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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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58 Kognition <strong>und</strong> Geschichte<br />

Kasten: Lebensweisen<br />

Nun läßt sich eine S<strong>am</strong>mlung möglicher Abstufungen historischer Lebensweisen<br />

zeigen, wie ich sie vorgestellt habe oder in der Literatur fand. Die<br />

Gegenüberstellungen sind zumeist als Pole einer Geraden () verstehbar, im Sinne<br />

der linearen Zuordnung (als wäre 0=gar nicht bis 6=hoch), nicht als evolutive<br />

Entwicklungen. Auf jeder dieser Linien könnte ein St<strong>am</strong>m von WildbeuterInnen <strong>und</strong><br />

einfachen bäuerlichen Gruppen eingeordnet werden.<br />

Generell gibt es die Geschlechterdifferenz, wobei Matriarchat als Frauenherrschaft<br />

allenfalls als Sonderfall mal vork<strong>am</strong>, maximal gab es nachgewiesen als Typus:<br />

matrifokal=Tochter bleibt bei Mutter, Schwiegersohn zieht zu ihr:<br />

Matrifokalität Patriarchat<br />

In der Zeit bis zu den alten Griechen (<strong>und</strong> darüber hinaus) gilt, alle Gruppen des<br />

Homo sapiens denken animistisch, Abstufungen sind möglich, für alle gilt auch, sie<br />

denken prä-operational, vielleicht sind sehr schlichte Gruppen darin in einem unteren<br />

Bereich zu verordnen, das Tomasello als Phase der geistigen Akteure kennzeichnet<br />

(gemeins<strong>am</strong>e Aufmerks<strong>am</strong>keit, Imitationslernen ab vier Jahren):<br />

prä-Animismus Animismus Religion<br />

prä-operationales/ traditionales <strong>Denken</strong>, erstes Vorkommen:<br />

konkret-operational bei Eliten Sumer, Ägypten; <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>?<br />

formal-operational bei Aristoteles;<br />

eine Aufteilung des prä-operational wäre vielleicht<br />

geistige Akteure ab 4 Jahren proto-konkret-operational<br />

Dabei gilt nicht, es gäbe Übereinstimmungen wie prä-animistisch=frühe prä-<br />

Operationalität, oder früher Religion entspräche konkreter Operationalität; das gilt<br />

entsprechend für die weiteren verendeten<br />

Abstufungen der Lebensweisen:<br />

Wildbeuterei ohne mit Vorratshaltung<br />

simple Wildbeuterei komplexe, seßhafte Wildbeuterei<br />

Wildbeuterei domestizierender, seßhafter Landbau<br />

Gleichheit aller soziale Differenzierung Herrschaft<br />

Herden- Sippen- Individualbewußtsein<br />

Es wird wieder deutlich, daß es keinen Ges<strong>am</strong>tmaßstab gibt, in dem jedem St<strong>am</strong>m<br />

eine Punktzahl zuzuordnen ist. Die Liste ließe sich verlängern:<br />

friedliche gefährliche unterdrückende Nachbarn<br />

leicht erreichbare Nahrung entfernte Nahrung gefährliche Tiere<br />

Und was es noch so geben mag. Gerade die letzten, nur noch andeutenden<br />

Unterscheidungen können durchaus wichtig sein. Bei den Mbuti werden wir noch von<br />

den Beziehungen zu den Nachbarn hören. Schon die Umwelt allein ist unter<br />

Umständen auch in scheinbar günstigen Lagen von Bedeutung. Da läßt sich nicht<br />

generell sagen, das Leben als S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong> Jäger sei leicht, nur zwei drei<br />

St<strong>und</strong>en S<strong>am</strong>meln täglich, wie es oft zur Untermalung der Frage betont wird, warum<br />

Menschen denn überhaupt seßhaft werden wollten. Und jene zu fragen, die den Schritt<br />

nicht gingen, ergibt natürlich (!) die Antwort: Warum sollten wir?<br />

Die !-Kung * beispielsweise, simple WildbeuterInnen der Kalahari, leben zum Teil<br />

im Busch, also zwischen relativ dicht stehenden Büschen, das ist unübersichtliches<br />

Gelände mit gelegentlich umherstreifenden Raubtieren; deshalb lassen die !-Kung ihre<br />

Kinder von 5 - 15 Jahren nicht s<strong>am</strong>meln, die also im Lager an der Wasserstelle<br />

bleiben, das zudem vom S<strong>am</strong>melgut relativ weit entfernt ist. Anders der nur noch<br />

kleine, ebenso simple St<strong>am</strong>m der Hadza in Nord-Tansania. Das Gelände ist weithin zu<br />

überblicken, die Nahrung wächst näher <strong>am</strong> Lager mit der Wasserstelle, Kinder werden<br />

vom Hin- <strong>und</strong> Herlaufen nicht so schnell müde, <strong>und</strong> es gibt <strong>am</strong> S<strong>am</strong>melort mehr<br />

Schatten als im Busch; dort s<strong>am</strong>meln die Kinder selbst.<br />

Diese Unterschiede sind nicht nur für den „Energiehaushalt“ markant, die !-Kung<br />

haben es generell schwerer <strong>und</strong> müssen dazu noch die Nahrung für die Kinder mit<br />

ranschleppen. Das ist auch für die Sozialisation von Bedeutung. Die !-Kung sind um<br />

ihre Kinder viel besorgter, sind sie außer Sicht, wird schon gerufen <strong>und</strong> gesucht. Das<br />

ist bei den Hadza nicht nötig, die strenger mit den Kindern sind. (Jones u. a., 1994)<br />

* überlicherweise werden die „!Kung“ in dieser Weise geschrieben, um einen Klick-o der Schnalzlaut<br />

anzuzeigen; da mein Schreibprogr<strong>am</strong>m dann trennen würde, schreibe ich !-Kung.

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