Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 49<br />
dem Auszug aus Afrika ergänzt haben? Kreolsprachen sind daher ein weiterer Beleg für<br />
die Fähigkeit, im alltäglichen Prozeß durch Interaktion Sprache zu generieren, ohne daß<br />
Sprachmodule (Chomsky) oder dergleichen unterstellt werden müßten. So ist auch für die<br />
Menschen <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> nachvollziehbar, daß mit der Entwicklung des religiösen<br />
<strong>Denken</strong>s, das zum Bauwerk führte, die dafür hinreichend reflektierte Sprache ausgebildet<br />
werden konnte. Die zum eigentlichen Bauen nötige zusätzliche Sprachkompetenz war<br />
relativ gering, auf das Handwerkliche beschränkt.<br />
Bei solchen Betrachtungen sei allerdings an die Begrenzung früherer Denk- <strong>und</strong><br />
Sprechfähigkeit noch einmal erinnert, nachdem hier die besondere Leistung betont wurde,<br />
die schon Kinder des prä-operativen Stadiums typischerweise erbringen: „Die wirkliche<br />
Schwierigkeit beim primitiven <strong>Denken</strong>“ – sagt Hallpike – „liegt darin, daß vieles in<br />
Handlungen <strong>und</strong> konkreten Symbolen ausgedrückt wird <strong>und</strong> in soziale Institutionen <strong>und</strong><br />
Gebräuche eingekleidet ist – daß es, kurz gesagt, nicht artikuliert“ wird. (1990: 85)<br />
Praktisches Lernen beruht auf Zuschauen <strong>und</strong> Nachahmen (das war übrigens noch in<br />
meiner Lehre so). Handeln kann oft nicht verbal ausgedrückt werden. Es geht also um ein<br />
historisch relativ (!) komplexes Sprechen, das aber den alltäglichen Anforderungen<br />
gewachsen ist beziehungsweise angepaßt werden kann. Sprache sei auch nicht eng mit der<br />
Intelligenz (IQ) verb<strong>und</strong>en. (94) <strong>Denken</strong> <strong>und</strong> Sprache entstehen unterschiedlich. Sprache<br />
ist nicht gleich dem <strong>Denken</strong>, entspricht aber wohl dem Bewußtsein. „Der Gebrauch der<br />
Sprache ist somit nicht nur ein Anheften von Etiketten an die Gegenstände; man muß<br />
vielmehr lernen, durch Tun erworbene oder auf Bildern beruhende Vorstellungen auf<br />
der Stufe des verbalen <strong>Denken</strong>s zu rekonstruieren“. (Hv. h.; 96)<br />
Diese Hinweise mögen reichen, um zu einer Vorstellung über die sprachliche<br />
Kommunikation beim Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> zu kommen. Schmidt spekuliert sogar<br />
angesichts bestimmter Reliefs nachvollziehbar über erste Schriftsymbole. 1 (2008: 209f)<br />
Folgen wir ihm – für einen Moment – auch in der Vermutung, nicht kleiner Hackbau <strong>am</strong><br />
Lager <strong>und</strong> dann <strong>am</strong> eigenen „Bauernhof“ sei der Keim des seßhaften Landbaus gewesen,<br />
sondern der habe sich aus der gemeins<strong>am</strong>en Nutzung großer Wildgetreideflächen ergeben,<br />
aus einer Art Landschaftsmanagement, 2 wenn nicht die Versorgung der Bauleute den<br />
Landbau überhaupt habe entstehen lassen, dann sehen wir hier eine Häufung von<br />
Fähigkeiten <strong>und</strong> Entwicklungen, die ein entsprechend weit entwickeltes Wissen <strong>und</strong><br />
<strong>Denken</strong> sichtbar machen (das durch Alkoholsucht mittels Bierbrauens kaum gestärkt<br />
wurde). Warum soll es eine „jägerische ‚Hochkultur‘“ gewesen sein? (Hv. h.; Schmidt,<br />
2008: 210) Dux hält es für plausibel, der Erwerb der Sprache sei den Anforderungen der<br />
Großwildjagd zuzuschreiben, um zu zeigen, Handlungskompetenz sei mächtigster Antrieb<br />
für sie. (2008: 293; andere Töne: 305) Ob nicht solche Jagdform für die Entwicklung des<br />
Menschen eher randständig war? Die Antwort auf diese Frage nach der<br />
Sprachentwicklung „schreit“ doch geradezu nach schon weitgehend verstätigten Lagern<br />
der Frauen. In ihnen wird vor allem die Sprache um das jeweils nötige Quantum weiter<br />
entwickelt, weniger auf der Jagd oder bei der Waffenherstellung. Bei den Frauen lernen<br />
Kinder die Sprache; allerdings gibt es Hinweise auf frühe spezielle Frauensprachen,<br />
beispielsweise im Sumerischen. (Krecher, 1993; Lévy-Bruhl, 1910: 151, erwähnt solche<br />
auch <strong>und</strong> dazu Geheimsprachen für magische Praktiken) Die Initiation der Jungen zu<br />
Männern hätte d<strong>am</strong>it eine zusätzliche Funktion: die gegenüber Frauen geheimen Anteile<br />
der Männersprache zu übernehmen, sozusagen die Ordnung selbst. Eine Entwicklung mit<br />
einem so großen Sprung beginnen zu lassen, von der unmittelbaren „Hand in den M<strong>und</strong><br />
Nutzung“ des Wildgetreides hin zum kollektiven Landschaftsmanagement, scheint aber<br />
auch problematisch. Viele kleine Schritte – über einen Windschutz zur Hütte, über die<br />
Zufallsentdeckung wieder aufkeimender Pflanzen <strong>am</strong> Abfallplatz (Graebner) <strong>und</strong> so fort –<br />
sind auch für die Weiterentwicklung einer vollwertigen Sprache plausibler; die<br />
Geistwesen/ GöttInnen der Neuerungsfeinde mußten das auch immer zulassen.<br />
1 Ruspoli (1998) denkt sogar schon bei den unidentifizierten „Zeichen“ der Höhlenmalerei in Lascaux an<br />
Verständigung; auch an solche während der Jagd bei Handabbildungen, bei denen oft Glieder zu fehlen<br />
scheinen; dieser Eindruck kann durch Umknicken von Fingergliedern erzeugt werden. Das Abschneiden von<br />
Fingergliedern in besonderer Situation ist bei rezenten Urvölkern aber belegt. Es gibt beim Volleyball heute<br />
solche Zeichen hinter dem Rücken für die hinten stehenden Te<strong>am</strong>mitglieder.<br />
2 Eine ganz andere Entwicklung sieht – streng „naturwissenschaftlich“ – Reichholf (2008), der für die<br />
Frühzeit im wildreichen Afrika von Fleisch als Gr<strong>und</strong>lage ausgeht. Er sieht Stufen der Evolution durch<br />
Wohlstand (nicht Mangel, wie es auch vertreten wird) entstehen. Die Seßhaftigkeit entwickelt sich bei ihm<br />
durch das frühe Bierbrauen aus Wildgetreide, das dann (als unintendierte Folge) den Ackerbau als<br />
Lebensweise hervorbrachte. Alkoholsucht als Basis der Zivilisation, ein typisch männlicher Gedanke, sie ließe<br />
sich auch als Hemmschuh begreifen. Über Arbeitsteilung <strong>und</strong> Geschlechterbeziehung verliert er kein Wort.