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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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26 Erzeuger <strong>und</strong> Tod<br />

für ein Heiligtum. (wie >Burenhult, 2004: 232) Eine solche Verehrung im Tode durch die<br />

Lebenden könnte also erstmal nur den „Bedeutenden“, den Großen der Gruppe, den<br />

Ältesten als die „Väter/ Mütter“ der Gruppe entgegengebracht worden sein: Frauen <strong>und</strong><br />

Männern, Männern mit ihren Frauen? Auch darin läge bereits eine soziale<br />

Differenzierung, eine gr<strong>und</strong>legende Vorstellung von der Höherstellung der Alten<br />

gegenüber den Jungen, die stets eine besondere Ehrung erfahren, später dann als Ahnen;<br />

auch das findet sich als Typus universal, weil es aus dem frühen <strong>Denken</strong> selbst kommt, als<br />

traditionale Logik. Wir werden später sehen, wie dieses <strong>Denken</strong> in der Ontogenese aller<br />

Menschen gleichermaßen entsteht. Das kann kulturelle Ähnlichkeiten in zeitlich wie<br />

räumlich weit zerstreuten Völkern wohl erklären helfen. Initiation wie Totenkult <strong>und</strong><br />

GöttInnen verweisen auf ein Nachdenken über den einzelnen Menschen, welches sehr<br />

schlichte frühe WildbeuterInnen vielleicht noch nicht kannten. Jene Menschen begreifen<br />

sich als Teil der Gruppe; das gilt wohl immer weniger für sich herausbildende Große,<br />

Sch<strong>am</strong>anInnen oder schon PriesterInnen, die ausdrücklich eine herausgehobene Position<br />

einnehmen <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it den Willen der Ahnen <strong>und</strong> Geistwesen wiedergeben.<br />

Religion<br />

Um mich verständlich zu machen, genügen zur Definition von Religion hier wenige<br />

Hinweise. <strong>Glauben</strong> Menschen an höhere Mächte in Form magischer Geistwesen oder<br />

GöttInnen oder später nur an einen Gott, ist von Religion die Rede. Eine präzise Trennung<br />

zwischen Geistwesen, oft im Rahmen von Naturreligion verstanden, <strong>und</strong> GöttInnen ist<br />

empirisch nicht möglich, auch nicht die zwischen Sch<strong>am</strong>anInnen <strong>und</strong> PriesterInnen; über<br />

Monotheismus müssen wir für unser Thema nicht nachdenken. Verstehen wir die<br />

Differenz in ihren gegensätzlichen Polen, bekommen wir einen weichen Übergang<br />

zwischen: (A) Magie/ Sch<strong>am</strong>anismus <strong>und</strong> (B) GöttInnenglauben/ PriesterIn. Dann geht es<br />

um die Frage, ob <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> schon Typus (B) erkannt werden kann. Ich meine ja,<br />

das ist recht wahrscheinlich: zwei HauptgöttInnen <strong>und</strong> im R<strong>und</strong> der Mauern vergöttlichte<br />

Geistwesen der alten Naturreligion, stelle ich thesenhaft in den Raum. Neben der Religion<br />

ist für unser Thema der Animismus zu bedenken, wenn also Menschen alle Erscheinungen<br />

der Welt als Subjekte oder subjektivische, handelnde Kräfte verstehen. Ich verwende den<br />

Begriff Animismus dabei im Sinne der Entwicklungspsychologie; es geht nicht (!) darum,<br />

allen Erscheinungen eine Seele zuzuordnen, wie Lévy-Bruhl (1910) sehr betont. 1 Sei es<br />

also der Wind, Donner, die Sonne, die Kraft des Steines, an dem der Mensch sich stieß,<br />

oder was immer, jede Erscheinung wird als subjektivisch geprägt verstanden, nicht als<br />

leblos. 2 Malinowski beschreibt die Fliegenden Hexen der Trobriand-Inseln ebenfalls als<br />

Einheit ohne Seele. (1979: 102, 278, 290) Animistische Geistwesen in der frühen Religion<br />

sind offenk<strong>und</strong>ig Folge früher Ontogenese, wie wir noch sehen werden. Der über die<br />

Vorstellung von Geistwesen als Bestandteil des eigenen Lebens hinaus weiter entwickelte<br />

<strong>und</strong> reflektierte Glaube an GöttInnen in Form einer bestimmten Religion einer<br />

Gemeinschaft erscheint dann eher als Zweck: wie zur Unterdrückung der Frauen,<br />

allgemein zur Stützung von Autorität... Mystisch-magische Geistwesen erscheinen als<br />

naturwüchsige Kräfte, sie sind einfach da wie alles in der Welt, zuerst weniger als eine<br />

Naturreligion. Sie zu beeinflussen ist wohl die Geburtsst<strong>und</strong>e der Sch<strong>am</strong>anInnen, die sich<br />

mit diesen Kräften in Eins setzen, vielleicht durch selbst-hypnotische Verfahren, um<br />

beispielsweise ins Tierreich zu wechseln <strong>und</strong> dort für eine gute Jagd zu werben, oder zur<br />

Entfernung des Bösen aus dem Körper eines Menschen. 3 Bald beginnen sie ihrer<br />

1 Er ordnet den (bei mir animistischen) Erscheinungen mystische Kraft zu, die nicht im Sinne philosophischreligiöser<br />

Mystik verstehbar sei, sondern als <strong>Glauben</strong> an Kräfte, an Einflüsse, an Handlungen, welche für die<br />

Sinne nicht wahrnehmbar <strong>und</strong> dennoch wirklich sind. (1910: 23) Es wird eine analoge Macht auch Flüssen,<br />

Wolken, Winden zugestandent, eigentlich allem, womit sich Naturvölker beschäftigen. (25) Lévy-Bruhl<br />

wendet sich gegen den Animismus‘ Tylors <strong>und</strong> dessen zu folgerichtige Lehre, die der den „wilden<br />

Philosophen“ der Urvölker unterschoben habe, als ob diese Lehre logisch entstand, um biologische Probleme<br />

zu lösen, <strong>und</strong> weiterentwickelt werden könne. Er bezweifelt die Existenz dieser „wilden Philosophen“ <strong>und</strong> will<br />

demgegenüber die Differenz mit dem Begriff des „prä-logischen <strong>Denken</strong>s“ dieser Völker betonen. Dabei sei<br />

nicht an ein Stadium (in Richtung: logisch) gedacht, nicht an anti- oder alogisch, sondern es entspräche dem<br />

mystischen <strong>Denken</strong>, von dem er gesprochen habe. (59, 62) Später soll er den Begriff zurückgenommen haben.<br />

Piaget/ Inhelder benutzen den Begriff prä-logisch auch. (1977: 233) Die Arbeiten Piagets geben diesem<br />

Begriff eine gewisse Berechtigung. Mir geht es nicht um die Theoriedebatte, sondern um die kommentierten<br />

Beispiele Lévy-Bruhls. Später mehr.<br />

2 Animismus endet „formell“ bei der Anerkenntnis des Monotheismus, aber wer Hexen verbrennt, ist sich<br />

seiner Sache wohl nicht sicher; Animismus findet sich auch weiter im Volksglauben <strong>und</strong> feiert in der Esoterik<br />

fröhliche Erneuerung.<br />

3 Gegenstände aus einem kranken Körper zu saugen, was als real vorgetäuscht wird, ist der erste Hinweis,<br />

daß diese Leute um die Symbolik ihres Tuns wissen, obwohl es auch für die Sch<strong>am</strong>anInnen sicher in ihrer

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