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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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post@LarsHennings.de 21<br />

es annehmen. 2 Und es ist auch nicht selbstverständlich, wie ihre Inhalte zu verstehen sind,<br />

eher nicht so wie sie erzählt wurden. Wie sind sie zu lesen?<br />

Mythen aller Zeiten, ob schriftlich oder mündlich weitergegeben, wie bei schriftlosen<br />

rezenten Urvölkern, sind Welterklärungen, oft in Schöpfungsgeschichten dargestellt, als<br />

Ursprungs-Mythen. Erklärungen also zu Ereignissen, zu denen die sie vortragenden<br />

Menschen keinerlei Kenntnisse in unserem Verständnis haben konnten! Das wird im<br />

großen <strong>und</strong> ganzen noch bei der Betrachtung des zum Teil abstrusen frühen „Wissens“<br />

über das Weltbild in Mesopot<strong>am</strong>ien <strong>und</strong> Ägypten bis hin zu den Vorstellungen des<br />

klassischen Griechenlands sehr deutlich. Wir finden es auch bei rezenten Urvölkern, wie<br />

uns Berichte über die traditionalen Menschen der Welt noch aus dem 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

sagen. Dux – auf den ich mich hier beziehe (1997: 22ff) – zeigt sehr plausibel auf, wie<br />

Mythen zu lesen sind, nämlich nicht als historische Berichte, daß etwa früh die Frauen<br />

geherrscht haben, wie es in ihnen regelmäßig formuliert scheint, sondern als gr<strong>und</strong>legende<br />

Interpretationen auf Basis d<strong>am</strong>aligen Weltverständnisses <strong>und</strong> als dessen Legitimation.<br />

Dieses Weltverständnis wird unten noch ausführlich dargestellt, um das animistische<br />

<strong>Denken</strong> jener Menschen zu durchdringen. Dennoch ist es natürlich nicht ausgeschlossen,<br />

daß solche Geschichten einen realen Hintergr<strong>und</strong> haben können; die sumerischen Mythen<br />

zur Sintflut gehören dazu, obwohl nicht geklärt ist, welches Flutereignis d<strong>am</strong>it vielleicht<br />

aufgegriffen wurde. 1<br />

In vielen Ursprungs-Mythen in aller Welt waren ursprünglich die Frauen mächtiger als<br />

die Männer. Der Eindruck entsteht, dies sei von der jeweiligen imaginären<br />

Schöpfungskraft vorgegeben; die Gebärfähigkeit mußte in der Darstellung des eigenen<br />

Ursprungs irgendwie berücksichtigt werden. Das geschah in manchen Völkern dadurch,<br />

daß der Mann ebenfalls „schwanger“ wurde, wenn seine Frau ein Kind bek<strong>am</strong>, sich<br />

ebenfalls schonte. (Couvade) Wegen der zuerst bedeutenden weiblichen Kraft in Mythen<br />

wurde oft auf ein frühes Matriarchat als evolutive Stufe geschlossen. Nicht nur in Teilen<br />

femistischer Vorstellung, sondern auch in der Archäologie, beispielsweise in der<br />

Interpretation der F<strong>und</strong>e von Çatal Hüyük. (Mellaart, 1967; kritisch Röder/ Hummel/<br />

Kunz, 2001) Wir kommen später auf alles ausführlich zurück. Erst danach – was immer<br />

das heißen könnte – hätten die Männer die Macht der Frauen niedergerungen. Mythen sind<br />

aber soziale Produkte, mit denen das Naturhafte der Geburt gerade abgestreift werden soll/<br />

muß, um eine Erklärung der realen Existenz <strong>und</strong> Ordnung der jeweiligen sozialen<br />

Gemeinschaft zu finden, in der Männer die Macht haben. Die haben die Geschichten<br />

ersonnen, um die jeweilige reale menschliche Ordnung zu begründen. 2 Deshalb wird die<br />

Differenz zwischen Mythos <strong>und</strong> Realität in diesen Geschichten betont, denn es mußte<br />

einerseits anerkannt werden, daß Frauen über die Geburten Leben stiften, was das einzig<br />

tatsächliche Wissen zur Entstehung von Leben war. Soweit von Wissen (über etwas) die<br />

Rede sein kann; es war so! Im aktuellen Leben der den Mythos tragenden Gruppe ist aber<br />

andererseits nicht die Frau mächtig, sondern der Mann, wie alle Mythen als Ergebnis<br />

zeigen, die dieses Thema behandeln. 3 Und wie es auch für vor-mythische Zeiten, aus<br />

denen keine Geschichten bekannt sind, begründet zu vermuten ist, wie wir noch sehen<br />

werden. Solche Mythen sind Verweise vom Bestehenden zurück zu einem Ursprung der<br />

jeweiligen Welt, wie sie aber offenk<strong>und</strong>ig nicht mehr ist. Einer Welt, die von<br />

menschlicher/ männlicher Ordnung geprägt ist. Sie zeigen nicht ein<br />

„Forschungsergebnis“, keine „Erklärung“, sondern lediglich ein gedanklich mögliches<br />

2 Bei Indianern gibt es Ursprungs-Mythen, die die Existenzweise indianischer Gruppen ausdrücklich mit<br />

Reit-Pferden verbinden. (Josephy, 1998: 222) Diese Tiere sind aber erst mit den Spaniern ins Land<br />

gekommen; eine sehr kleine, nicht reitbare Frühform wanderte über die Behringstraße nach Asien, starb in<br />

Amerika aber etwa zu der Zeit der Besiedelung aus.<br />

1 Besondere Monsun-Hochwasser in der Gründungszeit Sumers etwa 3.000 Jahre nach dem offiziellen Ende<br />

der Eiszeit kämen aber auch in Frage, die im flachen Süd-Mesopot<strong>am</strong>ien zus<strong>am</strong>men mit dem Gr<strong>und</strong>wasser<br />

sintflutartig erschienen. Vielleicht mal eine „Jahrh<strong>und</strong>ert-Flut“? (Wikipedia.de) Der Durchbruch des<br />

Mittelmeeres ins Schwarze Meer scheint eher zu weit ab. Auch das Fruchtwasser, zu dem zurückgekehrt wird,<br />

ist im Gepräch. Es gibt in Australien <strong>und</strong> anderswo Mythen einer Sintflut als Beginn des Tageslichts, das über<br />

die Sterne/ Menschen schwappt. (Graebner, 1924: 22) Wo sie das wohl her hatten?<br />

2 In einer religiösen Puppenshow auf Bali geht das heute so: Böse Witwe mit ihren Hexen <strong>und</strong> der<br />

Todesgöttin wird von heiligem Mann unschädlich gemacht. (>Bild-6: 121)<br />

3 Bei den Murgin/ Australien geht es so: die beiden Schwestern Wawilak benannten Landschaften, Tiere <strong>und</strong><br />

Pflanzen, waren also Schöpferinnen, die eine war Mutter, die andere schwanger, sie hatten jedoch Blutschande<br />

begangen. Dann entweihten sie auch noch das Wasser der männlichen (!) Schlange (!) Yurlunggur mit<br />

Menstruationsblut (!). Die Schlange, das initiierende Element, frißt nun die Schwestern berechtigterweise; das<br />

Männliche siegt <strong>und</strong> übernimmt die Befruchtung (!) der Welt durch regelmäßigen Regen. Im St<strong>am</strong>m kommt<br />

die soziale Macht den Männern, die natürliche Fruchtbarkeit den Frauen zu, sagt Lévi-Strauss. (1994: 110ff)<br />

Es ließe sich die Dürftigkeit religiösen <strong>Denken</strong>s niemals genug betonen, folgert er. (115)

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