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Die Verbesserung der Lebensbedingungen in der<br />

Forschung und die Berücksichtigung des Konzepts<br />

der epistemischen Lebensräume erfordern<br />

mehrere Maßnahmen. Zum einen ist es essentiell,<br />

eine kritische Debatte darüber zu initiieren,<br />

was Leben und Arbeiten in der Wissenschaft<br />

heute bedeutet. Dies betrifft insbesondere den<br />

Nachwuchs. Es kann also nicht nur darum<br />

gehen Passform einzufordern, sondern die Frage<br />

immer wieder neu zu stellen, wie Lebensbedingungen<br />

und Wissensproduktion verknüpft sind<br />

und warum daher Geschlechtergerechtigkeit<br />

auch eine Frage des möglichen Wissens ist,<br />

welches wir produzieren.<br />

Darüber hinaus ist es wesentlich zu überdenken,<br />

welches Bild von Wissenschaft nach außen getragen<br />

wird. In vielen Staaten werden beträchtliche<br />

Mittel für Kommunikationsaktivitäten<br />

aufgewendet, um Kinder und Jugendliche für<br />

Wissenschaft und wissenschaftliche Karrieren zu<br />

begeistern. Die Darstellung der Lebensrealitäten<br />

in der Wissenschaft, die im Rahmen solcher Veranstaltungen<br />

geboten wird – etwa Kids Days,<br />

Kinderuniversitäten und viele mehr –, steht<br />

dabei vielfach in flagrantem Widerspruch zu<br />

den Bedingungen, die tatsächlich in der Wissenschaft<br />

herrschen. Diese Dissonanz hat zur Folge,<br />

dass viele unserer interviewten DissertantInnen<br />

sich selbst als hochgradig naiv beschreiben<br />

und hervorheben, dass sie erst im Laufe ihrer<br />

Doktorarbeit begriffen hätten, wie Wissenschaft<br />

wirklich funktioniert und was von ihnen gefordert<br />

wird. Dies führt dann vielfach zur Frage<br />

nach der Richtigkeit der eigenen Berufswahl. Die<br />

lustige, bunte, großzügige und willkommen heißende<br />

Wissenschaft scheint über weite Strecken<br />

dem Genre Fiktion anzugehören.<br />

Schließlich ist und war die Wissenschaft immer<br />

ein von Mythen bestimmter Ort. Auch hier wird<br />

ein Spannungsfeld deutlich sichtbar: Während<br />

nach wie vor vielfach auf den klassischen<br />

Mythos von Wissenschaft als Berufung rekurriert<br />

wird, hat sich die Forschung selbst längst<br />

in Richtung verstärkten Unternehmertums,<br />

Managements und hochgradig taktisch-kompetitiven<br />

Verhaltens gewandelt und entsprechende<br />

neue Mythen kreiert. Die Kraft solcher<br />

neuen Mythen liegt in ihrer Fähigkeit, die<br />

durch sie propagierten Werte als natürlich und<br />

neutral und damit bestimmte Handlungsformen<br />

als vernünftig und zielführend erscheinen zu<br />

lassen.<br />

In diesem Sinne scheint es an der Zeit zu reflektieren,<br />

auf welchen Sinngeschichten Wissenschaft<br />

heute beruht und wie die Fülle an<br />

Alltagspraxen, die wir WissenschaftlerInnen<br />

abverlangen, zu diesen stehen. Aber vielleicht<br />

kann es auch darum gehen, die grundlegenden<br />

Mythen, die Wissenschaft zusammenhalten, neu<br />

zu „erfinden“, und zwar in einer Weise, dass<br />

Geschlechtergerechtigkeit und andere Formen<br />

von Gerechtigkeit jenseits von Sondermaßnahmen<br />

und Schutzbestimmungen zur Normalität<br />

des Wissenschaftsbetriebs werden.<br />

Literatur<br />

Adam, Barbara und Groves, Chris (2007), Future<br />

Matters: Action, Knowledge, Ethics, Leiden.<br />

Etzkowitz, Henry und Leydesdorff, Loet (2000),<br />

The Dynamics of Innovation: From National<br />

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