1. Erving Goffmans Reich der Interaktion' - SSOAR
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mal seiner Ethnographie dürfte die Beachtung formaler Handlungsstrukturen<br />
sein, die er an einer Empfehlung zur Untersuchung<br />
des Händchenhaltens illustriert: Einmal können die verschiedenen<br />
Kontexte dieses »Beziehungszeichens« (»transsituational«)<br />
verglichen werden (wo und wann halten Personen<br />
einan<strong>der</strong> die Hände); o<strong>der</strong> es können funktional äquivalente<br />
Beziehungszeichen (Berühren, Händeschütteln, Wangenkuß)<br />
im selben Kontext gesucht werden. Vor diesem Hintergrund<br />
ist auch <strong>Goffmans</strong> Hochachtung vor <strong>der</strong> Ethologie zu verstehen<br />
(in den Relations in Public spricht er auch von einer »interaction<br />
ethology«), die »gezwungenermaßen Erforschung<br />
von unmittelbaren Interaktionen« sei und es darin zu einer<br />
vorbildlichen Kunst gebracht habe. Ihr sei es gelungen, »den<br />
Fluß anscheinend zufälliger Verhaltensweisen zu unterbrechen<br />
und natürliche Muster zu isolieren. (...) Deshalb sind<br />
Ethologen eine Inspiration.« (1972a; 14 u. 54)8<br />
Dabei zehrt seine Vorgehensweise von einem ausgeprägten<br />
Induktionismus: Goffman will keine Theorie vom Lehnstuhl<br />
aus betreiben; er macht sich zunächst mit dem sozialen Feld<br />
seiner Untersuchung vertraut,9 Wenn <strong>Goffmans</strong> Arbeiten sich<br />
dennoch durch eine beinahe verwirrende Lust am Klassifizieren<br />
auszeichnen, so liegt <strong>der</strong> Grund darin, daß er keineswegs<br />
eine deskriptive Ethnographie <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft betreiben<br />
will. Er bewegt sich vielmehr, wie sogar Bourdieu<br />
(1983, 112) anerkennend bemerkt, zwischen »object-less theoreticians<br />
and concept-less observers«. Weil er seine Begriffe<br />
aus unterschiedlichen Begriffsfel<strong>der</strong>n bezieht, hat er sich zwar<br />
den Vorwurf Geertz’ (1983) eingehandelt, »Genres« <strong>der</strong> Analyse<br />
zu vermischen; wie <strong>der</strong> folgende kursorische Durchgang<br />
durch die wichtigsten Metaphern- und Themenbereiche zeigt,<br />
behalten die dabei verwendeten Metaphern aber einen durchgängig<br />
gegenständlichen Bezug.<br />
8 Dies wird auch offenkundig, vergleicht man etwa <strong>Goffmans</strong> Ausführungen zum<br />
Ritual und die Studie von Eibl-Eibesfeldt u.a. (1989), bes. 143ff.<br />
9 So bekennt er in seiner Dissertation: »I should like to make it clear that the<br />
terms and concepts employed in this study came after and not before the facts«<br />
{Goffman 1953, 9).<br />
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