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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 65<br />

Männer gute Jäger, um die heftige Lust auf Fleisch in ihren Gruppen zu befriedigen, das<br />

zudem in jener Zeit die gehaltvollste Nahrung darstellte. Es mußte wohl oft aus großen<br />

Entfernungen in gehörigen Mengen herangebracht werden, da bejagte Tiere in andere<br />

Gebiete ausweichen. Wie weit Wildgetreide jahreszeitlich unabhängig zur Verfügung<br />

stand, überblicke ich noch nicht, wie d<strong>am</strong>als konserviert wurde auch nicht,<br />

wahrscheinlich durch Trocknen. Fleisch wird dabei zu biltong verarbeitet, zu schmalen<br />

Streifen, die dann mehrere Monate, in einzelnen Fällen zwei Jahre halten. (Bartl, 2004:<br />

95)<br />

Ohne hier psychologisch auf die Frage der Folgschaft einzugehen, nutze ich einen<br />

Hinweis zu Sumer, um die Gruppenstruktur weiter zu hinterfragen, die Große Männer <strong>und</strong><br />

Gefolge verbindet. Wir hatten bereits gesehen, wie in der Ontogenese auch die<br />

Autoritätshörigkeit ausgebildet wird, wenn im Prozeß der eigenen Erfahrung den Kindern<br />

über die Bezugsperson zugleich von außen eine große Macht gezeigt wird, der das hilflose<br />

Kind völlig ausgeliefert ist. Über die F<strong>am</strong>ilie hinaus werden andere Autoritätsstrukturen<br />

wichtig, in Arbeitsprozessen, bei der Ernte beispielsweise. Schmökel sieht in der<br />

Tempelwirtschaft, die die sumerischen Stadtstaaten prägte <strong>und</strong> Produktion <strong>und</strong> Verteilung<br />

organisierte, einen religiösen Staatssozialismus; (1956: 54) der läßt sich strukturell gut als<br />

Weiterentwicklung des Systems der Großen Männer <strong>und</strong> dann des Häuptlingstums in der<br />

Hand der PriesterInnenschaft vorstellen. Auch bei rezenten Urvölkern sind die Häuptlinge<br />

– wie immer sie dazu geworden sein mögen – sozusagen heilige Figuren, von Geistwesen<br />

erhoben, sehen wir auch bei Lévy-Bruhl.<br />

Allerdings war die Situation <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> wohl noch eine ganz andere. Die<br />

Vorstellung eines GöttInnen-Staates kann kaum schon bestanden haben, wie immer der<br />

Pantheon mit den beiden Obermackern, die ich ja allein aus der Anlage D interpretiere,<br />

dort vorgestellt wurde. Einzelne F<strong>am</strong>ilien konnten sich wahrscheinlich abwenden <strong>und</strong><br />

dennoch überleben. Doch die Situation, in eine Gruppe hineingeboren zu werden <strong>und</strong><br />

durch Einübung von Gehors<strong>am</strong> durch F<strong>am</strong>ilie, St<strong>am</strong>m <strong>und</strong> Geistwesen oder GöttInnen<br />

festgehalten zu werden, ist alternativlos: bewußte Individualität in diesem weitgehenden<br />

Sinn ist geistig noch nicht erf<strong>und</strong>en. Das Organische des Gruppenlebens war im relativ<br />

homogenen St<strong>am</strong>m gegenüber dem Stadtstaat mit seiner Differenzierung <strong>und</strong> schon<br />

Alternativen, zum Beispiel Bauer oder Hirte, womöglich Schreiber werden zu können,<br />

noch wesentlich naturwüchsiger als dort. Wenn Sumer denn einen Anschluß dorthin<br />

bezeichnete; der göttliche Berg Duku wird auch an anderer Stelle vermutet, sahen wir – im<br />

Osten Sumers, nicht im Nord-Westen. Aber der Blick nach Sumer als mögliche<br />

Perspektive mag die soziale Menschwerdung <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> einzugrenzen helfen, eine<br />

Richtung anzeigen. Wenn alles nicht ganz anders war.<br />

Der prä-operative Mensch<br />

Eine sozial differenzierte Gruppe, die wahrscheinlich von Großen Männern/<br />

Häuptlingen/ Sch<strong>am</strong>anInnen/ PriesterInnen zur koordinierten Arbeit motiviert wurde, auch<br />

dazu, individuelle handwerkliche Fähigkeiten auszubilden, verweist auf eine Differenz zu<br />

solchen einfachen WildbeuterInnen, die noch direkt von der Hand in den M<strong>und</strong> leben,<br />

autonom <strong>und</strong> formell frei auf der einen, an die Verwandtschaft <strong>und</strong> die Geistwesen<br />

geb<strong>und</strong>en auf der anderen Seite. Neue soziale Rollen entstehen. Einfache<br />

Häuptlingsysteme sind bereits im Zustand der Wildbeuterei denkbar. Um den Kultbau zu<br />

errichten, bedurfte es eines weiteren Schrittes zu einem komplexeren <strong>Denken</strong>. Deshalb ist<br />

schwer vorstellbar, es habe vor diesem konkreten Bau nicht schon Erfahrungen gegeben,<br />

die den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> später möglich machten; das meint auch Schmidt, der dabei an den<br />

Mauerbau für Tierfallen <strong>und</strong> zum Schutz von Wildgetreide denkt. Erfahrungen mit<br />

einfacheren Steinmauern in der umgebenden Ebene also, über die bislang keine Kenntnis<br />

besteht. Gibt es frühere Bauten in jenem Schuttberg? Oder dort, wo Schmidt nach dem<br />

zufälligen Auffinden einer männlichen Skulptur bei einem Bauvorhaben weitere<br />

archäologische Stätten vermutet, unter der Altstadt von Urfa? Das würde auch den Druck<br />

mindern, nun plötzlich eine Theorie über eine Art W<strong>und</strong>erbau, einen großen qualitativen<br />

Sprung produzieren zu müssen. 1<br />

Die ethnologische <strong>und</strong> psychologische Forschung über rezente WildbeuterInnen <strong>und</strong><br />

frühe Landbau-Gemeinschaften – wie von Lévy-Bruhl, Hallpike <strong>und</strong> anderen – zeigt,<br />

1 Diese Überlegungen erinnern etwas an die Situation, als die Kulturleistungen der Indianer entdeckt wurden<br />

<strong>und</strong> die weißen Eroberer sich nicht vorstellen mochten, diese „Wilden“ seien dazu fähig gewesen, es müßten<br />

früher schon Weiße dort gewesen sein; auch die (in den Quellen) „verlorenen Stämme“ Israels waren im<br />

Gespräch; etwa beim „Indianer-Maler“ Catlin. Einige christliche Masai halten sich auch dafür. (>Bild-2: 109)

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