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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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6 Zur Soziologie der Steinzeit<br />

Das Modell ist eine sehr freie Bearbeitung des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, Anlage D: Um den Charakter des Baus zu<br />

erfassen, wurde das Eingangsfeld, das nur ein Loch zum Einstieg besaß, offen gelassen <strong>und</strong> die Mauer<br />

weniger hoch dargestellt. Sie reichte tatsächlich nach oben bis in die Pfeilerköpfe hinein, wenn die nicht<br />

ursprünglich sogar hinter ihr verschwanden. Kneifen Sie bitte die Augen zus<strong>am</strong>men <strong>und</strong> sehen Sie einmal das<br />

offene Feld als geschlossen <strong>und</strong> dazu die Mauern noch etwas höher an, dann stellen Sie sich vor, wie die<br />

Anlage innen aussieht, wenn Sie gerade den Kopf durch den Eingang gesteckt haben (nächstes Foto) Der<br />

Pfeiler mittig an der Rückwand ist – wie ein hier nicht sichtbarer zweiter – fiktiv, sonst sind die Pfeiler<br />

ziemlich korrekt wiedergegeben. Die großen Pfeiler sind jetzt 5,5 m hoch, der rechts neben dem Eingangsfeld<br />

3,5 m, die anderen um 3,0 m. (frei nach Schmidt, 2008)<br />

Jäger bezeichnet. Es hat offenbar in Südwestasien über einen beträchtlichen Zeitraum fünf<br />

zeitliche Abschnitte mit weichen Übergängen gegeben: (1) Wildbeuterei, (2) Seßhaftigkeit<br />

auf Basis von Wildgetreide <strong>und</strong> Jagdgut, (3) Kultivierung von Pflanzen, dann (4) deren<br />

Domestizierung <strong>und</strong> (5) die Viehzucht. Welche Rolle mag der Tempel in diesem Wandel<br />

gespielt haben? Oder war etwas ganz anderes seine Ursache? Innere Machtprozesse, oder<br />

schlicht das Wetter, das Ende der Eiszeit? Beide können einen gravierenden Einfluß auf<br />

jene, generell konservativen Menschen gehabt haben, die die Geistwesen ihrer<br />

Naturreligion fürchteten, aber offenbar schon eine konzeptuelle Religion entwickelt<br />

hatten. Das geschah kaum ohne (mysthische) Not.<br />

Zur Analyse des Geistigen jener Menschen in so früher Zeit sind zwei Denkansätze von<br />

besonderer Bedeutung. Erstens kann das nur gelingen, wenn mit einem soziologischen<br />

Ansatz der ideelle <strong>und</strong> materielle Prozeß rekonstruiert werden kann, in dem die den<br />

Tempel errichtende Gruppe entstanden war, <strong>und</strong> sofern sich genügend Quellen finden.<br />

Zweitens bedarf es eines präzisen Blicks darauf, es dabei mit modernen Menschen zu tun<br />

zu haben, mit dem Homo sapiens als neue biologische Art, die gegenüber früheren<br />

Hominiden eine weitergehende Geistigkeit <strong>und</strong> Kompetenz erwarb. Die wird auch von der<br />

Archäologie in seinen gegenüber denen der NeandertalerInnen besseren Artefakten<br />

erkannt. Ich werde mich vor allem mit der Zeit vor (!) dem Bau dieses Kultbaus <strong>und</strong><br />

dessen Errichtung beschäftigen. Wesentlich von drei Zugängen her wird analysiert: vom<br />

(1) Bauwerk <strong>und</strong> dessen Umwelt, vom (2) Wissen über das Individuum, dessen<br />

Geistigkeit <strong>und</strong> logischem Weltverständnis, sowie von (3) der Gesellschaft, vom Sozialen<br />

her. Es geht also zuerst darum, von der Kenntnis über den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> in den drei<br />

genannten Bereichen zurück zu fragen, wie alles begann, um dabei seine Entstehung als<br />

realen, empirischen Prozeß in den Blick zu nehmen. Im Moment ist das sicher noch nicht<br />

hinreichend möglich, aber es sind erste Schritte zu tun – im Sinne einer Erk<strong>und</strong>ung, eines<br />

Surveys, wie es in der Archäologie heißt. Für die soziologische Arbeit steht die Reflexion<br />

der Prozeßtheorie <strong>am</strong> Anfang.<br />

Die Bedeutung des modern verstandenen Prozesses wurde wohl erstmals in der<br />

Gesellschaftstheorie von Marx <strong>und</strong> Engels erkannt, wie ich in einer Studie zeige, ( 13 2013)<br />

die mir den <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> in den Blick brachte. Genauer war es die Andeutung eines<br />

Urkommunismus‘ <strong>und</strong> meine wachsenden Zweifel, ob es eine solche Sozialform jemals<br />

gegeben hat? Gegen spekulative Philosophie <strong>und</strong> Schöpfungsgeschichte skizzierten sie 13<br />

Jahre vor Darwins „Entstehung der Arten...“ bereits 1845 ein wissenschaftliches Modell<br />

für die soziale Evolution, die der biologischen Evolution gegenüber steht, Gesellschaftsgegen<br />

Naturwissenschaft. Ihr Basis-Überbau-Modell weist sie als frühe moderne<br />

Soziologen aus <strong>und</strong> begründet ihre „positive Wissenschaft“, unter der sie zugleich die<br />

Erforschung empirischer Prozesse verstanden – beides! Wenn sie auch für ihre<br />

Vorstellung eines Prozesses noch von der Marxschen Dialektik sprachen, unterschied die<br />

sich doch völlig von der idealistischen Dialektik Hegels <strong>und</strong> führte in die Moderne. D<strong>am</strong>it

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