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Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

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14 Insel im Urmeer?<br />

Ahnenhäusern im (späteren) Ozeanien oder den Kivas der Puebloindianer; auch von Orten<br />

für Initiationsriten ist die Rede. (>Ausstellung, 2007: 63) Solche T-Pfeiler sind an noch<br />

zwei Standorten der Region bekannt, an denen aber derzeit keine Grabungen durchgeführt<br />

werden, (Schmidt, 2008: 61) ein weiterer Ort, H<strong>am</strong>zan <strong>Tepe</strong>, liegt in Urfa. In dieser Stadt<br />

wurde bei Bauarbeiten (irgendwo) die bislang älteste bekannte, halbwegs realistisch<br />

gestaltete Skulptur ausgebuddelt, zwei Meter hoch! Noch zwei archäologische F<strong>und</strong>e<br />

außerhalb dieser Zone seien erwähnt, um das steinzeitliche Szenario zu komplettieren, von<br />

dem hier gedanklich wesentlich ausgegangen wird: der etwa 500 Jahre später gebaute<br />

Turm des nördlich des Toten Meeres gelegenen Dorfes Jericho entstand aus ähnlichem<br />

Felssteinmauerwerk; Höhe <strong>und</strong> Durchmesser neun Meter! Von besonderer Bedeutung für<br />

die Diskussion um frühe Lebensweisen war der um vor 8.000 Jahren errichtete Ort Çatal<br />

Hüyük weit westlich in Anatolien. Vor der Entdeckung des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> galt der Ort als<br />

älteste bekannte „Stadt“ der Welt. Er wurde nicht zuletzt durch den F<strong>und</strong> einer<br />

angeblichen Großen Muttergöttin berühmt, die über Jahre die archäologische<br />

Interpretation beeinflußte. Tatsächlich war er eine bäuerliche Wohnsiedlung mit hohem<br />

Jagdanteil an der Ernährung; die Gebäude aus Lehmziegeln stehen Wand an Wand. 1 Das<br />

Wandrelief dort, das diese Göttin zeigen sollte, erwies sich jetzt als ein Tier, auf das von<br />

oben gesehen wird, nicht eine Frau (mit zerschlagenem Kopf) in sitzender Gebärhaltung<br />

mit ausgebreiteten Armen <strong>und</strong> Beinen von vorn. Solche Reliefs finden sich ebenfalls <strong>am</strong><br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> in sehr ähnlichen, aber vollständiger erhaltenen Darstellungen. Wenn<br />

Region <strong>und</strong> die Bauten auch deutlich differieren, gibt es also dennoch Gemeins<strong>am</strong>keiten<br />

bezüglich dieser Tierdarstellungen, so wie von den Mauern <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> vielleicht<br />

auch zu den großen Felssteinwänden Jerichos.<br />

Es gibt eine weitere Entdeckung, die <strong>Denken</strong> <strong>und</strong> <strong>Glauben</strong> <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> beleuchtet.<br />

Bei den Grabungen fanden sich <strong>am</strong> Kultbau bereits abstrakte Zeichen, mnemotechnische<br />

Symbole, als bildhafte Gedächtnisstützen oder neolithische Hieroglyphen. 2 Neben den<br />

Symbolen auf den Pfeilern wurden dazu kleine steinerne Täfelchen entdeckt, die wir uns<br />

(nur: optisch) ähnlich wie die aus Ton bei den Keilschriften vorstellen können. Steine mit<br />

Ritzzeichen, die es auch in jüngeren F<strong>und</strong>orten gibt, wie in Nevalı Çori, Çanönü oder<br />

Mureybet. (Schmidt, 2008; 2005) Diese Zeichen waren zus<strong>am</strong>men mit den weit<br />

überwiegenden Darstellungen von Tieren in jener Zeit Wiedererkennbares für die<br />

Menschen, eine Vorform der Schrift, die vielleicht verschiedene Gruppen bezeichnete.<br />

Das bestärkt den Eindruck, es kommt <strong>am</strong> <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> eine ausgeprägt kulturelle Welt<br />

zum Vorschein, weit mehr als sich mit S<strong>am</strong>mlerInnen <strong>und</strong> Jägern typischerweise<br />

verbindet. 3 Schon die weit älteren Höhlenmalereien weisen unbestimmte Zeichen auf.<br />

(Ruspoli, 1998; >Eiszeit, 2009: 242)<br />

Die Entwicklung zum seßhaften Landbau, vorerst ohne Pflug, wurde bislang als<br />

Neolithische Revolution bezeichnet, die erst vor 10.000 Jahren als strukturaler langs<strong>am</strong>er<br />

Prozeß begonnen habe. (Childe) Der Ausgräber des <strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong>, Schmidt, kann sich<br />

eine konkrete Revolution um dieses Heiligtum herum vorstellen: „Nicht die neuen, von<br />

dritten war ein Terrazzoestrich verbaut, kleine in Mörtel gegossene Steine, die abgeschliffen werden.<br />

(Schmidt, 2008: 63) Der F<strong>und</strong> ähnelt dem Sondergebäude von Nevalı Çori.<br />

1 Anatolien ist geografisch die Ebene westlich des Taurus-Gebirges; politisch wird heute bei den Ländereien<br />

bis an die Ostgrenze der Türkei von Anatolien gesprochen. Nord-Mesopot<strong>am</strong>ien liegt zwischen Taurus <strong>und</strong><br />

der Verlängerung des Zagros-Gebirges nordwestlich nach Kurdistan entlang der Grenze zu Syrien <strong>und</strong> Irak.<br />

Zu nennen ist auch Aşıklı Höyük aus der Zeit des aker<strong>am</strong>ischen Neolithikums (PPN B) <strong>am</strong> Vulkan Hasan Dağ<br />

westlich des Mittleren Taurus in Anatolien.<br />

2 Wird die mehrere tausend Jahre lange Entwicklung der ersten Texte von Uruk bis zum von den Griechen<br />

von den Phöniziern übernommenen Buchstabenalphabet bedacht, kann ein Rückdenken zu ersten Anfängen<br />

nochmals tausende von Jahren zuvor nicht mehr als abwegig erscheinen, wobei kaum von direkter Kontinuität<br />

ausgehbar ist. Aber warum sollte ein solches Prinzip nicht schon dort seine Wurzeln haben, es gab ja auch sehr<br />

früh schon Handel, wie in Çatal Hüyük gef<strong>und</strong>ene Objekte zeigen; viel früher auch weiter im Norden von<br />

Spanien bis Sibirien. (Burenhult)<br />

3 Mit rezenten Urvölkern, die auch heute immer mal wieder von der Luft aus im Regenwald „entdeckt“ <strong>und</strong><br />

fotografiert werden, wie sie mit Pfeilen den Hubschrauber beschießen, hat die Situation kaum etwas zu tun.<br />

Ich verweise auf einen ähnlichen Fall, um zu einigen meiner Quellen etwas zu sagen. 1971 wurde auf den<br />

Philippinen mit großem Presseaufwand die Entdeckung des St<strong>am</strong>mes der Tasaday zelebriert. Es scheint, daß<br />

diese 24 „Steinzeit-Menschen“, die fast nackt in Höhlen lebten <strong>und</strong> außer Kleingetier (Kröten, Krebse) nichts<br />

„jagden“, aus innenpolitischen Gründen präsentiert wurden. In einer Buchreihe werden Zweifel geäußert <strong>und</strong><br />

zugleich beiseite geschoben. (>Bild-5: 49; andernorts wird der Betrug deutlich untersucht: Lee/ Daly, 1999:<br />

457ff) Deshalb verweise ich auf meine populärwissenschaftliche Quellen, ohne die eine Übersicht zu einem<br />

fremden Thema schwer ist. Herausgeber der genannten Reihe ist Evans-Pritchard, einer der meist zitierten<br />

Anthropologen, mit Co-Herausgebern wie dem Archäologen Braidwood (bedeutend zu: Südwestasien), mit<br />

Heyerdahl (siehe unten: Osterinsel), oder Leakey (Hominiden-Forschung in der Olduvai-Schlucht). Auch die<br />

AutorInnen, oft professoral, sind zum guten Teil als seriös bekannt, wie Turnball (siehe unten: Mbuti).

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