24.07.2014 Aufrufe

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

12 Insel im Urmeer?<br />

schlichen, um den Speer von unten ins Herz zu stoßen, wie es zumindest in einem Fall<br />

belegt scheint – Steinzeit, Eiszeit, Primitivzeit? Natürlich gibt es auch nomadisch lebende<br />

Gruppen, die sich zumindest über bestimmte Zeiten an Tierherden orientieren, doch die<br />

Reiselust von wandernden Tieren scheint auch gelegentlich überschätzt. Meist sind<br />

offenbar Basis- <strong>und</strong> Jagdlager Gr<strong>und</strong>lage des Lebens gewesen. Ein Nomadentum spielt als<br />

besonderer Typus wildbeuterischen Lebens auch in den Steppen Afrikas <strong>und</strong> Asiens eine<br />

Rolle, doch selbst Hirtenvölker wechseln Sommer- <strong>und</strong> Winterrouten oder -plätze in ihrer<br />

Region regelhaft. Und immer wieder werden diese Menschen nur als „Jäger“ gedacht,<br />

nicht nur weil sich vom Frauenleben weniger über die Jahrtausende erhält, sondern als<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich männliche Sicht auf die Welt. 1<br />

Wenn auch oft davon die Rede ist, steinzeitliche Gruppen hätten – wie die<br />

entsprechender rezenter Urvölker – im Durchschnitt 30 Personen, muß doch für die<br />

soziologische Analyse erstmal von größeren sozialen Einheiten in einer Region<br />

ausgegangen werden, von Stämmen oder Völkern, die sich nach Bedarf aufteilten (<strong>und</strong> so<br />

die oft nur bekannten kleinen F<strong>und</strong>plätze schufen). Die Khoisan oder Mbuti lebten bis in<br />

die Gegenwart so, sind aber insges<strong>am</strong>t größere Völker, die sich die Streifgebiete aufteilen,<br />

wie wir noch sehen werden. Wie wäre auch eine isolierte 30-Kopf-Gruppe über etliche<br />

Jahrzehnte in der Wildnis vorstellbar? Entweder sie wächst, oder sie geht unter. Schon<br />

sehr früh gab es offenk<strong>und</strong>ig intensive Vernetzungen <strong>und</strong> nicht bloß hin <strong>und</strong> wieder<br />

Regionaltreffen solcher Gruppen. (>Burenhult, 2004: 88, 91; >Eiszeit, 2009: 124, 131,<br />

142) Wie sollte sich die neueste Steintechnologie über große Distanzen gleichmäßig<br />

verbreitet haben, wenn nicht auch intensive Sozialkontakte über weite Strecken bestanden<br />

<strong>und</strong> nicht nur beiläufiger Handel? Zu bedenken sind die frühen hohen Kulturleistungen,<br />

wie bei der Höhlenkunst im Südwesten Europas. Sollen wir uns jene zugleich als simple<br />

WildbeuterInnen vorstellen, die täglich von der Hand in den M<strong>und</strong> leben? Wer solche<br />

Gemälde schaffen kann <strong>und</strong> will, gibt Auskunft über sein Leben. Auch hier sind es die<br />

Männer, die wie selbstverständlich als Schöpfer gelten, obwohl es meist gar nicht<br />

Jagdwild ist, das abgebildet wird. Tiere kannten die s<strong>am</strong>melnden <strong>und</strong> schlachtenden<br />

Frauen wie sie. Oft sind Frauen gerade bei „Fummelarbeiten“ geschickter; sollten die<br />

Männer auch die große Zahl der sehr kleinen Stücke als Schmuck in Serie gemacht haben,<br />

die sich in Gräbern fand? Eine Perle zu machen, habe zwischen 45 Minuten <strong>und</strong> zwei<br />

St<strong>und</strong>en gebraucht, zeigten Experimente; das Doppelgrab zweier Jugendlicher in Sunghir<br />

von vor 24.000 Jahren enthielt 10.200 Stück davon – mindestens 7.650 Männerst<strong>und</strong>en,<br />

oder 319 mal Tag <strong>und</strong> Nacht, mindestens! Sie waren an die Kleidung genäht. Noch etwas<br />

älter sind übrigens erste Spuren gewebter Stoffe in Pavlov, Tschechei. (>Eiszeit, 2009:<br />

172) Ohne die Sicherheit, bei der Heimkehr von der Jagd ein Lager vorzufinden, Kleidung<br />

zu haben, Kleinvieh, Obst, Gemüse <strong>und</strong> Salat auch, <strong>und</strong> das Dach überm Kopf, ließe sich<br />

nicht nur Kunst schlecht machen. Wenn es auch eine typische Arbeitsteilung zwischen<br />

den Geschlechtern gegeben haben wird, ist wohl – wieder als Typus gedacht – von einer<br />

breiten Überlappung der Tätigkeiten auszugehen. (>Eiszeit, 2009: 158)<br />

Um den Plan zu fassen, einen solchen Tempel zu bauen, mußte es im Verständnis jener<br />

Leute lange Zeit bereits die Vorstellung einer sozialen Einheit gegeben haben. Erst dann<br />

kann an ein solches Gemeinschaftswerk „gedacht“ werden. Neben der geistigen mußte<br />

auch die äußere Struktur einer Gemeinschaft geschaffen worden sein, in der die möglichst<br />

konsensuale religiöse Wandlung <strong>und</strong> dann deren bauliche Symbolik zu bestimmen waren.<br />

Das geht nicht ohne eine gewisse Nähe zumindest der Eliten mehrerer Gruppen, oder falls<br />

es herausgehobene Führungsfiguren noch nicht gab, eines großen Teils dieses St<strong>am</strong>mes<br />

für (immer wieder) längere Zeit; Jahrestreffen reichten dazu kaum aus. Ein näheres<br />

Zus<strong>am</strong>menleben war nötig, <strong>und</strong> daraus ergaben sich wiederum Folgen. Zuerst zumindest<br />

hinsichtlich der Ernährung der nun umfangreicheren Bevölkerung in einer festgelegten<br />

„eigenen“ Region, die in Streifgebiete aufzuteilen war <strong>und</strong> doch Nähe ermöglichte. Vor<br />

allem bedurfte es aber eines triftigen Gr<strong>und</strong>es für eine solche Entwicklung bei strukturell<br />

konservativen WildbeuterInnen! Gefahren von außen durch Mensch oder Umwelt sind<br />

denkbar, ebenso innere Transformationen dort bereits lebender Gruppen. Oder k<strong>am</strong> ein<br />

1 Kurztexte in einem Katalog können beispielsweise so begonnen werden: A) Bereits früheste menschliche<br />

Hinterlassenschaften zeugen davon, dass der Mensch stets ein Jäger war. B) Über H<strong>und</strong>ertausende von Jahren<br />

bildete die Jagd die Hauptgr<strong>und</strong>lage des menschlichen Lebens <strong>und</strong> Überlebens. (>Eiszeit, 2009: 186, 192) In<br />

einem Lehrbuch zur Archäologie heißt es nach Verwendung nur der Wortes Studenten: hier wie im Ges<strong>am</strong>ten<br />

Buch schließt die männliche die weibliche Form stets mit ein; nein, ausdrücklich nicht, <strong>und</strong> in einer Anleitung<br />

für Studentinnen schon gleich gar nicht. (Eggert/ S<strong>am</strong>ida, 2009, Ur- <strong>und</strong> Frühgeschichtliche Archäologie,<br />

Köln/ Weimar/ Wien).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!