24.07.2014 Aufrufe

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

Denken und Glauben am Göbekli Tepe - SSOAR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

10 Insel im Urmeer?<br />

Die äußerliche Beschreibung des steinzeitlichen Bauwerks ist nicht übermäßig<br />

komplex, auch deshalb nicht, weil hier nur auf die bislang älteste Grabungsschicht III<br />

bezug genommen werden soll. Dort wurden im wesentlichen vier Bauanlagen gef<strong>und</strong>en,<br />

drei sind von einem Typus, eine kleinere, die Anlage A, hat einen etwas anderen<br />

Charakter: ihr Gr<strong>und</strong>riss ist eher rechteckig, ein kleiner Raum, an den eine Apsis<br />

anschließt; davon soll folgend nicht die Rede sein. Die anderen drei Anlagen sind<br />

angenähert kreisförmige Mauerkomplexe, deren Wände von Pfeilern gestützt werden, <strong>und</strong><br />

in deren ungefährer Mitte zwei größere Pfeiler stehen. Eine Anlage (C) hat zusätzliche<br />

äußere Mauerringe <strong>und</strong> einen längeren schmalen, von Mauern eng begrenzten Eingang<br />

(bei den Griechen: Bromos). Mein fotografiertes Modell deutet Anlage D an, um sich die<br />

Perspektive ein wenig vorstellen zu können, wenn sich Menschen näherten <strong>und</strong> eintraten.<br />

Ihr eiförmiger Gr<strong>und</strong>riß ist außen ungefähr zwölf mal 16 Meter groß. Von ihr spreche ich<br />

künftig. Die äußeren Pfeiler ragen um drei Meter über den Felsboden hinauf. Die<br />

umfassende Mauer wird etwas weniger hoch gewesen sein, reicht aber zum Teil nach oben<br />

in die Pfeilerköpfe hinein.<br />

Deutlich größer sind die inneren beiden T-Pfeiler. Vor allem um sie geht es bei dem<br />

Tempel. Fünfeinhalb Meter ragen sie über Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> stehen in etwa fünf Meter Abstand<br />

zueinander, leicht in ihrem Winkel zum Eingang hin geöffnet, d<strong>am</strong>it sie in ihrer<br />

Bedeutung genügend wirken <strong>und</strong> den Eintretenden nicht zu schmal erscheinen. 1 Sie stehen<br />

auf ganz flachen Felssockeln, die sich wie Inseln im Urmeer ausnehmen, weil Enten an<br />

den Kanten dieser Insel-Sockel als Hochreliefs die „Ufer“ verzieren. Ein Urmeer, von dem<br />

die Welt umgeben ist, sahen mesopot<strong>am</strong>ische Mythen (die Urinsel Tilmun) <strong>und</strong> noch<br />

ähnlich griechische. Die Pfeiler sind in die Sockel eingespannt, wie die anderen Pfeiler<br />

wohl auch in den Boden hinein reichen. Auf der Brust weist der vom Eingang aus links<br />

stehende Pfeiler ein Bukranium, einen symbolisierten Stierkopf, als Flachrelief auf, der<br />

andere drei Zeichen untereinander: H-Symbol, Kreis <strong>und</strong> nach oben offener Halbmond. 2<br />

Sind die Haupt-Pfeiler Mond <strong>und</strong> Sonne, oder Erde <strong>und</strong> Himmel? Das Horn steht in<br />

manchen alten Kulturen für Mondgottheiten. (Alt<strong>am</strong>ira, 1995: 104) Morenz/ Schmidt<br />

diskutieren die Relief-Icons auf diesem Pfeiler als „N<strong>am</strong>enstäfelchen“ hinsichtlich Mond<br />

<strong>und</strong> Mondsichel. (2009: 25) Wie der Bauch einer Schwangeren sieht dieser Bau (D) auf<br />

dem Berg aus; die Zulu in Südafrika sehen in der (ungefähren) Kreisform ihrer Gehöfte<br />

den Mutterleib. (>Bild-2: 142) Vor allem von innen. Nicht der weite Blick über die Ebene,<br />

über das „eigene“ Land, kennzeichnet ihn. Es geht bei dieser Architektur um die<br />

Abgeschlossenheit von Allem, um die Leere, aus der vielleicht der Ursprung der<br />

Gemeinschaft rituell neu entstehen soll, um sie mit den GöttInnen immer wieder in<br />

Einklang zu bringen, zum Beispiel wenn der Frühling kommt; Sumer kennt einen solchen<br />

Ritus als „Heilige Hochzeit“. Nur der Himmel ist aus diesem Erdenr<strong>und</strong> aus Mauern<br />

heraus sichtbar, der Himmel, in den die beiden (männlichen) Hauptgötter ragen, die<br />

vielleicht auch Himmel <strong>und</strong> Erde trennen. Auch das könnte zur Vorstellung eines Urmeers<br />

„passen“, aus der der bauchige Berg insges<strong>am</strong>t herausschaut. Eine sehr frühe Mythe ist<br />

auch die vom kosmischen oder Himmels-Baum, auch als Pfahl, Mast, Band verstehbar,<br />

(Vieyra, 1977: 88) eine Figur, die ebenfalls durch den Tempel auf dem „Berg“ selbst<br />

symbolisiert werden könnte. Von außen, von unten aus der Ebene her, erschien der<br />

Tempel als ein ungeheuerliches Symbol der Kraft <strong>und</strong> der Macht über die Welt, deren<br />

Mittelpunkt er für seine ErbauerInnen bezeichnete.<br />

Besonders wichtig für die Beurteilung der Anlagen sind die Formen der Pfeiler, die als<br />

T-Pfeiler bezeichnet werden: die kleineren bestehen aus Kalksteinplatten, die vielleicht<br />

bei vierzig Zentimeter Dicke um einen knappen Meter breite Schäfte haben; darüber ist<br />

ein ähnlich hoher Kopf symbolisiert, der hinten wie vorn als Hinterkopf <strong>und</strong> Gesicht/<br />

1 Auch beim Parthenon geben leichte Maßabweichungen (der Ecksäulen) der Perspektive einen ästhetischen<br />

Gewinn. Auf der athenischen Akropolis stehen alle Gebäude so, daß sie von Eingang sofort ihre Dimension,<br />

Länge <strong>und</strong> Breite, zeigen; das sei demokratisch, kann gesagt werden. Ganz anders als die ägyptischen Tempel,<br />

die Gäste durch die Widderalleen zentral auf die beeindruckenden Pylone zuzugehen zwingen.<br />

2 Knapp 50 Kilometer südlich von Urfa/ Edessa liegt Harran, das der Ebene den N<strong>am</strong>en gab, auf der auch der<br />

<strong>Göbekli</strong> <strong>Tepe</strong> liegt. Dort kreuzten sich der Karawanenweg von Mosul <strong>und</strong> Ninive nach Aleppo <strong>und</strong> zum<br />

Mittelmeer mit einem von D<strong>am</strong>askus über Palmyra, Urfa nach Norden. In Harran wurde (um 1.850 vC) der<br />

Mondgott Sin verehrt, dessen Zeichen Kreis <strong>und</strong> Halbkreis waren. Die Quellenlage über die Sabier ist dürftig.<br />

(Segal, 1963: 201ff) Spontan k<strong>am</strong> mir diese Kombination, H, Kreis <strong>und</strong> Halbmond, als Frauenkörper vor:<br />

Busen, Bauch, Vulva, doch die Verwendung des H-Symbols an anderen Stellen auch um 90° gedreht stört<br />

diesen hübschen Gedanken. Bei der gef<strong>und</strong>enen nur minimalen Einspanntiefe der Mittelpfeiler in den<br />

Felsboden bei Anlage D von 15 Zentimetern stellt sich die Frage nach einer Abstützung.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!