Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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post@LarsHennings.de 45<br />
Himmel oben <strong>und</strong> Erde unten sind – also gibt es eine subjektive Kraft, die beide<br />
auseinander hält, d<strong>am</strong>it Mensch <strong>und</strong> Tier dazwischen leben können. Es handelt sich<br />
offenk<strong>und</strong>ig um eine Kraft in verschiedenen Zuständen, mal ist sie still mal stürmisch, sie<br />
„lebt“. Das erleichtert es, eine subjektive, also eine handelnde Kraft zu erkennen; doch<br />
auch ein still liegender Stein, an dem solche Menschen sich stoßen, hat den Stoß<br />
verursacht. Moderne Kinder schimpfen ebenfalls mit dem Stuhl, gegen den sie gerannt<br />
sind. Solche Vorstellungen finden sich vielfältig in den die rezenten Urvölker<br />
beschreibenden <strong>und</strong> analysierenden Arbeiten.<br />
Wie ein Mensch handelt, um ein Ziel zu erreichen, so machen es in der prä-operativen<br />
Vorstellung auch andere Kräfte. Etwas erreichen wollen, etwas zu verursachen, dient<br />
einem Zweck, einem Ziel. Daher sind im traditionalen <strong>Denken</strong> Ursache oder Ursprung mit<br />
dem Ziel identisch, die Ursache ist aber zugleich die größere Kraft, da sie ihr Ziel<br />
erzeugen kann, hörten wir schon zum Ursprungs-Mythos oben. Da äußerst sich die über<br />
das Schema verinnerlichte kindliche Erfahrung. Zwar wird das Ziel nicht immer erreicht,<br />
es gibt andere Kräfte, die durch die Kraft eines subjektiven Geistes/ Geistigen dazwischen<br />
funken können, wie etwa ein Blitz ein Pferd scheuen läßt, obwohl der Pferde-Gott ein<br />
Opfer erhielt. Insofern ist das Leben kompliziert, aber solche Widersprüche stören nicht,<br />
zerstören nicht das Schema; es war also noch eine andere Kraft dort, gewollt von einem<br />
(anderen) Gott... Die verschiedenen Kräfte, alles Geistwesen mit subjektivem Willen, gilt<br />
es zu ordnen – <strong>und</strong> zu beeinflussen, durch Gebete, Opfer. Aber dieses Komplizierte ist<br />
noch recht einfach: offenk<strong>und</strong>ig umkreisen Sonne <strong>und</strong> Mond eine Scheibe, wie sollten sie<br />
sonst <strong>am</strong> nächsten Tag wieder den Weg im Osten beginnen? Ein solches traditionales<br />
<strong>Denken</strong> kann unmöglich von dem Schmetterlingsflügel auch nur etwas ahnen, der auf der<br />
anderen Seite der Welt – die es gar nicht gibt, dort ist die Unterwelt des Todes – einen<br />
Sturm auslöst (wie sollte sich ein Mensch auf der Unter-!-Seite einer Kugel halten?). Es<br />
ahnt auch nicht, daß eine Ursache sich selbst auf dem Weg zum Ziel verändern kann. Es<br />
sind tatsächlich ja nicht unbedingt fremde Kräfte, die ein Ziel verfehlen lassen, wenn es<br />
sich beim einfachen Speerwurf auch so ausnehmen mag. Sondern ein sich selbst<br />
verändernder Prozeß kann dieses bewirken, ein zieloffener Prozeß, der neben direkten,<br />
rational angestrebten Wirkungen auch noch unintentierte Nebenwirkungen bewirkt,<br />
bewirken muß. Jene prä-operative Logik sieht also in Ursachen von Ereignissen immer<br />
schon das Ergebnis direkt mit dem Ziel verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> andersrum das Ziel direkt mit der<br />
Ursache im Sinne einer Teleologie, einer auf ein schon festgelegtes Ziel bestimmten<br />
Identität beider, wie es ebenfalls noch in der idealistischen Philosophie des 19.<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts vertreten <strong>und</strong> manchmal bis heute gesehen wird. In diesem <strong>Denken</strong> ist dann<br />
etwas erklärt, wenn dessen Ursache oder der Ursprung gef<strong>und</strong>en ist. 1 Erst moderne Kinder<br />
überwinden diese Vorstellung mit Hilfe der Bezugspersonen <strong>und</strong> später der Erfahrung mit<br />
Technik (Laufrad...) <strong>und</strong> der Beschulung. Auch wenn es ähnlich klingt, vom Ursprung<br />
(Willen eines Geistes/ Gottes) her direkt das Ziel zu erklären, ist es doch etwas ganz<br />
anderes als einen modern verstandenen Prozeß erst zu analysieren <strong>und</strong> ihn dann von<br />
seinem Beginn her zu rekonstruieren. 2<br />
Wir verstehen heute im Prozeßverlauf dessen Abhängigkeit von seinen einzelnen<br />
Elementen <strong>und</strong> Ereignissen zu jedem Zeitpunkt dieses Prozesses <strong>und</strong> also auch, daß<br />
jederzeit das Zus<strong>am</strong>menspiel wechselwirkender Par<strong>am</strong>eter eine ganz neue Richtung des<br />
Prozesses bewirken kann, kleine Änderungen vielleicht große Wirkungen haben. Eine<br />
Ursache ist der Beginn jeder Entwicklung, aber analytisch gesehen liegt darin eben nicht<br />
zugleich ihr Ende, sondern nur der Anstoß. Daher denken wir heute bei der Erforschung<br />
einer Entwicklung zuerst in Schritten der Analyse zu ihrem Beginn zurück – im <strong>Denken</strong> zu<br />
ihren „Gr<strong>und</strong>-Begriffen“ –, <strong>und</strong> eben nicht direkt an eine teleologisch verstandene<br />
Ursache, die uns ihr Ziel unmittelbar verrät, ja, schon bevor es erreicht ist. Statt von einer<br />
Identität: Ursache/ Ziel her, versuchen wir danach im zweiten Schritt, nachdem wir den<br />
Prozeßbeginn erkannt zu haben glauben, den tatsächlich stattgef<strong>und</strong>enen Prozeß in seinen<br />
Schritten <strong>und</strong> Veränderungen der Richtungen zu rekonstruieren. Gelingt dies, ist die<br />
Erklärung gef<strong>und</strong>en. Wir sehen den Kultbau <strong>und</strong> fragen zurück, wie er entstehen konnte,<br />
welche baulichen <strong>und</strong> sozialen Vorbedingungen erfüllt sein mußten. Da findet sich einiges<br />
1 Als Extrem entstand so Hegels Weltgeist. Wenn in jedem Ziel der Ursprung, in jedem Ursprung dessen<br />
Ziel als Identität enthalten ist, gilt das auch für die ganze Welt <strong>und</strong> deren (teleologisches) Ziel. Zugleich<br />
werden alle Ereignisse als subjektiv, handelnd verstanden, also sozusagen auch als Wille (!) des Ursprungs =<br />
Geistwesen = GöttIn = Weltgeist = absoluter Geist der idealistischen Philosophie. (mehr: Dux, 2008: 123ff)<br />
2 In der älteren Philosophie beginnt dieser Gedanke mit der Methode: absteigen - aufsteigen <strong>und</strong> wird von<br />
Marx als Methode der politischen Ökonomie (seine: Dialektik) prozeßhaft weiter geführt. (Hennings, 13 2013).