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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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20 Zum Menschenbild<br />

„Da die Älteren nicht mehr so lange zu leben haben, kümmern sie sich wenig um Kritik.<br />

Während es die Aufgabe der Jugendlichen ist, die gesellschaftlichen Werte<br />

umzuformen“. (2009: 104) Hat aber wenig genützt, die Mbuti – auf die ich zurückkomme<br />

– sind „das“ Volk, dem das ewig gleiche Leben seit der Steinzeit zugeordnet wird. In der<br />

Neuerungsfeindschaft spiegeln sich zwar auch Abwehrhaltungen gegenüber den weißen<br />

Kolonisatoren, wenn diese Leute aus mystischen Gründen mißtrauisch gegen die Nahrung<br />

der Fremden waren, die sie den eigenen mystischen Kräften entfremden konnten, (264)<br />

<strong>und</strong> sich nicht zum Christentum bekehren lassen wollten. Es gäbe aber auch einen<br />

Widerwillen, alte Gebräuche aus Furcht vor Ahnen <strong>und</strong> Geistwesen für neue<br />

preiszugeben. Wie sollte auch hinreichend mit den Ahnen kommuniziert werden, zumal<br />

wenn die Ältesten deren Meinung teilten; da bleibt es besser wie es ist. Einzelne Neuerer<br />

oder erfoglreiche Leute mußten sich vor dem Verdacht der Zauberei fürchten, <strong>und</strong> das war<br />

ein dr<strong>am</strong>atischer Vorwurf. 1 Die Verehrung der Ahnen <strong>und</strong> deren Vertretung auf Erden als<br />

Richter über Gut <strong>und</strong> Böse schaffen eine generell konservative Struktur.<br />

Die von Schmidt angenommene Gr<strong>und</strong>fertigkeit <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, Steinmauern<br />

aufzuwerfen, um Tiere zu lenken, sei es von fruchtbaren Tälern voller Urgetreide weg<br />

oder in eines als Falle hinein, mag „so nebenbei“ entstanden sein, nicht als von den<br />

Geistwesen mit Hilfe von Sch<strong>am</strong>anInnen abgesegnete Bauwerke. Schmidt denkt sogar an<br />

Gruppenjagd mit großen Fanganlagen aus Steinmauern, wie sie etwa 200 Kilometer vom<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> flußabwärts <strong>am</strong> Euphrat, 50 Kilometer südlich von Tell Abu Hureyra, <strong>und</strong><br />

in großer Zahl in Jordanien gebaut worden sind. (in Spektrum, 1989: 81ff; dort ein<br />

Luftbild einer Anlage nahe D<strong>am</strong>askus von 1930) Andere halten solche Bauwerke für<br />

Pferche halb domestizierter Tiere. (Bartl, 2004: 59) Daß es in der Region der<br />

Kultgemeinschaft keine Belege für solche Mauern gibt, kann mit der viel späteren<br />

Landwirtschaft erklärt werden, bei der größere Steine von den Feldern in Steinlager <strong>am</strong><br />

Feldrand verbracht werden, um pflügen zu können. Das gilt auch für das Überpflügen von<br />

eingetieften Fußböden früher Gebäude – wenn es das alles denn gab. Steinmauern<br />

aufzurichten ist so schwierig nicht. Doch die Herstellung der großen Pfeiler ist etwas ganz<br />

anderes. Die Neuerungsfeinde bauen plötzlich eine neue Welt.<br />

Ursprungs-Mythen<br />

Um sich in <strong>Denken</strong> <strong>und</strong> <strong>Glauben</strong> früher Zeit einlesen zu können, komme ich nach der<br />

Einführung als erstes auf Mythen zu sprechen, auf tradierte Geschichten über den<br />

Ursprung der jeweiligen Gemeinschaft. Später gilt es darüber nachzudenken, ob <strong>am</strong><br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> schon ähnlich gedacht werden konnte. Es geht nicht darum, den Inhalt<br />

solcher Geschichten dorthin zu übertragen. Ob dort wirklich über Enten im Urmeer<br />

nachgedacht wurde, ist nicht entscheidend, obwohl es diese Tiere dort gibt <strong>und</strong> Wasser<br />

sehr oft in solchen Mythen vorkommt. Vielleicht wird an das Fruchtwasser gedacht,<br />

vielleicht nur an die täglich nötige Ration für Mensch <strong>und</strong> Tier. Aber es gilt, sich solche<br />

Geschichten im <strong>Glauben</strong> dieser Menschen als real vorzustellen, mehr noch: diese<br />

Geschichten wurde nicht geglaubt, so war es! Auf die Struktur solchen <strong>Denken</strong>s gilt es zu<br />

achten, auf die materiale Logik der mit ihnen verb<strong>und</strong>enen Welterklärung. Die ältesten<br />

Schriftzeugnisse von Mythen (Sumers) sind der Entstehung des deutlich älteren <strong>Göbekli</strong><br />

<strong>Tepe</strong> historisch <strong>am</strong> nächsten. Können sie auf diesen Kultbau bezogen werden? Uns<br />

Hinweise auf das Warum <strong>und</strong> Wie dieser Anlage geben? Als Homo sapiens die<br />

wahrscheinlich nicht erst ihm eingefallene Frage mit seinen neuen intellektuellen<br />

Möglichkeiten zu beantworten suchte, wie Menschen entstanden, wie Leben <strong>und</strong> die<br />

Umwelt wurden was sie sind, da werden diese Leute schnell auf die Geburt als<br />

wesentlichen Gedanken für die Entstehung von Neuem gekommen sein. D<strong>am</strong>it k<strong>am</strong> auch<br />

die Differenz der Geschlechter als elementar für die Gemeinschaft in den Blick: nur die<br />

einen schufen direkt Leben, während die anderen das Soziale, dessen Ordnung schufen<br />

<strong>und</strong> auf ihre Weise gestalteten. Das sagen uns frühe Mythen, die alle aus männlicher<br />

Perspektive erzählt sind. Solche Erzählungen sind nicht immer so alt wie die Erzählenden<br />

1 Lévy-Bruhl zitiert, ein Häuptling im Kongo habe einem Schmied verboten, aus eisernen (europäischen)<br />

Faßreifen gute Messer herzustellen, er würde ihn sonst der Zauberei bezichtigen; dort heißt es auch, eine<br />

erfolgreiche Heilerin wurde als Zauberin verdächtigt, so daß sie ihren Beruf aufgeben mußte, um nicht getötet<br />

zu werden. (1959: 300)

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