1. Erving Goffmans Reich der Interaktion' - SSOAR
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Forms of Talk zielen genaugenommen auf diejenigen Aspekte<br />
des »Redens«, die nicht in <strong>der</strong> Sprache selbst liegen, son<strong>der</strong>n<br />
bestenfalls von ihr angezeigt werden.<br />
Goffman zielt im Grunde darauf, wie <strong>der</strong> nichtsprachliche<br />
Kontext, die Beteiligten, ihr interaktiver Schlagabtausch, ihr<br />
Vorwissen und ihre Vorgeschichte, in die Bedeutung von Äußerungen<br />
eingehen. Dies zeigt sich an seinem letzten, dem einzigen<br />
posthum veröffentlichten Aufsatz Felicity’s Condition<br />
(1983). In Anspielung auf die »Glückungsbedingungen« <strong>der</strong><br />
Sprechakttheorie, die Bedingungen zur gelingenden Ausführung<br />
eines Sprechakts (»Felicity’s condition« kann auch als »Felicity’s<br />
Schwangerschaft gelesen werden) untersucht er die in<br />
Äußerungen enthaltenen, Implikationen, die zum Verständnis<br />
ihrer Bedeutung notwendig sind. Im Unterschied zu den Untersuchungen<br />
<strong>der</strong> Sprechakttheorie sind diese Bedingungen für<br />
Goffman keine kognitiven Konstrukte. Äußerungen werden<br />
im wesentlichen durch soziologische Rahmenbedingungen beschränkt:<br />
das in kommunikativen Vorgängen angehäufte Hintergrundwissen,<br />
die gemeinsam wahrnehmbare Umgebung<br />
und das gemeinsam unterstellte Wissen (1983, 28). Einmal<br />
mehr stößt er damit auf die in <strong>der</strong> Interaktionsordnung selbstverständlich<br />
gemachten Hintergrundannahmen (wer wen wo<br />
ansprechen darf, was erwähnt werden kann, worüber gesprochen<br />
werden kann), die, wie er moniert, kaum untersucht worden<br />
seien (1983, 48).<br />
Die Untersuchung sprachlicher Interaktion scheint für Goffman<br />
eher ein Feld zu sein, an dem die soziale Dimension deutlich<br />
herausgestellt werden kann - sei es die interaktive Struktur<br />
von Redezugwechseln, die sozialen Kontexte des »Footing«<br />
o<strong>der</strong> die hinter den Präsuppositionen verborgenen sozialen<br />
Regeln. Goffman sucht diese soziale Dimension jedoch<br />
we<strong>der</strong> in einer Korrelation zwischen Sprachstrukturen und Sozialstruktur,<br />
noch sieht er sprachliche Mittel als »Indikatoren«<br />
von makrostrukturellen sozialen Kategorien wie Schicht, Ethnie<br />
o<strong>der</strong> Geschlecht an. Die soziale Dimension, die den Sinn<br />
von Äußerungen leitet, nennt er, einmal mehr, die Interaktionsordnung.<br />
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