1. Erving Goffmans Reich der Interaktion' - SSOAR
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verschiedener gleichzeitig anwesen<strong>der</strong> Personen. Diese »interactionist<br />
view« (Goffman 1981, 78) wird von <strong>der</strong> Ethnomethodologie<br />
aufgenommen, die, beson<strong>der</strong>s in Schegloffs (1988) Kritik<br />
an Goffman,6 erstaunlicherweise einer systemtheoretisch-autopoietischen<br />
Vorstellung folgt, daß die Organisation sozialen<br />
Handelns aus den Interaktionen selbst generiert sei und betont:<br />
Nur eine von individuellen Handlungsabsichten absehende Untersuchung<br />
von Interaktionen - eigentlich von »talk-in-interaction«<br />
- würde diesem Anspruch gerecht werden. Diesen Aspekt<br />
verstärkt Srubar (1994) noch, indem er <strong>Goffmans</strong> Analysen als<br />
Beschreibungen eines vom Individuum unabhängigen, sich<br />
selbst generierenden Interaktionssystems auffaßt. Das Individuum<br />
ist demnach an die Interaktionen bloß »angekoppelt«; allein<br />
<strong>der</strong> Umstand, daß Individuen interagieren, erzeugt bestimmte<br />
Zwänge, die nicht von den Individuen beabsichtigt werden.<br />
Sie stehen vor einem Interaktionszwang, <strong>der</strong> noch beim<br />
höflichen Ignorieren Unbekannter in <strong>der</strong> Öffentlichkeit durch<br />
unauffälliges »monitoring« geübt wird; dem Interaktionszwang<br />
folgt ein Zwang zur Kundgabe <strong>der</strong> jeweiligen Absichten,<br />
<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um einen Zwang zur Interpretation eben jener Kundgaben<br />
herbeiführt; das Nachkommen dieser Zwänge wird überdies<br />
durch Interaktionsregulative gesteuert, also den Formen<br />
des rituellen Austauschs, Handlungspaartypen (Fragen und<br />
Antworten, Bitten und Erfüllen usw.), die »eine sinnhervorbringende<br />
Verkettung von Anschlüssen« ausbilden.<br />
Daß auch diese »interaktionistische« Fassung Goffman<br />
nicht ganz gerecht wird, zeigen die Hinweise Schegloffs deutlich.<br />
Schegloff (1988, 94) wirft Goffman nämlich vor, die Trennung<br />
solcher Interaktionsmuster von den Absichten <strong>der</strong> Akteure<br />
nicht konsequent verfolgt zu haben; und er moniert,<br />
Goffman sei zu oft und vielleicht insgesamt <strong>der</strong> Versuchung erlegen,<br />
anstelle <strong>der</strong> »Verkehrsregeln« <strong>der</strong> Interaktion die »drivers<br />
and their psychology« zu betrachten. Schuld daran sei vor<br />
allem <strong>Goffmans</strong> Betonung des Rituals.<br />
6 Schegloff ist wie Sacks ein ehemaliger Student <strong>Goffmans</strong> und mit Sacks und Jefferson<br />
Begrün<strong>der</strong> <strong>der</strong> von Goffman heftig kritisierten, aber auch respektierten<br />
Konversationsanalyse.<br />
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