1. Erving Goffmans Reich der Interaktion' - SSOAR
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<strong>Goffmans</strong> zum symbolischen Interaktionismus Blumers leidet<br />
nicht nur daran, daß Blumer eine Scheidelinie zu Goffman zog<br />
(Lenz 1991a, 85f.); Goffman selbst bezeichnete den symbolischen<br />
Interaktionismus als viel zu vage (Winkin 1988, 235f.).<br />
Die in <strong>der</strong> Popularität von Wir alle spielen Theater begründete<br />
Auffassung, Goffman vertrete eine »dramaturgische« Theorie<br />
des Soziallebens, das aus einer andauernden Inszenierung des<br />
Selbst bestehe, ist ebenso einseitig. Schon Sennett (1986) hat diesen<br />
Ansatz kritisiert, indem er nachweist, daß zwar die Theatermetapher<br />
auf die bürgerliche Öffentlichkeit voriger Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
anwendbar sei, <strong>der</strong> heutigen Gesellschaft aber nicht mehr<br />
gerecht werde. Und Goffman selbst legt diese dramaturgische<br />
Metapher nach Wir alle spielen Theater bald ab; in den Forms<br />
of Talk wi<strong>der</strong>ruft er den Vergleich des Soziallebens mit einer<br />
Bühne (und hält nur an <strong>der</strong> grundlegenden »theatricality« des<br />
sozialen Handelns fest).<br />
Sehr viel begründeter ist die Annahme Hettlages (1991a),<br />
Goffman sei vorwiegend ein Rahmentheoretiker. Der »Rahmen«<br />
spielt zweifellos in den späten Schriften <strong>Goffmans</strong> eine<br />
Rolle und ist auch, wie Soeffner (1989) zeigt, für die sozialwissenschaftliche<br />
Hermeneutik von Bedeutung. Hettlages Versuch<br />
aber, das gesamte <strong>Goffmans</strong>che Oeuvre durch die Brille <strong>der</strong><br />
Rahmenanalyse zu sehen, verzerrt die <strong>Goffmans</strong>che Perspektive.<br />
Denn we<strong>der</strong> gibt es etwa in Behavior in Public Places Hinweise<br />
auf die »Rahmen« (und die »little systems« <strong>der</strong> Interaktionsordnung<br />
als »Rahmen« zu übersetzen, kommt einem Kategorienfehler<br />
gleich), noch stellen späte Arbeiten, wie etwa Geschlecht<br />
und Werbung bloß eine »Anwendung« <strong>der</strong> Rahmenanalyse<br />
dar. Selbst in den Forms ofTalk, die zu Recht als »Anwendung«<br />
<strong>der</strong> Rahmenanalyse betrachtet werden können, ordnet<br />
Goffman (1981, 162) die Rahmen als »Formen« dem allgemeineren<br />
Thema <strong>der</strong> »forms and occasions of face-to-face interaction«<br />
unter. Wie Eberle (1991) zeigt, stößt auch eine phänomenologische<br />
Interpretation <strong>Goffmans</strong> auf enge Grenzen.<br />
Die Schwierigkeiten, Goffman zu interpretieren, liegen<br />
nicht nur in dessen hemmungslosem Eklektizismus begründet.<br />
Sie sind Folge einer bei Goffman selbst angelegten Spannung<br />
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