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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 55<br />

der Zivilisation <strong>und</strong> auf einen relativ „modernen“ Menschen. Immer wieder das strukturell<br />

gleiche Thema mit entsprechend der Zeit neuem Inhalt; heute heißt es der Konflikt der<br />

Generationen. Das Bauwerk: Stadt steht selbst für neue Fähigkeiten, für ein erweitertes<br />

Weltbild. In den Keilschriften fanden sich dazu wichtige Bereiche: besprochen wurden<br />

unter anderem Ehre <strong>und</strong> Selbstbeherrschung, die für ein Zus<strong>am</strong>menleben auf engem Raum<br />

schnell eine wichtige Bedeutung bekommen. Auch über das Selbst der StädterInnen –<br />

beziehungsweise eher das der Städter – wurden Texte gef<strong>und</strong>en, über Würde, Sch<strong>am</strong> <strong>und</strong><br />

Schuld gesprochen. (102, 267, 405, 492) Obwohl es keine generelle Herabsetzung der<br />

Frauen gab, so wurde doch in Einzeltexten <strong>am</strong> Verstand der Frau gezweifelt. Der galt<br />

jedoch als von den GöttInnen gegeben; leider hatten Frauen keinen eigenen persönlichen<br />

Gott, sondern fielen unter den Einfluß jenes des Vaters oder des Ehemanns,<br />

gegebenenfalls jenen des Bruders. (385, 389; irgendwie langweilig diese Geschichte, nicht<br />

wahr?) Doch waren ja alle Menschen den GöttInnen untergeordnet, nicht autonom.<br />

Allerdings waren sie ihnen nicht passiv ausgeliefert. In Mesopot<strong>am</strong>ien wurde versucht,<br />

„den Einzelnen in die gesellschaftliche Ordnung zu integrieren, die Verantwortung des<br />

inneren Selbst mit dem öffentlichen Selbst, der Ausübung sozialer Rollen, Einfüllung von<br />

Pflichten in Einklang zu bringen“ – schreibt Steinert –, das innere Selbst sollte<br />

verantwortlich handeln, Emotionen kontrollieren, sich an kulturellen Maximen orientieren<br />

<strong>und</strong> sich in die bestehende Ordnung integrieren. Es ginge um Pietät, Respekt vor<br />

moralischen <strong>und</strong> sozialen Autoritäten, Wahrheitsliebe <strong>und</strong> Pflichtgefühl; innerhalb dessen<br />

sei Individualität der Person wahrgenommen worden. (532) Im frühen Sumer war<br />

Gehors<strong>am</strong> so etwas wie Staatsverständnis, die höchste Tugend. (Jacobsen, 1954: 222ff)<br />

Allen Älteren <strong>und</strong> den Eltern <strong>und</strong> Geschwistern gegenüber wird Gehors<strong>am</strong> eingeübt. Die<br />

Menschen Mesopot<strong>am</strong>iens – heißt es dort – seien überzeugt davon gewesen, daß die<br />

Obrigkeit stets recht habe. So wie ja auch Eltern für Kleinkinder heute noch so etwas wie<br />

Gott sind (gab es schon eine geistig spürbare Pubertät?). Eine führerlose, unorganisierte<br />

Menge sei nutzlos. Und hinzu k<strong>am</strong> in Sumer die Vorstellung: der Mensch war geschaffen<br />

worden, Sklave der GöttInnen zu sein, Sklave des Staates dieser GöttInnen, der der<br />

eigentliche Staat war. In dem richtig zu funktionieren war auch die (einzige) Möglichkeit,<br />

einen hinreichenden Platz im Sozialwesen zu finden, der Sicherheit bot. Anders als in<br />

anderen prä-operationalen Gemeinschaften oft zu finden, wurden in Mesopot<strong>am</strong>ien<br />

anormale Kinder integriert, sagt Steinert. (40) Insges<strong>am</strong>t galt der Mensch nicht als Körper-<br />

Geist-Komplex (mit einer Seele), sondern wurde als plural verfaßtes Wesen (mehrere<br />

Seelen) aufgefaßt; (121) jener Zustand, den Lévy-Bruhl zurück weist, der stattdessen das<br />

„Doppel-Ich“ sieht. (1910: 65) Der menschliche Körper wurde auch als Metapher für<br />

Elemente der Gesellschaft genutzt, heißt es bei Steinert. (533) In den Stadt-Staaten<br />

entstand ein Rechtsystem, wie es für prä-operationale Gemeinschaften erwartbar ist.<br />

Einerseits nach Art der Sharia, das sich in Körperstrafen ausdrückte, wie dem Enthaupten,<br />

das nicht nur töten sollte, sondern symbolische Formen hatte. (139ff) Andererseits<br />

entstand eine Verwaltung mit entsprechenden Rechtsvorstellungen. Aber es ging eben<br />

auch schon um den bewußten Aspekt der sozialen Kontrolle des Einzelnen <strong>und</strong> die<br />

individuelle Reflexion der Person.<br />

In der Tat also moderne Themen, die zur Person in Mesopot<strong>am</strong>ien gef<strong>und</strong>en wurden.<br />

Offenbar haben die zum Teil spärlichen ersten archäologischen F<strong>und</strong>e <strong>und</strong> die generelle<br />

Überheblichkeit in Europa gegenüber anderen Zivilisationen, wie schon bei den „Wilden“<br />

in aller Welt, ein Bild relativer Rückständigkeit dieses historischen Fremden mit<br />

produziert: Eis- oder Steinzeitmenschen. Doch mit Zivilisation haben wir es schon länger<br />

zu tun, wie wir auch <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> wieder sehen. Möglicherweise sehen wir mit dem<br />

Blick nach Sumer eine Richtung der Entwicklung dieses Tempels; wenn der Berg Duku<br />

doch im Nordwesten Sumers lag, von dem wichtige kulturelle Elemente k<strong>am</strong>en, <strong>und</strong> nicht<br />

im Osten. Landbau, Viehzucht <strong>und</strong> Weberei passen gut zum Kultbau als zivilisatorisches<br />

oder kulturelles Zentrum der Steinzeit. Auch die Verbindung über den nahe liegenden<br />

Euphrat zum Persischen Golf unterstützt eine solche Vorstellung. Doch die Geburt dieser<br />

Stadt-Staaten scheint ganz im Dunkel zu liegen, außer daß sie sich in relativ kurzer Zeit<br />

aus Ans<strong>am</strong>mlungen von Dörfern entwickelten. Indien ist als Herkunft des Sumerischen<br />

Volkes mit seiner ganz eigenen Sprache im Gespräch. Es könnte doch auch schon immer<br />

dort gelebt haben oder von sonstwo gekommen sein. Doch daß die Kultivierung des<br />

Schafes Hirtenvölker nach Südosten in die Schwemmlandebenen führte, klingt auch<br />

plausibel (auch nach „Grashalm“, um sich an irgendetwas festzuhalten, wo wir keine<br />

Ahnung haben).

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