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1. Erving Goffmans Reich der Interaktion' - SSOAR

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mehr in <strong>der</strong> Unfähigkeit bestehen, Regeln <strong>der</strong> sozialen Interaktion<br />

zu befolgen. Mentale Symptome verweisen auf Akte des<br />

Individuums, die anzeigen, daß es Annahmen über sich macht,<br />

die niemand dulden und mit denen niemand umgehen mag.<br />

Geisteskrankheit erweist sich dann als eine Anhäufung situativer<br />

Unangemessenheit und bezieht sich mehr auf das Verhalten<br />

einer Person als auf psychische Phänomene.<br />

Dahinter klingt ein bedeutsames Thema an: die Normalität<br />

des Alltags. Manning (1992, 10ff.) charakterisiert sie mit <strong>der</strong><br />

Formel »SIAC«. Zur Normalität gehört einmal die »situative<br />

Angemessenheit« (S). Die Normalität ist nämlich schon deswegen<br />

nicht von allgemeinen Regeln geleitet, weil diese in den unterschiedlichsten<br />

Kontexten auf verschiedene Weisen befolgt<br />

werden müßten. Eine Frau, die auf Auffor<strong>der</strong>ungen in einer<br />

psychiatrischen Aufnahmestation nicht reagiert, wird als geistig<br />

verwirrt angesehen, während dieselbe Frau auf <strong>der</strong> nächtlichen<br />

Straße gut daran tut, Auffor<strong>der</strong>ungen vorbeigehen<strong>der</strong><br />

Männer zu ignorieren. Die »situative Angemessenheit« macht<br />

zweitens auch einen angemessenen Grad <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Akteure erwartbar, ein »involvement« in diese Kontexte<br />

(I). »Involvement« bedeutet das Ausmaß, in dem Handelnde<br />

in Aktivitäten verstrickt sind. Goffman geht davon aus,<br />

daß von Handelnden je nach Situation unterschiedliche Grade<br />

<strong>der</strong> Aufmerksamkeit erwartet werden. So weist etwa <strong>der</strong><br />

»daily course« eine Kontur <strong>der</strong> Involviertheit aus, die von Situationen<br />

ununterbrochener Aufmerksamkeit bis zu halbwachen<br />

»Auszeiten« reichen. Eng daran geknüpft sind (A) »Verfügbarkeit«<br />

(»accessibility«) und (C) »höfliche Unaufmerksamkeit<br />

(»civil inattention«). Verfügbarkeit ist die Voraussetzung<br />

zur Beteiligung, eine Kategorie, die für anonyme, öffentliche<br />

Personen an<strong>der</strong>e Regelungen vorsieht als für «withs« o<strong>der</strong><br />

»bystan<strong>der</strong>s«. Sie bedeutet gewissermaßen die Bereitschaft für<br />

Interaktionen in bestimmten Situationen, sei dies die Bereitschaft,<br />

Unbekannten Auskunft zu geben, o<strong>der</strong> die, auf eine<br />

Frage im Gespräch mit Freunden eine Antwort zu geben. »Civil<br />

inattention« müßte genauer mit »höflicher Gleichgültigkeit«<br />

als höflicher Unaufmerksamkeit übersetzt werden; denn<br />

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