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24.07.2014 Aufrufe

3. Geschlechterverhältnisse in unternehmerischen Hochschulen – Gleichstellung(spolitiken) als Wettbewerbsfaktor? Auch unternehmerische Hochschulen haben Partizipationsdefizite von Frauen in der Wissenschaft, und es ist keineswegs abschließend ausgemacht, ob sich die Ökonomisierung positiv oder negativ auf Gleichstellungsanliegen auswirkt. Auch unter Marktbedingungen geschieht die Herstellung und Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter in Hochschule und Forschung nicht von allein. Maßnahmen zur Erhöhung der Partizipation von Frauen in der Wissenschaft, insbesondere in Spitzenpositionen, und zur Herstellung und Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter in Hochschule und Forschung entwickeln sich zum Teil eng verknüpft mit, zum Teil aber auch weitgehend autonom von Reformen, die auf unternehmerische Veränderungen von Hochschule und Forschung zielen. Ob und inwiefern Gleichstellung als Wettbewerbsfaktor betrachtet wird, ist abhängig von der Bedeutung, die die jeweiligen wissenschaftspolitischen und wissenschaftlichen Akteure der Partizipation von Frauen in akademischen Spitzenpositionen beimessen, und wie sie diese strategisch legitimieren. So ist Gleichstellung zunächst einmal ein auf Demokratisierung zielendes Anliegen und dient dazu, ein vorhandenes Partizipations- und Gerechtigkeitsdefizit abzubauen. Zunehmend findet sich aber auch eine ökonomisch ausgerichtete Argumentation, die darauf zielt, verstärkt das ‚weibliche Potenzial‘ in der und für die Wissenschaft zu nutzen. Gender wird darin zur Ressource, die es zu gewinnen und entwickeln gilt, wobei „Gender“ hier mit „Frauen“ gleichgesetzt wird. Die Erhöhung der Beteiligung von Frauen in Hochschule und Forschung wird in diesem Begründungskontext als wesentlich für die Stärkung von Vielfalt und damit von Innovation(smöglichkeiten) präsentiert. Wesentliche Impulse erhielt diese Argumentation durch die gewachsene Aufmerksamkeit für die demographischen Veränderungen. Zum Teil gehen ökonomische Argumente auch Hand in Hand mit Argumenten, die auf Demokratisierung zielen. Die wissenschaftspolitischen Akteure entfalten unter dem mit der Globalisierung verbundenen Wettbewerbsdruck einige bemerkenswerte Aktivitäten und rahmen, nicht zuletzt angestoßen durch die Kritik internationaler Gutachterinnen und Gutachter für die Exzellenzinitiative, die Ökonomisierung mit Bekenntnissen zur Gleichstellung: Zeitgleich zur Föderalismusreform und Suspendierung des bundeseinheitlichen Hochschulrahmengesetzes im Jahr 2006 initiierte der Wissenschaftsrat die „Offensive für Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ (vgl. Wissenschaftsrat 2007b), auch „Gender-Allianz“ genannt, und legte im Jahr 2007 nach 1998 erneut „Empfehlungen zur Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ vor (vgl. Wissenschaftsrat 1998, 2007a). Im Zuge dessen entwickelte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) „Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards“ als Leitlinie für das Handeln ihrer Mitgliedseinrichtungen. Diese Aktivitäten können sich als wirkmächtige Interventionen in Wissenschaft und Forschung erweisen, die das organisationale Gleichstellungsgeschehen befördern, sofern die VORTRÄGE 81

Umsetzung politisch unterstützt wird. Hierzu bieten sich monetäre Anreize in Gestalt von zusätzlichen Ressourcen an, die auf der Basis positiv im Wettbewerb bewerteter Gleichstellungsaktivitäten verteilt werden. Diese Strategie ist nicht neu in der Hochschulund Wissenschaftspolitik. Unter sich verstärkenden wettbewerblichen Bedingungen und angesichts gedeckelter Haushalte kommt ihr aber erhebliche Wirkungsmacht zu. Das derzeit wohl prominenteste Beispiel für ökonomische Anreize zur Gleichstellung seitens der Politik ist das „Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen“, das im Jahr 2008, ausgestattet mit 150 Millionen Euro für 200 Professuren für Frauen, aufgelegt wurde. In einem wettbewerblichen Verfahren wurden in der ersten Runde 79 Hochschulen (von 113) und in der zweiten Runde 45 Hochschulen (von 60) für ihre Gleichstellungskonzepte als förderungswürdig anerkannt. Schon die Bewerbung um die Fördermittel kann als gleichstellungspolitischer Erfolg gewertet werden, kann doch davon ausgegangen werden, dass dadurch die Auseinandersetzung mit der Gleichstellung in der jeweiligen Hochschule zwangsläufig gefördert wurde: „Das Professorinnenprogramm hat einen großen Einfluss auf die strukturelle Stärkung der Chancengerechtigkeit an deutschen Hochschulen: So 82

3. Geschlechterverhältnisse in<br />

unternehmerischen Hochschulen –<br />

Gleichstellung(spolitiken) als Wettbewerbsfaktor?<br />

Auch unternehmerische Hochschulen haben<br />

Partizipationsdefizite von Frauen in der Wissenschaft,<br />

und es ist keineswegs abschließend<br />

ausgemacht, ob sich die Ökonomisierung<br />

positiv oder negativ auf Gleichstellungsanliegen<br />

auswirkt. Auch unter Marktbedingungen<br />

geschieht die Herstellung und Durchsetzung der<br />

Gleichstellung der Geschlechter in Hochschule<br />

und Forschung nicht von allein. Maßnahmen<br />

zur Erhöhung der Partizipation von Frauen in<br />

der Wissenschaft, insbesondere in Spitzenpositionen,<br />

und zur Herstellung und Durchsetzung<br />

der Gleichstellung der Geschlechter in Hochschule<br />

und Forschung entwickeln sich zum Teil<br />

eng verknüpft mit, zum Teil aber auch weitgehend<br />

autonom von Reformen, die auf unternehmerische<br />

Veränderungen von Hochschule und<br />

Forschung zielen. Ob und inwiefern Gleichstellung<br />

als Wettbewerbsfaktor betrachtet wird, ist<br />

abhängig von der Bedeutung, die die jeweiligen<br />

wissenschaftspolitischen und wissenschaftlichen<br />

Akteure der Partizipation von Frauen in akademischen<br />

Spitzenpositionen beimessen, und wie<br />

sie diese strategisch legitimieren.<br />

So ist Gleichstellung zunächst einmal ein auf<br />

Demokratisierung zielendes Anliegen und dient<br />

dazu, ein vorhandenes Partizipations- und<br />

Gerechtigkeitsdefizit abzubauen. Zunehmend<br />

findet sich aber auch eine ökonomisch ausgerichtete<br />

Argumentation, die darauf zielt, verstärkt<br />

das ‚weibliche Potenzial‘ in der und für<br />

die Wissenschaft zu nutzen. Gender wird darin<br />

zur Ressource, die es zu gewinnen und entwickeln<br />

gilt, wobei „Gender“ hier mit „Frauen“<br />

gleichgesetzt wird. Die Erhöhung der Beteiligung<br />

von Frauen in Hochschule und Forschung wird<br />

in diesem Begründungskontext als wesentlich<br />

für die Stärkung von Vielfalt und damit von<br />

Innovation(smöglichkeiten) präsentiert. Wesentliche<br />

Impulse erhielt diese Argumentation durch<br />

die gewachsene Aufmerksamkeit für die demographischen<br />

Veränderungen. Zum Teil gehen<br />

ökonomische Argumente auch Hand in Hand mit<br />

Argumenten, die auf Demokratisierung zielen.<br />

Die wissenschaftspolitischen Akteure entfalten<br />

unter dem mit der Globalisierung verbundenen<br />

Wettbewerbsdruck einige bemerkenswerte Aktivitäten<br />

und rahmen, nicht zuletzt angestoßen<br />

durch die Kritik internationaler Gutachterinnen<br />

und Gutachter für die Exzellenzinitiative, die<br />

Ökonomisierung mit Bekenntnissen zur Gleichstellung:<br />

Zeitgleich zur Föderalismusreform und<br />

Suspendierung des bundeseinheitlichen Hochschulrahmengesetzes<br />

im Jahr 2006 initiierte<br />

der Wissenschaftsrat die „Offensive für Chancengleichheit<br />

von Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftlern“ (vgl. Wissenschaftsrat 2007b),<br />

auch „Gender-Allianz“ genannt, und legte im<br />

Jahr 2007 nach 1998 erneut „Empfehlungen zur<br />

Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern“ vor (vgl. Wissenschaftsrat<br />

1998, 2007a). Im Zuge dessen entwickelte die<br />

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) „Forschungsorientierte<br />

Gleichstellungsstandards“<br />

als Leitlinie für das Handeln ihrer Mitgliedseinrichtungen.<br />

Diese Aktivitäten können sich als<br />

wirkmächtige Interventionen in Wissenschaft<br />

und Forschung erweisen, die das organisationale<br />

Gleichstellungsgeschehen befördern, sofern die<br />

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