Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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60 Frauenmacht?<br />
Stämmen einer großen Region sicher nicht. Auch dort gibt es übrigens Mythen der<br />
Frauenbesiegung; aber die Quellenlage ist besonders problematisch, da der Einfluß der<br />
Weißen dr<strong>am</strong>atischer gewesen sein kann als bekannt. Wie auch in Amerika. Es scheint in<br />
den meisten halbwegs bekannten Urgemeinschaften eine Trennung der Bereiche Inneres<br />
<strong>und</strong> Äußeres gegeben zu haben. Die Hinweise bei rezenten WildbeuterInnen auf eine<br />
gewisse Gleichberechtigung der Frauen sind zahlreich für den inneren Bereich, aber nur<br />
dort. Es entstanden schon früh Verwandtschaftsformen nach männlicher <strong>und</strong> nach<br />
weiblicher Linie nebeneinander. Graebner (1924) sieht bei den rezenten Urvölkern jeweils<br />
große Weltregionen als primär patri- oder matrilineare Zonen von eher Hirten- oder<br />
Landbauvölkern. Wenn ich für Homo sapiens bereits früh eine relativ entwickelte<br />
Sozialstruktur für möglich halte, dann heißt das nicht, es habe nicht im kleineren<br />
regionalen Rahmen egalitäre Gemeinschaften gegeben, auch solche mit matriliniarer<br />
Verwandtschaftsfolge, aber eben nicht als historische Stufe einer Frauen-Herrschaft oder<br />
auch nur einer durchgängigen Macht auf allen sozialen Ebenen. Wenn überhaupt, waren<br />
fast immer nur die Männer egalitär. Die Khoisan <strong>und</strong> !-Kung der Kalahari (Buschleute)<br />
gelten (wie die Mbuti, Pygmäen im Kongo-Urwald) bis in unsere Zeit als solche einfachen<br />
egalitären Gruppen. Die Männer dort setzen ihre Vorstellungen gegenüber Frauen dennoch<br />
gegebenenfalls heftig durch. (Dux, 1997: 112ff) Malinowski berichtet von der sehr hohen<br />
Stellung der Frauen im St<strong>am</strong>mesleben bei matrilinearen Stämmen der Trobriand-Inseln an<br />
der Ostspitze Neuguineas, die er von 1914 - 20 untersuchte. Er schränkt aber später ein,<br />
sie hätten nur einen eigenen Einflußbereich. (1979: 316) Sie nehmen in der Regel nicht an<br />
den Beratungen der Männer teil, die – zumindest bei einer bestimmten Festspeise – zuerst<br />
essen, bevor die Frauen den Rest bekommen. (212) Ist ein Kanu draußen auf See zu<br />
langs<strong>am</strong> oder passiert sonst ein Unglück, liegt es wahrscheinlich an der Untreue oder<br />
einem anderen Tabubruch der Frau zu Hause! (244) Sie dürfen ein neues Kanu auch nicht<br />
vor der ersten Fahrt betreten. (267) Dafür seien die Frauen, anders als die in<br />
Nachbarstämmen, herzlich <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>lich, <strong>und</strong> viele von ihnen sehr hübsch! Viele<br />
übernehmen Gartenarbeiten, ein Vorrecht <strong>und</strong> eine Pflicht, <strong>und</strong> andere angesehene<br />
Aufgaben, auch im rituellen Bereich. (80ff) In einem weiteren Band über das<br />
Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien hat Malinowski das weiter<br />
ausgeführt. Beinahe ist es eine Regel bei ihm: erst wird die Freiheit, Bedeutung,<br />
Gleichberechtigung der Frau betont, dann kommen die Einschränkungen, um vielleicht<br />
abschließend nochmal die Rechte der Frau zu betonen. Die Trobriand-Inseln, die von ihm<br />
wieder besprochen werden, haben matrilineare Verwandtschaft gepaart mit patrilokalem<br />
Wohnort; die Frau zieht also ins Dorf des Mannes. (1979 b : 20) Um das Verhältnis der<br />
Geschlechter nur anzudeuten, denn ein Versuch weitgehender Übertragung auf den<br />
<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> wäre doch zu heikel: er macht, wenn nötig, die besonders schwere Arbeit,<br />
ruht sich jedoch immer vor dem Essen aus, das sie zubereitet. Sie ist ausschließlich fürs<br />
Wasserholen zuständig, das macht sie <strong>am</strong> manchmal einen Kilometer entfernten<br />
Klatschzentrum. (31) Küchengeräte <strong>und</strong> Baströcke gehören ihr, Waffen, Werkzeuge <strong>und</strong><br />
die „hochbewerteten Gegenstände“, wie die Halsketten <strong>und</strong> Armreifen des großen<br />
Tauschhandels über viele Inseln, die ich unten bespreche, ihm, der immerhin auch seine<br />
eigenen Sachen ausbessert (ein Bananenblatt als Schurz). (35) Die Frau setzt die<br />
Verwandtschaftslinie fort, das der Mann, ihr Bruder, repräsentiert, der auch die Kinder<br />
seiner Schwestern betreut. Sie kann – auch bei hohem Adelsstand – nie Häuptling werden,<br />
<strong>und</strong> hat „natürlich kein entsprechendes Vorrecht auf Polyandrie“, wie er auf Polygynie.<br />
(41) Sie ist – natürlich – ausgeschlossen von der Macht <strong>und</strong> hat auf<br />
St<strong>am</strong>mesvers<strong>am</strong>mlungen keine Stimme auf dem Dorfplatz. Der ist im Alltag der Platz der<br />
Männer. Die Straße hinter den das Ansehen der F<strong>am</strong>ilien repräsentierenden Lagerhäusern<br />
für die Y<strong>am</strong>sknollen vor den ganz außen stehenden einfacheren Wohnhütten ist ihr<br />
Bereich. Selbst Magie darf sie ausüben: bei Schwangerschaft, Baströcken, Geburt,<br />
Zahnschmerz, Erkrankungen der Geschwülste <strong>und</strong> Genitalien, Fehlgeburt.<br />
Schönheitsmagie, Liebesmagie <strong>und</strong> die nichtöffentliche Gartenmagie – die öffentliche ist<br />
Männersache – dürfen beide Geschlechter ausüben. (46) Die Hexerei einiger Frauen zeigt<br />
die Differenz noch einmal: Zauberer arbeiten gegen Belohnung öffentlich, gewerblich;<br />
ordentlich, füge ich hinzu. Doch die fliegende Hexe ist wild, frißt die Eingeweide ihrer<br />
Opfer; sie ist eine reale Frau, hat geschlechtliche Beziehungen mit übermächtigen, höchst<br />
bösartigen Wesen. Als ihre eigene unsichtbare Doppelgängerin fliegt sie weit umher,<br />
worauf ich zurückkomme; „meist ist sie auch eine starke Persönlichkeit, denn das<br />
scheint zum Stande einer Hexe zu gehören“. (48) Aber sie werden nicht verbrannt,