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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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46 Ursprung des Animismus‘<br />

– sehen wir –, doch für das Erkennen seines realen Werdens haben wir noch nicht<br />

genügend konkretes Wissen; ob es überhaupt möglich sein wird, scheint offen.<br />

Traditionale Logik, deutlich aufgehoben in jeder Form des Numinosen, versteht die Welt<br />

völlig anders! Und das durchaus in einer gewissen – traditionalen, subjektivischen –<br />

Logik, die aber von unserem <strong>Denken</strong> deutlich unterschieden ist. Die Menschen vom<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> dachten also ganz anders als wir es heute tun! Dennoch hätten wir uns bei<br />

Kenntnis ihrer Sprache ganz gut mit ihnen verständigen können, wie auch mit jenen des<br />

frühen Sumers oder Ägyptens; so wie mit den einfachen Leuten in den Urlaubsländern der<br />

Dritten Welt. Mit der verinnerlichten Erfahrung, die Welt sei animistisch organisiert,<br />

scheint auch religiöses <strong>Denken</strong> rational (irgendwie; aber nicht: „wahr“).<br />

Sprache<br />

Wurde bisher zuerst vom (1) Bauwerk selbst <strong>und</strong> seiner Umwelt her nach den<br />

Menschen vom <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> gefragt, dann von der (2) Entstehung des Individuums, folgt<br />

jetzt der (3) Blick von der Gesellschaft her; dabei gibt es weiche Übergänge, <strong>und</strong> die<br />

Einordnung der Sprache mag zweifelhaft sein. Sie folgt auch dem <strong>Denken</strong> eher, als daß sie<br />

es ausbildet, wenn auch nur eine geringe Distanz zum Ausdrücken des Gedachten besteht,<br />

wie wir oben sahen; im Bewußtsein scheinen sich beide zu verbinden. Welche Sprache<br />

mag <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> vor 12.000 Jahren gesprochen worden sein, aus was für einer<br />

Sprachgruppe k<strong>am</strong> sie? Gesichertes Wissen darüber gibt es nicht, aber verschiedene<br />

Thesen. Aus Afrika kommend haben die Menschen vor 70.000 Jahren wahrscheinlich eine<br />

Ursprache mitgebracht, (>Burenhult: „Protowelt“; 2004: 144f) die also auch diejenigen<br />

sprachen, die bereits vor etwa 60.000 Jahren die Welt in Richtung Australien besiedelten,<br />

bevor Homo sapiens vor 50.000 Jahren den Raum von den Pyrenäen bis Sibirien erreichte.<br />

Dabei denke ich an eine „Vollsprache“, nicht an eine eingeschränkte, wie eine<br />

Pidginsprache, auf die ich zurückkomme. (Bußmann, 1990) Die Menschen waren also in<br />

der Lage, die wesentlichen Elemente ihres <strong>Denken</strong>s, Fühlens, Wollens in Sätze zu fassen;<br />

wenn auch mit der erwähnten beschränkten Möglichkeit des Sprechens gegenüber dem<br />

Alltagshandeln, das wir bei Kindern noch finden. Das heißt also nicht, es habe nicht noch<br />

Entwicklungen gegeben, eine wachsende Komplexität etwa der Gr<strong>am</strong>matik, wie<br />

Tomasello sie vermutet: „Gr<strong>am</strong>matikalisierung <strong>und</strong> syntaktische Schematisierung sind<br />

in der Lage, in relativ kurzen Zeitspannen bedeutende Veränderungen der sprachlichen<br />

Struktur zu bewirken“. Er sieht im Homo sapiens jene Menschen, die „als erste<br />

symbolisch zu kommunizieren begannen, indem sie möglichwerweise einfache<br />

symbolische Formen verwendeten, die analog sind zu denen, die von Kindern verwendet<br />

werden. Dann zerstreuten sie sich über die ganze Welt, so daß alle gegenwärtigen<br />

Sprachen ursprünglich auf jene einzige Protosprache zurückgehen“. (2006: 62f) Nord-<br />

Mesopot<strong>am</strong>ien könnte zur hier interessierenden Zeit jedoch stattdessen (wie der Nahe<br />

Osten) einer afroasiatischen Sprachgruppe angehört haben. Die Einwanderung der<br />

IndoeuropäerInnen (IndogermanInnen), die die heutigen westeuropäischen Sprachen<br />

weitgehend bestimmt haben, begann nach der einen Auffassung erst vor etwa 6.000<br />

Jahren; sie verbesserten die bereits zuvor entwickelte oder eingeführte Landwirtschaft<br />

durch Einführung des Pflugs. (in Hauska, 2005: 149, 154) Eine aktuelle Studie stützt die<br />

These, es habe vor 9.500 Jahren wahrscheinlich eine anatolische Sprachgruppe gegeben,<br />

aus der Indoeuropäisch entstand. 1 Strittig ist auch, ob sich während der Eiszeit eine<br />

vaskonische Sprache entwickelt hat, deren Reste sich im sehr alten <strong>und</strong> nichtindoeuropäischen<br />

Baskischen noch andeuten könnten. Neuere Gen-Analysen der<br />

Wanderungen über die Welt werden zur Unterstützung herangezogen. Es habe entlang der<br />

Pyrenäen ein Rückzugsgebiet vor dem Eis gegeben, in dem diese Sprache entstanden sei<br />

<strong>und</strong> <strong>am</strong> Ende der Eiszeit sich durch neue Besiedelung nach Osten, vielleicht auch nach<br />

Nordafrika ausbreitete. (H<strong>am</strong>el, 2007: 188ff, nach Vennemann; kritisch in Hauska, 2005:<br />

113) Strittig ist ebenso die Existenz einer nostratischen (heimischen) Sprachgruppe, die<br />

große Teile der Welt <strong>und</strong> auch das spätere Indoeuropäische enthalten habe. Sie wäre um<br />

9.500 vC entstanden (also zur Zeit des Baubeginns des Kultbaus), afroasiatisch erst um<br />

8.000 vC, sagt Haarmann; seiner Meinung nach ist eine weiter als 10.000 Jahre<br />

zurückreichende Zuordnung linguistisch nicht möglich. Er nennt vier mögliche historische<br />

Sprachstadien: Homo erectus konnte demnach die Lautnachahmung <strong>und</strong> besaß die<br />

Fähigkeit zur symbolischen Tätigkeit. Die NeandertalerInnen erweiterten die<br />

1 Die These, das Indoeuropäische habe sich ab vor 9.500 Jahren von Anatolien aus <strong>und</strong> nicht aus der nördlich<br />

liegenden Steppe verbreitet, erfährt eben mittels einer neuen Analyseform eine deutliche Aufwertung.<br />

(Scinexx.de 24.8.12) Aber was war vorher, vor 12.000 Jahren?

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