Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR
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32 Das Ende der Eiszeit<br />
das Weltbild veränderndes Ereignis scheint das Ende der Eiszeit jedenfalls zum Zeitpunkt<br />
des Baus <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> denkbar, ja, es scheint kein anderes zu geben, wird von innerer<br />
Differenzierung abgesehen. Beide Entwicklungen lassen sich auch zus<strong>am</strong>men denken, die<br />
Klimaentwicklung verlangt nach schützender Führung <strong>und</strong> wird entsprechend genutzt.<br />
Wurde die neue Umwelt gleich als angenehm empf<strong>und</strong>en? Es gab mehr Regen. Die<br />
Vegetation änderte sich, was auch Unsicherheit erzeugen mußte, bekannte Pflanzen <strong>und</strong><br />
Tiere verschwanden oder zogen sich nach Norden zurück, neue unbekannte wanderten ein<br />
beziehungsweise breiteten sich aus. Wildgetreide konnte sich gegenüber der Kräuter-<br />
T<strong>und</strong>ra stärker behaupten, ebenso Wald, der in Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien aber die Gräser nicht<br />
so schnell <strong>und</strong> stark unterdrückte wie weiter im Süden. (Uerpmann, 2007: 64) Dazu k<strong>am</strong><br />
der Anstieg der Temperatur: zwischen 12.000 <strong>und</strong> 8.000 vC nahm sie um fast 10°C zu.<br />
(Roaf, 1998: 23) Das konnten die Erzählungen der Alten wohl rüberbringen.<br />
Zu solchen Vorstellungen passen die in Sumer frühesten Vorstellungen von der<br />
Gesellschaft <strong>und</strong> vom (Stadt-) Staat als Spiegelbild der Umwelt! Der oberste Gott ist der<br />
Himmel, dann folgt der Gott des Sturms, der Himmel <strong>und</strong> Erde auseinander zwingt, <strong>und</strong><br />
dann die Erde. Die Bedeutung des Wetters für die Gründungs-Mythen dieser Ur-Zeit ist<br />
jedenfalls bemerkenswert. Die Herkunft der SumererInnen ist unklar, sie sind ein ganz<br />
eigener Volksst<strong>am</strong>m mit eigener Sprache. Vielleicht lebten sie „schon immer“ da, seit<br />
dem Auszug aus Afrika. Wann sie sich ansiedelten, ob die Klimaänderung sie aus dem<br />
indischen Raum zuziehen ließ, ist nicht bekannt. Aber von einem Urmeer oder dergleichen<br />
ist in vielen Urmythen anderer Regionen auch die Rede, die zudem viel jünger sind.<br />
Schmidt hält eine so lange Erinnerung generell für möglich, wenn er spekuliert, der<br />
<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> sei der Ort der Anunna-GöttInnen Sumers auf dem Berg Duku gewesen, wo<br />
Landbau, Viehzucht <strong>und</strong> die Weberei erf<strong>und</strong>en worden seien. Das müßte aber bedeuten,<br />
das Ende der Eiszeit blieb mehrere tausend Jahre im (schriftlosen) Gedächtnis <strong>und</strong> wäre<br />
schon um die Zeit der lebendigen Existenz dieses Kultbaus als Mythe entstanden, bis sie<br />
in Sumer notiert wurde. Wurde es <strong>am</strong> möglichen Anunna-Heiligtum im Gedächtnis<br />
behalten, dann müßte sich <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> ein entsprechend qualifiziertes Gemeinwesen<br />
erhalten haben, an das die SumererInnen Anschluß fanden. K<strong>am</strong>en sie von dort? Nachdem<br />
irgendwer ihren Tempel dicht machte? Zogen die neuen Bauern in die fruchtbaren Ebenen<br />
hinab? Oder blieb es bei den früheren BewohnerInnen des erst gut 6.000 Jahre später<br />
langs<strong>am</strong> entstehenden Sumers im Gedächtnis, das noch einmal gut 2.000 Jahre später<br />
Schriftzeichen entwickelte? Schwer vorstellbar. Zurück auf die Baustelle.<br />
Jericho versus <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>?<br />
In gewisser Weise ist der Tempel <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> so etwas wie ein Donnerschlag<br />
menschlicher Kultur. Es gibt kein früheres Bauwerk dieser Art, selbst nicht, wenn von der<br />
extremen Größe <strong>und</strong> dem Steingewicht abgesehen wird. Eine ungeheure Demonstration<br />
des Geistes. Zugleich ist seine Entstehung nachvollziehbar, wenn ein starker Glaube, eine<br />
große Angst bestand; weil die Geistwesen der Natur verrückt spielten? Oder eine große<br />
Dankbarkeit <strong>und</strong> Hoffnung. 1 Für die Errichtung eines solchen Kultbaus war ein konkreter<br />
Beschluß ziemlich vieler Menschen oder einer Elite nötig, der vielleicht über Jahre reifte.<br />
Er konnte nur gefaßt werden, weil genügend Lebensmittel in relativ kurzer Zeit bereit zu<br />
stellen waren, so daß Arbeitskräfte von eigener Ernährung befreit werden konnten. Dies<br />
wiederum konnte nur ein St<strong>am</strong>m leisten, der viele Menschen umfaßte. Und das heißt, auch<br />
eine große Anzahl von Jägern; Jäger, die zugleich immer auch Krieger sind! Gut 150<br />
Krieger unter einer Führung waren doch eine Armee der Steinzeit, oder? So viele Männer<br />
wurden – wie noch zu zeigen ist – für die Errichtung der großen T-Pfeiler benötigt. Wer<br />
im <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> auch eine Machtdemonstration sieht, fragt sich zugleich, gegenüber wem<br />
wurde demonstriert. Ich gehe von einer Ansiedlung der ErbauerInnen des Tempels erstmal<br />
in seiner relativen Nähe aus. Schmidt spricht von einer Einflußzone ihrer<br />
Kultgemeinschaft von 200 Kilometer Radius, weil in dieser Region sich weitere Orte mit<br />
T-Pfeilern finden. Aber das wird nicht beim Baubeginn schon so gewesen sein. Alle<br />
anderen bekannten Standorte dieser Kultgemeinschaft entstanden ja deutlich später. Er<br />
sieht sogar durch den Bau das Neolithikum entstehen, weil für die ArbeiterInnen<br />
Lebensmittel nötig wurden. Und es war ein Tempel, der hochwahrscheinlich schon eine<br />
GöttInnen-Religion repräsentiert. Welch ein Unterschied selbst zu den Höhlen, wenn die<br />
1 So sieht es auch: Behringer, Wolfgang, 2007, Kulturgeschichte des Klimas, München, (61) der auch sagt,<br />
das Klima der Eiszeit sei weniger kalt als in der Polarregion heute gewesen, so daß Menschen in Europa<br />
südlich des Eisschildes recht gut leben konnten. (53) Er bezieht sich aber wesentlich auf: Burenhult. Im<br />
Norden war natürlich immer die Sonneneinstrahlung viel flacher.