Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 59<br />
soziale Epoche der Menschen <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zuende, die bisher in der<br />
Geschichtsschreibung nicht gesehen wurde. Erst tausende Jahre später wird in Sumer in<br />
gänzlich anderer Umwelt ein weiterer qualitativer Schritt des Bauens getan, wenn es auch<br />
– schon wieder! – sehr frühe Häuser mit dicken Lehmwänden bereits im Proto-<br />
Neolithikum gibt; in Qermes Dere, Irak. (Roaf, 1998: 28) Und solche Lehmbauten<br />
wiederzufinden ist für die Archäologie besonders schwierig, weil der Übergang von<br />
Lehmmauern zum gleichartigen Boden, der sie verschüttete, besonders schwer zu<br />
erkennen ist.<br />
Mit den großen Standbildern <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> lösen – so läßt es sich vorstellen – neue<br />
GöttInnen alte Geistwesen der Natur ab oder ergänzen sie erstmal, ein Vorgang, den wir in<br />
Mythen <strong>und</strong> noch in der griechischen Religionsgeschichte wiedererkennen. Zumindest in<br />
dieser Frage wäre bereits der frühe Zustand Sumers erreicht, sagen uns die ersten<br />
schriftlichen Mythen, die ja bereits von GöttInnen handeln. Und wenn nun ausdrücklich<br />
Männer als Haupt-Götter aufgerichtet werden, kommt der Verdacht auf, es ginge auch<br />
gegen die Frauen, wie es uns Dux <strong>am</strong> Ursprungsmythos zeigte. Wenn dieser Prozeß nicht<br />
schon früher geschah <strong>und</strong> mit dem Kultbau nur einen besonderen Ausdruck erhielt. Die<br />
Geschlechterfrage ist immer wichtig für Männer, bis heute, wenn nicht gerade heute, wo<br />
es richtig ernst wird. 1 Mit einem solchen Blickpunkt paßten auch Götter!-Bilder <strong>und</strong><br />
männliche Initiation gut zus<strong>am</strong>men, wie auch der Phallus als Symbol von Männlichkeit.<br />
Eine noch andere Deutung ergibt sich durch den Boden, das Land. Wohl zweifelsfrei ist<br />
der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> die Macht-Demonstration der Seßhaftigkeit an jenem Ort; seßhaft nicht<br />
im Sinne schon der Landwirtschaft mit Domestizierung von Pflanze <strong>und</strong> Tier. Aber die<br />
gut sichtbare Festlegung einer Region für den eigenen St<strong>am</strong>m! Solches Verständnis zu<br />
einer „eigenen“ Region finden wir bereits bei sehr einfachen rezenten WildbeuterInnen,<br />
wie den Mbuti des Kongo-Urwaldes, auf die ich noch kurz eingehe (auch: BaMbuti).<br />
Niemand baut ja einen solchen Klotz in die Landschaft, um dann anderswo täglich von der<br />
Hand in den M<strong>und</strong> zu leben <strong>und</strong> unter Büschen zu schlafen. Und deshalb könnte hier<br />
passiert sein, was Dux (1997: 237) skizziert, daß die Inbesitznahme <strong>und</strong> der Schutz von<br />
Boden erstens Sache der Männer war, zweitens sich aus diesem Boden für den St<strong>am</strong>m<br />
eine Machtposition ergibt, nach außen gegenüber Fremden, aber auch nach innen, denn<br />
drittens ergibt sich aus der traditionalen Logik, daß die Macht sich aus dem Boden selbst<br />
ergibt <strong>und</strong> den Männern zufällt, weil sie ihn durch ihre Waffen quasi als Heimstatt erst<br />
„erzeugen“. Diese Identität von Macht/ Boden/ Männern war womöglich viel wichtiger<br />
als später die Festigung patriarchaler Agrarstruktur aus dem männlichen Besitz an<br />
Großvieh heraus <strong>und</strong> später dem Pflugeinsatz, wie es oft gesehen wurde.<br />
In mancher Hinsicht scheint es zu sein, als gäbe es ein großes historisches Loch über<br />
die ersten 30 oder sogar 40.000 Jahre nach der Ankunft des Homo sapiens in Europa.<br />
Stilveränderungen in der Bildkunst der Höhlen <strong>und</strong> vielleicht in tragbarer Kunst,<br />
Verbesserungen der Steinwerkzeuge bis hin zu den Steinspitzen <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> müssen<br />
ja zur Zeit in Beziehung gesetzt werden – alle 5.000 Jahre irgendwo eine nennenswerte<br />
Innovation? Solche Vorstellung – wir können ja auch nur: 500 Jahre sagen – erinnert an<br />
die Planlosigkeit/ Zufälligkeit biologischer Mutationen. Zugleich zeigen die ganz frühen<br />
F<strong>und</strong>e eine Qualität, die sich nicht übermäßig von denen unterscheidet, die <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong><br />
<strong>Tepe</strong> gef<strong>und</strong>en wird. Noch einmal sehen wir auf Neuerungsfeindschaft, auf Statik, auf<br />
Abhängigkeit von der Umwelt. Und doch immer auch auf „W<strong>und</strong>erwerke“. 2 Solche<br />
Überlegungen scheinen es noch einmal denkbar zu machen, zwischen dem Auftauchen<br />
des Cro-Magnon-Menschen <strong>und</strong> dem sumerischen Städtewesen im Menschen vom<br />
<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, dem Immer-schon-Homo sapiens, einen normalen Gesprächspartner wie im<br />
fernen Urlaubsort zu finden, als seien wir eben im Ur-Urfa gelandet. So wie die<br />
„Entdecker“ vor 500 Jahren auch keine generellen Verständigungsprobleme hatten, wenn<br />
nur erst eine Dolmetscherin angelernt war.<br />
Frauenmacht?<br />
Eindeutig scheint zu sein, beim Homo sapiens gab es keine historische Stufe (!) eines<br />
Matriarchats. Wann denn? Wo denn? In Australien, bei den scheinbar ursprünglichsten<br />
1 Der Wissenschaftsminister Großbritanniens fordert eben, weiße Jungs als schützenswerte Minderheit<br />
anzuerkennen, um ihnen den Zugang zu Universität durch einen Bonus zu erleichtern. (Spiegel.de 3.1.13)<br />
2 In Lascaux wurden in ungefähr zehn bis zwölf Besiedelungs- <strong>und</strong> Schaffensperioden knapp 70 Bildwerke<br />
mit teilweise mehreren Tieren geschaffen, <strong>und</strong> das ab etwa vor 17.000 Jahren bis zum Ende des Magdalenien,<br />
also etwa bis zum Baubeginn <strong>am</strong> Göbkeli <strong>Tepe</strong>; macht also über ungefähr 5 - 6.000 Jahre eins alle 70 Jahre.<br />
(nach Ruspoli, 1998: 201)