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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 27<br />

Gemeinde zu erzählen: vom Wind, Donner oder der Sonne <strong>und</strong> warum die Menschen ihrer<br />

sch<strong>am</strong>anischen Kraft gehorchen sollen, da sie göttliche Macht vertritt, <strong>und</strong> sie die<br />

religiösen Symbole ehren <strong>und</strong> anbeten müssen. Die Opferhandlung nicht zu vergessen, bei<br />

der durch die gemeins<strong>am</strong>e Speise mit den GöttInnen die Gläubigen sich eins mit ihnen<br />

fühlen. In solchem Kult oder Ritus wird auch die religiöse Kraftentwicklung jeweils<br />

erneuert, indem etwa die Schaffung der Welt nachgespielt wird. 1 Entwickelt sich in<br />

späterer Zeit beispielsweise der Wind zu einer Kraft, die der komplexeren Erläuterung<br />

bedarf, daß er etwa Himmel <strong>und</strong> Erde aktiv trennt, d<strong>am</strong>it dazwischen Leben entstehen<br />

kann <strong>und</strong> möglich bleibt, ist er – in Sumer – zu einem von mehreren GöttInnen geworden,<br />

die die Welt erschufen; hier beginnen die Mythen. Und mit ihnen sind, zumal bei<br />

Anbetungsformen mittels Skulpturen <strong>und</strong> in Tempeln, die GöttInnen <strong>und</strong> PriesterInnen zur<br />

Erklärung dieser bestimmten Religion entstanden. Am <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> mußte den Leuten<br />

vor allem die herausgestellten beiden Haupt-T-Pfeiler in ihrer religiösen Bedeutung<br />

erläutert werden, ob sie nun Zugang hatten in den Tempel oder nicht, die großen Pfeiler<br />

waren wohl von außen sichtbar. Warum zwei, wen stellen sie dar, warum sie <strong>und</strong> nicht<br />

andere? Wie ist der Zus<strong>am</strong>menhang mit den anderen GöttInnen im Mauerr<strong>und</strong>? Von einer<br />

vom Selbstbild der PriesterInnen unterschiedenen Darstellung kann nicht ausgegangen<br />

werden, die glaubten was sie erzählten. Allerdings wissen wir nicht, ob diese GöttInnen<br />

mit dem Bau geistig installiert wurden oder womöglich bereits viel älter waren? Doch es<br />

gibt – so weit ich sehe – keine früheren Hinweise in der Geschichte auf GöttInnen, wenn<br />

sie denn welche darstellen. Noch für jene Zeit der Proto-Neolithisierung magisch-religiöse<br />

Welten zu sehen, scheint auch Konsens in der Wissenschaft zu sein. Doch <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong> stehen wir plötzlich vor zwei männlichen Haupt-Göttern! Wo mögen die<br />

hergekommen sein?<br />

Die erkennbaren Fähigkeiten <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> scheinen den mesopot<strong>am</strong>ischen<br />

Hochkulturen in gewisser Weise näher zu sein, als es die Jahrtausende währende Distanz<br />

auf den ersten Blick vermuten läßt, (gefühlt) näher als die Distanz zu einfachen<br />

WildbeuterInnen ohne ausgeprägte soziale Struktur, wie sie noch bei rezenten Urvölkern<br />

zu finden sind. Obwohl es keinen Hinweis gibt, in Sumer könne „etwas“ von dort<br />

angekommen sein. Denn ob der <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> jenen heiligen Berg Duku der sumerischen<br />

Anunna-GöttInnen meint, von dem Landbau, Viehzucht <strong>und</strong> Weben gekommen seien, wie<br />

Schmidt fragt, in dessen Rahmen an Spekulation ich mich möglichst einpasse, ist<br />

umstritten. Gab es hinreichend lange vor dem Bau also schon so etwas wie eine aus der<br />

Welt von magischen Geistwesen ausdifferenzierte GöttInnengemeinschaft, an die viel<br />

später jene Mythen Sumers anbinden? 2<br />

Mythen sieht Vieyra als ohne Logik <strong>und</strong> chronologisches Verständnis in unserem Sinn<br />

formuliert. (1977: 89) Entstanden sie auf der Basis von Vorstellungen, die eher noch<br />

weniger „Rationalität“ kennen als sich in den Mythen Sumers findet, so um 6.000 Jahre<br />

später? Mythen, die allerdings geglaubt <strong>und</strong> weitergegeben werden konnten, insofern auch<br />

eine gewisse zeitgemäße Rationalität im für uns irrationalen Märchen zeigen; rational im<br />

traditionalen <strong>Denken</strong>. Daß eine Rationalität in unserem Sinn im Inhalt der Mythen, in den<br />

großen <strong>Glauben</strong>ssystemen von Ägypten, Mesopot<strong>am</strong>ien bis hin nach Griechenland fehlt,<br />

läßt zudem erkennbar nicht den Schluß zu, es gäbe sie dort auch nicht im Alltag.<br />

Allerdings geschieht beispielsweise die handwerkliche Arbeit, später die Bearbeitung des<br />

Metalls mit dem magischen Feuer, im Rahmen religiöser Handlungen. Die Geistwesen<br />

<strong>und</strong> GöttInnen überwachen alles; Pichot zitiert für Mesopot<strong>am</strong>ien Rezepte für<br />

Metallverarbeitung, in denen die nötigen Gebete enthalten sind; es gab also keine nur dem<br />

Handwerklichen verpflichtete „Kunst“. (1995: 36)<br />

Im mesopot<strong>am</strong>ischen Mythus sind die Menschen zur dienenden Arbeit für die<br />

GöttInnen von jenen überhaupt nur geschaffen worden; doch dann nerven sie durch Lärm<br />

(als Nebenfolge) <strong>und</strong> sollen per Sintflut wieder ausgerottet werden, ein Gott – vermutlich<br />

sieht er eine Karriere als oberster Menschengott – petzt aber: Auftritt des sumerischen<br />

Noah... Setzen solche Vorstellungen wie dieser Konflikt zwischen den GöttInnen nicht<br />

(immer: institutionalisierte) Herrschaft von Menschen über Menschen oder zumindest<br />

starke soziale Machtpositionen <strong>und</strong> verschiedene, wenn nicht geschichtete<br />

Lehre heilige Gegenstände waren, mit denen die Krankheit aus dem Körper gelockt werden konnte, die<br />

Geistwesen wurden selbst getäuscht.<br />

1 Die sogenannte Tempelprostitution wird heute sehr kritisch hinterfragt: Scheer (2009)<br />

2 Etwas abgesondert wegen der geografischen Lage inmitten von Wüsten <strong>und</strong> dem Meer entwickelte sich<br />

Ägypten, wo frühe mythische Texte in Gräbern eingemeißelt überliefert sind (ab circa 2.500 vC; Texte in<br />

Sumer ab 2.150 vC). Entstanden ist die Schrift in Sumer offenbar früher.

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