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torinnen auf das Phänomen, dass Zeit zum<br />
Nachdenken, oder Zeit, die nicht schon eine<br />
konkrete Widmung besitzt und einem konkret<br />
messbaren Output gegenübergestellt werden<br />
kann, zu einem Luxusgut wird. Dies bedeutet<br />
eine neue Form der buchhalterischen Übung,<br />
die gerade Frauen (aber zum Teil durchaus auch<br />
Männer) in jenen Phasen ihres Lebens praktizieren<br />
müssen, in denen sie versuchen, ihr wissenschaftliches<br />
Leben mit den ‚anderen‘ Leben in<br />
Einklang zu bringen.<br />
Mobilität<br />
Der dritte Kontext, der für leise Ausschlüsse<br />
von Bedeutung ist, könnte mit dem Begriff Mobilität<br />
überschrieben werden. Es gibt kaum ein<br />
Thema, welches unisono so positiv dargestellt<br />
wird wie Mobilität. Während bei Auditing und<br />
anderen Aspekten der Veränderung durchaus<br />
kritische Stimmen laut werden, sind diese in<br />
Sachen Mobilität kaum hörbar. Was steht hinter<br />
diesem Begriff? Welche Erwartungen an Personen<br />
werden zum Ausdruck gebracht, und was<br />
erhofft sich die Forschungspolitik von der massiven<br />
Übersetzung dieses Begriffs in die Praxis?<br />
Nehmen wir den Diskurs auf EU-Ebene als<br />
Beispiel: Dort wird das ideale Ziel eines europäischen<br />
Forschungsraumes etwa mit der Hoffnung,<br />
dass 10 % der Humanressourcen zu jedem<br />
Zeitpunkt in Bewegung sein würden, umschrieben.<br />
Die Frage, die nur wenig gestellt wird, ist<br />
die nach der Lebenssituation der Menschen, die<br />
zur Umsetzung dieses Ideals beitragen sollen.<br />
Solange das Ziel also diskursiv in Form des<br />
abstrakten Begriffs der Humanressourcen formuliert<br />
wird, scheint es unproblematisch.<br />
Ich möchte mich hiermit keineswegs gegen<br />
Mobilität aussprechen, jedoch anregen, über<br />
die hochgradig normative Umsetzung dieser<br />
Idee nachzudenken. Denn in vielen wissenschaftlichen<br />
Feldern sind „Wanderjahre“ nach<br />
der Dissertation quasi ein Zwang, ohne den<br />
man kaum auf eine stabile Position oder gar<br />
auf eine Karriere im akademischen Feld hoffen<br />
kann. Es wäre also in diesem Kontext durchaus<br />
angebracht, eine Debatte darüber zu führen,<br />
welche unterschiedlichen Formen der Mobilität<br />
in einem Wissenschaftssystem sinnvoll und<br />
zielführend wären, und zwar sowohl für die<br />
einzelne Person als auch für das System.<br />
Was bedeutet dies nun für Geschlechterordnungen<br />
im Wissenschaftssystem? Dazu möchte<br />
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