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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 61<br />

sondern sind gefürchtet <strong>und</strong> deshalb geachtet. Bei allen öffentlichen Festen, es gibt auch<br />

solche, die männerdominiert sind, „ist es ihnen nie verboten [!] zuzusehen oder sich<br />

zwanglos unter die Männer [!] zu mischen auf Gr<strong>und</strong> einer vollkommenen<br />

Gleichberechtigung; [!] Neckereien <strong>und</strong> Scherze werden ausgetauscht <strong>und</strong> eine lebhafte<br />

Unterhaltung findet statt“. (44; der Ethnologe spricht, wie sich Malinowski im Buch gern<br />

nennt, aber für Europa um 1915 mögen diese Frauen relativ frei gewesen sein) Wir<br />

kommen auf Neuguinea <strong>und</strong> Umgebung noch zurück, wo es etwas südwestlich der<br />

Trobriand-Inseln auch das Gegenmodell deutlicher Männermacht gab. (Godelier, 1987)<br />

Und südöstlich auch, in Melanesien: „Ehefrauen müssen häufig Schläge <strong>und</strong> das in<br />

sexueller Hinsicht auch oft gewalttätige Verhalten der Männer hinnehmen“ – in der<br />

Salomon- Inselgruppe. (>Bild-1: 106)<br />

Anstelle des Matriarchats hat es allerdings in verschiedenen Teilen der Welt<br />

„Matrifokalität“ gegeben: die Frau steht im Fokus der Gemeinschaft, die matrilinear <strong>und</strong><br />

matrilokal organisiert ist, der Mann zieht zur Frau, die also in der Gruppe (Gens) ihrer<br />

Mutter bleibt; ein guter Zus<strong>am</strong>menhalt für sie. Es ergibt sich eine halbwegs ausgeglichene<br />

Machtbalance zwischen den Geschlechtern. 1 Doch auch eine patrilineare<br />

Verwandtschaftslinie – Frau zieht zur Schwiegermutter – muß nicht gleich in Männer-<br />

Herrschaft ausarten, die Frau nicht zur Sklavin werden, wenn auch Völker beschrieben<br />

wurden, die davon nicht weit entfernt sind. Auf Matrifokalität bezieht sich wohl<br />

Bachofen, der das „Mutterrecht“ erfand; ähnlich Morgan. Es gibt bei rezenten Urvölkern<br />

reichlich Hinweise auf die generell nachrangige Position der Frauen gegenüber den<br />

Männern, die primär über Machtprozesse ihre Stellung stärken, wie wir noch sehen. Es<br />

wird auch mal kämpfende Frauen gegeben haben, weil vielleicht Männer dezimiert waren.<br />

Bei den Skyten, also im ersten Jahrtausend vor der Zeitenwende, finden sich einige<br />

Frauengräber mit Waffen, einige, aber nicht alle (<strong>und</strong> nicht die Gräber der Männer<br />

womöglich mit Tontöpfen); von ihnen k<strong>am</strong> die Amazonen-Chefin Penthesilea in der<br />

griechischen Mythologie, die – wieder eine mythische Frauenmacht-Vernichtung – von<br />

Archilleus erschlagen wurde (bei Kleist). Dennoch sind die Funktionen, die Frauen in<br />

Gemeinschaften übernehmen, in Hinsicht auf die Entwicklung der Zivilisation besonders<br />

wichtig – wirken sie ein bißchen subversiv im Sinne von Nebenfolgen rationaler<br />

Handlungen?<br />

Viele zivilisatorische Errungenschaften lassen sich nur schwer aus dem typischen<br />

Männerleben der Urzeit abgeleitet denken; dennoch werden Lebensmodelle meist nach<br />

ihnen bezeichnet. Das von Frauen geprägte Lager der Gruppen <strong>und</strong> die weibliche Arbeit<br />

sind Hort der frühen Kultur <strong>und</strong> Seßhaftigkeit. 2 Deshalb gehe ich bei meiner<br />

abschließenden Spekulation unten, wie das Leben <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> vielleicht ausgesehen<br />

haben mag, von einer relativ einflußreichen Position der Frauen vor (!) dem Tempelbau<br />

aus, ohne (!) auch nur den geringsten Hinweis dafür zu haben, sie hätten möglicherweise<br />

in den Lagern tatsächlich das Sagen gehabt; selbst über Abst<strong>am</strong>mungsregeln ist nichts<br />

bekannt, woher auch. Aber eine gewisse Seßhaftigkeit einer Gemeinschaft von<br />

S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong> Jägern, womöglich schon mit kleinem Gartenbau ohne domestizierte<br />

Pflanzen oder Tiere, bietet <strong>am</strong> ehesten eine Chance auf eine gute Position im Inneren, weil<br />

viele Männer den Wohnplätzen oft lange Zeit zu Jagd <strong>und</strong> Krieg fern sind. (Harris, 1991,<br />

über die Irokesinnen) Bereits lange vor der Domestikation entstehen im fruchtbaren<br />

Halbmond Schweifgebiete mit festen Zentren <strong>und</strong> ersten Friedhöfen. (Uerpmann, 2007;<br />

Gebel, 2002: 31) In Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien scheint – ähnlich wie in Südwest-Europas<br />

1 Ein Matriarchat (Frauen-Vorrang) ist etwas anderes als Matrifokalität oder Matriliniarität. Und es ist noch<br />

nie <strong>und</strong> nirgends empirisch belegt. Ein Matriarchat könnte wohl höchstens als herausgehobene Frauenmacht,<br />

wenn etwa nur Frauen als Sch<strong>am</strong>anin <strong>und</strong>/ oder Häuptling wirken können, vorgestellt werden. Obwohl ein<br />

Patriarchat realer Herrschaft schon näher kommen kann (Harem? ein Gipfelpunkt sind die alten Griechen, die<br />

Frauen ungefähr behandelten wie heute die Taliban es tun). Es muß die wesentlichen Funktionen des Lebens<br />

der Frauen so etwas wie kolonialisieren; hinzu kommen also Gewalt <strong>und</strong> Unterdrückung, selbst wenn die sich<br />

nur langs<strong>am</strong> strukturell durchsetzten <strong>und</strong> dann – bald als natürlich geltend – sich dauerhaft das<br />

Machtverhältnis der Geschlechter verschob. Aus den bisher meist bemühten archäologischen Bef<strong>und</strong>en sind<br />

matriarchale Perioden – anders als oft behauptet – bislang nicht ablesbar, meinen etwa Röder/ Hummel/ Kunz,<br />

(2001) besonders für Kretas Menoische Kultur <strong>und</strong> Çatal Hüyük, worin sie für letzteres neuerdings von<br />

Schmidt Unterstützung erfahren. (2008)<br />

2 Die berühmten Irokesinnen, denen „Haus <strong>und</strong> Hof“ eigen waren, <strong>und</strong> die die Männer in die Räte wählten,<br />

sind dennoch eine Sondererscheinung der Geschichte aus der Zeit der Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts in Amerika;<br />

auch wenn es solche Tendenzen ebenso andernorts gegeben hat. Vorausgegangen war für die indianische<br />

Bevölkerung Amerikas eine extreme Zeit jahrh<strong>und</strong>erterlanger Zerstörung, Unterdrückung <strong>und</strong><br />

Desorientierung. Obendrein waren diese Völker in die Kriege der verschiedenen Eroberer eingepaßt worden,<br />

bevorzugt auch gegeneinander. Da waren die Krieger selten zu Hause, die Frauen hielten die Gruppen<br />

zus<strong>am</strong>men.

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