Bild-5: 40)<br />
Bei den K<strong>am</strong>ayurá <strong>am</strong> Xingu in Brasilien – auch sie haben Feinde, die in Schlachten