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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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36 Siedlung in der Eiszeit<br />

gewesen sein, die durch bessere Waffen, vor allem durch die Speerschleuder begründet<br />

sei. 1 Zu dieser Zeit vermutet er auch erste Möglichkeiten der Konservierung <strong>und</strong><br />

Vorratshaltung, um die größeren Mengen des Fleisches unterzubringen. Erst mit Ende des<br />

Magdalenien (also kurz vor dem Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>) k<strong>am</strong>en Bogen <strong>und</strong> Pfeil mit noch<br />

größerer Effektivität bei der Jagd auf, die besonders im Wald handlicher waren. (1989: 55,<br />

38, 130, 131; >Eiszeit, 2009: 196) Eine andere Siedlungsform mit teils über flachen<br />

Gruben errichteten Hütten gab es vor 28.000 Jahren in Dolni Vestonice (Tschechei).<br />

Fagan (1990: 65) zeigt die Rekonstruktion einer Hütte, bei der ein Baumst<strong>am</strong>m von einem<br />

kleinen Hang aus schräg auf einer höheren Stütze aufliegt; seitlich wären dann Äste<br />

verlegt worden, die mit Häuten abgedeckt wurden, r<strong>und</strong>um mit Erde <strong>und</strong> Knochen<br />

beschwert <strong>und</strong> abgedichtet. Dort fand sich ein Brennofen für Tonfiguren. (>Burenhult,<br />

2004: 88; Bosinski, 1989: 61, nach Klima, ein „Backofen“) Wurden Frauen-Figurinen, die<br />

in weit von einander entfernten Regionen gef<strong>und</strong>en wurden, für den Export gebrannt?<br />

Töpfe zu brennen k<strong>am</strong> den Menschen dort offenbar nicht in den Sinn. Die uns bekannten<br />

Frauen-Figurinen sind meist aus Stein gearbeitet, wie die Venus von Willendorf<br />

(Österreich). Angesichts dieser großen Gebäude wäre es verw<strong>und</strong>erlich, gäbe es nicht bis<br />

zur langen Zeit des Kultbaus <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> vor knapp 12.000 Jahren weitere noch zu<br />

entdeckende Baudenkmäler.<br />

Es gibt für den steinzeitlichen Homo sapiens nördlich von Afrika jahrtausende ältere<br />

F<strong>und</strong>e vor dem <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, die bereits auf differenzierte Sozialstrukturen hinweisen.<br />

Bei Gräbern geschmückter Kinder aus der Zeit vor gut 20.000 Jahren mußte eine durch<br />

solche Beigaben sichtbar werdende höhere Stellung ererbt sein, da Kinder sie noch nicht<br />

selbst erworben haben können. (Burenhult, 2004: 88f, 95) Zumindest wurde stets der<br />

eigenen Besitz mitgegeben, der mit seinen TrägerInnen identisch war <strong>und</strong> den gerade<br />

entstandenen, zuerst besonders aktiven Ahnen nicht geraubt werden konnte, ohne die<br />

übelsten Konsequenzen auszulösen. Auch zu Bestattungen ist die F<strong>und</strong>lage prekär. Fürs<br />

Magdalenien findet Wüller nur 13 Ganzkörperbestattungen, bei denen nicht einmal klar<br />

ist, ob sie nur einfach in Gruben gelegt wurden. (1999) Immer wieder wird auf die Gräber<br />

aus Sughir (Russland, vor 24.000 Jahren) verwiesen, jener mit Perlen überhäufte Mann,<br />

die der offenbar an seiner Kleidung trug, <strong>und</strong> dazu auf das Doppelgrab von Jugendlichen<br />

mit wohl ähnlichem Schmuckbesatz, der zusätzlich Fuchszähne enthielt. Andere wichtige<br />

Gräber st<strong>am</strong>men aus Arene Candide (Italien) der gleichen Zeit. (>Eiszeit, 2009: 167)<br />

Fagan berichtet von Forschungen in Mežirič/ Ukraine, die Anzeichen für soziale<br />

Differenzierung ergaben. Vor 18.000 bis 14.000 Jahren fanden sich im Dnjepr-Gebiet<br />

ungleiche Vorratsgruben, als hätten sozial höher stehende F<strong>am</strong>ilien mehr Nahrungsmittel<br />

besessen. Diese Niederlassungen beherbergten 30 bis 100 Menschen <strong>und</strong> blieben lange<br />

bestehen, so daß die Leute Verfahren zur Lösung von Konflikten entwickelt haben müßten<br />

– sagt auch er –, soziale Regeln zur Erhaltung des Friedens. (1990: 66, nach Soffer) Mit<br />

steigendem Wissen über jene Steinzeit-Völker erscheinen uns deren Verhältnisse ohnehin<br />

immer komplexer. Vor dem Bau der jetzt bekannten Anlagen <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> können<br />

also nicht nur, sondern müssen wohl Arbeitsteilung <strong>und</strong> besondere Fertigkeiten entstanden<br />

sein. Handwerk scheint möglich. Die Bildhauerei mag sich aus der Werkzeugherstellung<br />

entwickelt haben <strong>und</strong> daraus wiederum, weil sie nicht allen Menschen liegt, individuelle<br />

Arbeitsteilung entstanden sein. Levi-Strauss spricht von hierarchisierten Clanstrukturen,<br />

also von Gentes, auch davon, es habe Arbeitsteilung nach Clans gegeben, also<br />

beispielsweise einen Schmiede-Clan. (1994: 39) Sie finden wir beispielsweise bei den<br />

Nuba, ein Clan hatte dort administtrative Pflichten, einer magische <strong>und</strong> ein dritter war für<br />

religiöse Zeremonien verantwortlich. (>Bild-2: 38) Zwischen verschiedenen Stämmen<br />

sind Hierarchien nicht ausgeschlossen (wie der Irokesen-B<strong>und</strong> Nachbarstämmen<br />

überlegen war).<br />

In Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien (<strong>und</strong> im für diese Betrachtung abseits der Reiseroute liegenden<br />

südlichen Mesopot<strong>am</strong>ien), scheint es bis zur Zeit vor etwa 14.000 Jahren keine Anzeichen<br />

für eine umfängliche Besiedlung zu geben, aus der heraus der Bau des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong><br />

nachvollziehbar ist. Die Studien, die ich ansah, beginnen dort „irgendwie“ mit der Proto-<br />

Neolithisierung (erste einzelne kleine Siedlungen bei Nutzung von Wildgetreide <strong>und</strong><br />

Jagdbeute). 2 Gr<strong>und</strong>lage des Lebens d<strong>am</strong>als ist S<strong>am</strong>meln <strong>und</strong> Jagen, was normalerweise<br />

kaum Spuren hinterläßt, schon gar nicht solche die Sozialität betreffenden. Auch einfacher<br />

1 Das ist eine (Hebel-) Verlängerung des Arms, die in der Hand des Schützen verbleibt <strong>und</strong> den Speer an<br />

dessen Ende fortschleudert Es gibt eine Sportbewegung, die mit Speerschleudern große Weiten erreicht (max.<br />

180,9 Meter = Europarekord), die Treffgenauigkeit fällt nach 30 Metern allerdings extrem ab. (>Eiszeit, 2009:<br />

195)

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