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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 63<br />

über die wichtige sumerisch-akkadische Göttin Inanna/ Ischtar, die eine Kriegerin <strong>und</strong><br />

Hetäre sei, auch eine „Zeitgenossin“ Gilg<strong>am</strong>eschs war, sie ließe sich weniger als die<br />

„Große Mutter“ identifizieren, von der in einigen matriarchalen Thesen die Rede sei,<br />

sondern erscheine viel mehr als „Männergöttin“, wenn auch hochgeachtet. (1992)<br />

Macht <strong>und</strong> Vorratshaltung<br />

Dux hat die Macht als „das schlechterdings konstitutive Organisationsmoment in der<br />

Gesellschaft“ untersucht, um das Geschlechterverhältnis unter einem sozialen<br />

Gr<strong>und</strong>prizip zu analysieren, bevor es noch konkrete soziale Differenzierungen gab. (1997:<br />

77) Er versteht darunter für unser Thema nicht schon politische Macht <strong>und</strong> meint<br />

ausdrücklich nicht Machtstreben als Menschenbild des: Jeder gegen Jeden. Sondern<br />

Macht ist ein „natürliches“ Medium im alltäglichen Handeln von Menschen in Bezug zu<br />

ihren Mitmenschen. Jedes menschliche Wesen – etwas weit verstanden schon ein<br />

Säugling beim Schrei nach Nahrung – müsse sich darum kümmern, seine Interessen, oder<br />

sagen wir hier besser, seine Bedürfnisse, hinreichend durchzusetzen oder zur Geltung zu<br />

bringen, um genügend Lebensmittel zu erhalten, möglichst ein wenig mehr als das.<br />

Lebensmittel wiederum im weiten Sinn von Nahrung, Kleidung, menschlicher Wärme,<br />

Schutz. In einer sozialen Gruppe gibt es diesbezüglich eine Konkurrenz. Wer sich nicht<br />

kümmert <strong>und</strong>/ oder sich meldet gerät in die Defensive, bekommt weniger als andere.<br />

Manchmal gehört schon früh auch etwas Kraft dazu, wenn das Händchen sich den Weg<br />

zum Essen im Gerangel bahnen muß. Macht wird so etwas wie das erste Movens sozialer<br />

Entwicklung; ich sage noch einmal: des Alltags. Erst darüber hinaus wird dieser Prozeß<br />

der gegenseitigen Machtsicherung zu einem bewußten Handeln als Schema auch zwischen<br />

den Geschlechtern <strong>und</strong> auch politisch. Ein Prozeß also, der nicht mehr nur „irgendwie<br />

passiert“, sondern reflektiert wird, etwa bei der Ausübung der Riten, wenn Frauen nicht<br />

zugelassen werden (Menstruation), oder sie im St<strong>am</strong>mesrat keine Stimme haben, auch<br />

wenn sie vielleicht teilnehmen dürfen. Gr<strong>und</strong>lage der Sozialisation ist der zu lernende<br />

Umgang mit alltäglicher Macht. In den frühen Gemeinschaften <strong>und</strong> Gesellschaften ist<br />

Macht immer durch Werte legitimiert worden: der heilige Sch<strong>am</strong>ane, der König von<br />

Gottes Gnaden. Dafür steht vor allem auch Religion.<br />

In der Ethnologie werden manchmal egalitäre <strong>und</strong> nicht-egalitäre Wildbeutungs-<br />

Gruppen, Dorfgemeinschaften, Häuptlingsysteme <strong>und</strong> Staaten unterschieden; hinzu<br />

kommen Zwischenstufen, beispielsweise Proto-Staaten. (Harris, 1991; Dux, 1997) Nach<br />

der Konkretion einer solchen Zwischenstufe suche ich, wenn ich für den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />

eine für die d<strong>am</strong>alige Zeit besonders weit ausgebildete Sozialform vermute, die dem<br />

Bauwerk entsprechen kann. Auf die komplexen Formen seßhafter S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong><br />

Jäger verwies ich schon. Bereits im Natufien ist ein Häuptlingsystem (chiefdom) denkbar,<br />

meint auch Bartl. (2004: 170) Ein Verb<strong>und</strong> wie die (Clan- oder) Gentilgemeinschaft (aus<br />

mehreren Gentes/ Gruppen) kann vermutlich in dieser Weise weitgehend egalitär<br />

existieren, wie Morgan (1877) die Irokesen schildert. Wenn aber von den einzelnen<br />

Gruppen Abgesandte für höhere Gremien gewählt werden, bei den Irokesen geschieht das<br />

durch die Frauen, gelten die offensichtlich als für den Job qualifiziert (nicht unbedingt:<br />

haben sich ! qualifiziert). Sie besitzen also Autorität, so oder so. Für die d<strong>am</strong>alige Zeit der<br />

Proto-Neolithisierung kommen drei Bereiche besonders in den Blick, in denen sie<br />

erworben wurde: Krieg, Nahrungsbeschaffung <strong>und</strong> Welterklärung. Ebenso ist aber die<br />

ausdrückliche Bemühung um Ansehen möglich, bei Krieg <strong>und</strong> Jagd, in der Magie <strong>und</strong><br />

Heilkunst oder beispielsweise über das Ausrichten von Festen mit der Funktion der<br />

Umverteilung eines Teils des Reichtums solcher bedeutenden Männer; das Potlatch der<br />

Nord-West-Indianer ist wahrscheinlich der bekannteste N<strong>am</strong>e dafür. (Josephy, 1998: 47)<br />

Solche Feste gab es auch in anderen Weltteilen, etwa bei den Nuristanern in Afghanistan.<br />

(>Bild-8: 120) Auch Gilg<strong>am</strong>esch hatte die Königspflicht, zweimal jährlich ein (Neujahrs-)<br />

Fest auszurichten. Eine besondere Form besprechen wir noch <strong>am</strong> Beispiel der Trobriand-<br />

Inseln.<br />

Ein solcher Prozeß zu hohem Ansehen/ Macht könnte beginnen, in dem ein Jäger/<br />

Krieger eine Gefolgschaft um sich s<strong>am</strong>melt, deren Mitglieder ihm gern zur Jagd oder zum<br />

Kriegszug folgen, weil er sich bewährt hat, mehr Beute heimbringt als andere. Ein anderer<br />

Weg ist das Sparen, um direkt ein Umverteilungsfest ausrichten zu können. Was selbst<br />

gespart wurde, kann durch Geschenke von Gefolgsleuten an den „Fonds“ des Initiators<br />

noch ergänzt werden. Diese Güter werden beim Fest gleichmäßig auch an jene verteilt, die<br />

nicht so erfolgreich sind, die Pech hatten oder krank waren. Möglich wäre auch, mit Hilfe

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