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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 41<br />

Kasten: Elemente kindlicher Entwicklung<br />

nach Tomasello (2006)<br />

(A) die Neunmonatsrevolution, Indentifikation mit primär sorgender Bezugsperson,<br />

ab sieben bis acht Monaten, intentionale Akteure<br />

(A2) Sprachlernen,<br />

(B) ab etwa vier Jahren: geistige Akteure, Szenen gemeins<strong>am</strong>er Aufmerks<strong>am</strong>keit,<br />

Imitationslernen<br />

(B2) moralische Urteile<br />

(C) Simultanlernen, Eindenken in eine fremde Perspektive<br />

(D) Selbststeuerung <strong>und</strong> Metakognition , mit fünf bis sieben Jahren Verinnerlichen<br />

der Regeln Erwachsener, nachdenken <strong>und</strong> sprechen über Problemlösungen<br />

ein Vogel auf einem Baum, <strong>und</strong> beide gehören deshalb zus<strong>am</strong>men. Deduktive oder<br />

induktive Schlüsse, vom Besonderen auf das Allgemeine oder andersrum, kann ein Kind<br />

im prä-operativen Stadium nicht ziehen; es denkt vom Besonderen zum Besonderen<br />

(transduktiv). Es ist „Realist“, was es sieht <strong>und</strong> fühlt gilt für alle Menschen<br />

gleichermaßen <strong>und</strong> ist real (auch Träume). Objekte erscheinen statisch, Veränderungen<br />

werden nicht als prozeßhaft erkannt; das Kind sieht einen Zustand nach dem anderen. Eine<br />

Ursache <strong>und</strong> deren Wirkung/ Ziel wird nicht als kausal verstanden, beide stehen<br />

sozusagen gleichberechtigt nebeneinander. Auch hier gilt, der aktuelle Umgang, sein<br />

Verhalten in der realen Welt, ist besser entwickelt als die sprachliche Erklärung.<br />

(Hallpike, 1990: 27ff) Bei der Übereinstimmung der Auffassungen prä-operativer Kinder<br />

in modernen Gesellschaften mit jenen von Kindern <strong>und</strong> Erwachsenen in traditionalen<br />

Gemeinschaften ist aber zu bedenken: Erwachsene haben mehr Erfahrung, Wissen <strong>und</strong><br />

Selbstsicherheit als ihre Kinder – d<strong>am</strong>als wie heute! Gerade letztere ist bedeutend,<br />

Unwissende wissen auch über mögliche Zweifel <strong>am</strong> Wissen nichts, sind insofern<br />

selbstsicherer als andere; Zweifel <strong>am</strong> eigenen Lebensmodell gab es gegenüber den weißen<br />

Eroberern nicht, zeigen viele Berichte.<br />

Wir wollen mit Tomasello (2006) noch tiefergehend fragen, wie es zur kulturellen<br />

Entwicklung des menschlichen <strong>Denken</strong>s kommt. Er steht mit seinen Forschungen zur<br />

Ontogenese – im Anschluß auch an Piaget – für eine nicht-nativistische Vorstellung. Er<br />

sieht – wie Dux – das menschliche Gehirn aus dem Tier-Mensch-Übergangsfeld mit<br />

allgemeinerer Fähigkeit entstehen. Beispielsweise wird Sprache von Tomasello aus der<br />

frühen Interaktion primär aus dem Wechselspiel mit der Bezugsperson erklärt, nicht aus<br />

vorgegebenen genetischen Strukturen (Nativismus, wie bei Chomsky; zur<br />

Sprachentstehung kurz: Hennings, 13 2013). Er analysiert den Übergang vom Primaten zum<br />

Menschen <strong>und</strong> untersucht die Mechanismen, Funktionen <strong>und</strong> Strukturen der Ontogenese.<br />

Ab etwa zwölf Monaten entfernten Kinder sich von Primaten. (113) Insbesondere bauten<br />

Schimpansen nicht auf bestehende Kulturleistungen auf, um ihre Gruppe weiter<br />

voranzubringen (soziales Lernen von Generation zu Generation, „Wagenhebereffekt“),<br />

wie Menschen es heute anstreben, ihre vorgef<strong>und</strong>ene Umwelt einen Schritt voran zu<br />

bringen (rezente Urvölker tun das nicht, im Gegenteil kl<strong>am</strong>mern sie sich an das Leben,<br />

wie es die Ahnen führten). Tomasello betont mit seinen aktuellen Forschungen an Kindern<br />

(<strong>und</strong> Schimpansen) die Neunmonatsrevolution, wenn Kleinkinder sich (A) immer mehr<br />

mit anderen Lebewesen (primär der sorgenden Bezugsperson) identifizieren. (77) Solange<br />

sich Kinder nur als Lebewesen verstehen, die Dinge verursachen können, verstünden sie<br />

auch andere so. Mit sieben bis acht Monaten fingen sie jedoch an, sich als „intentionale<br />

Akteure“ zu verstehen, als solche, die etwas bezwecken, <strong>und</strong> andere dann ebenso zu<br />

sehen. (93) Sie begännen zu verstehen, wie andere etwas tun wollen (Intention) <strong>und</strong><br />

reagieren darauf, nicht bloß auf deren direktes Handeln. (96) Nun sei ihr Verhalten nicht<br />

mehr nur Nachahmung, sondern Reproduktion des intentionalen Verhaltens anderer. (100)<br />

Der Phase als intentionale Akteure folge mit etwa vier Jahren die der (B) „geistigen<br />

Akteure“. (208) Es entstehen dann im Erwachsenen-Kind-Dialog (Interaktion) Szenen<br />

gemeins<strong>am</strong>er Aufmerks<strong>am</strong>keit, in denen das Kind beobachte, ob die Bezugsperson ihr<br />

Interesse auf das gleiche Objekt wie es selbst richte. Jetzt entwickle es ein<br />

Imitationslernen durch gedanklichen Rollentausch zur Reflexion der eigenen Situation.<br />

(121) In dieser Weise komme es auch (A2) zum Spracherwerb: erst verstehe ein Kind die<br />

Situation, dann die sprachlichen Symbole zu deren Beschreibung. Wie komplex zeigt sich<br />

dieser Vorgang zwischen Kindern <strong>und</strong> Bezugspersonen! Kinder können nur selbst lernen;

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